INSPEKTOR SVENSSON: ABSCHIEDSVORSTELLUNG
"Die Zeiten ändern sich unentwegt. Was mir eben noch vertraut und bekannt erschien, ist mir plötzlich völlig fremd. Namen und Worte sind Schall und Rauch. Längst vergangen Gedachtes wird mit einem Male wieder brandaktuell. Und eine unglaubliche Bedrohung schwebt einmal mehr über meinem Leben und dem eines von mir geliebten Menschen. Ich bin Inspektor Lukas Svensson, und was nun begonnen hat, sind die unwiderruflich letzten Tage meines Lebens".
EPISODE 13: Und wenn die Nacht kommt
Der nächtliche Himmel war wolkenverhangen, von ferne her vernahm man zusammen mit dem zehnfachen Glockenschlag von Big Ben auch das leise Grollen eines heraufziehenden starken Unwetters. Der ohnehin schon den ganzen Donnerstag über ununterbrochen anhaltende Nieselregen trieb dabei immer dichter werdende Nebelschwaden durch die Straßen von London. Hin und wieder wurden von jenem gräulich undurchsichtigen Dunstschleier in der Nähe vom Haupteingang des außen wie innen nur noch spärlich beleuchteten Pflegeheims "Heavensdoor" einzelne menschliche Wesen in die naßkalte Nacht hinein ausgespien - jene 6 Mitarbeiter der Pflege, die die Spätschichten der sechs einzelnen Wohnbereiche gebildet hatten und nun nach Feierabend den Weg nach Haus antraten. Zurück blieben 142 Heimbewohner und die für sie alleinverantwortlichen 3 Pflegekräfte der Nachtschicht - Fachkraft Annie Walker auf den Wohnbereichen Adele und Bonjour, Pflegehelferin Sandy Bulldog auf den Wohnbereichen Causality und Destiny sowie Pflegehelfer Adam East auf den Wohnbereichen Elesion und Fidelitas. Irgendwo aus der Finsternis tauchte dann knapp eine halbe Stunde später mit einem Male wie aus dem Nichts auf der regennassen Straße vorm Gebäude erneut jener kohlrabenschwarze Kleintransporter auf, der noch am späten Nachmittag des Vortags mitsamt dem gipsarmigen Leierkastenmann und seinem vermeintlich sehbehinderten Begleiter von just der gleichen Stelle abgefahren war. Der Minilaster bog langsam in die rückwärtige Einfahrt des Pflegeheims ein, wo er schließlich nahe des Hintereingangs zum Stehen kam. Und während der Fahrer im Innern der Kabine noch rasch den Motor abstellte und dann den Zundschlüssel abzog, angelte sich sein Nebenmann mit links ein Hightech-Nachtsicht-Fernglas aus dem Handschuhfach, führte es sich vor Augen und nahm damit die gläserne Front um die Hintertür zum Heim minutenlang genaustens in Augenschein. Anschließend legte er das Glas wieder ins Fach zurück, warf einen vorwurfsvollen Blick auf seine Armbanduhr und stellte dann leicht zähneknirschend mit einem recht unverhohlen triumphierenden Unterton in der rauhen Stimme fest: "Na bitte, es ist bereits 22 Uhr und 39 Minuten, und im ganzen hinteren Eingangsbereich keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Also, Mister Horch und Kuck, wo ist denn nun ihr als so untertänig und höchst zuverlässig angepriesener nächtlicher Türöffner aus den Reihen der Heimbewohnerschaft. Meine Fresse! Der Typ, dem sie da vertrauen wollten, war vermutlich ein völlig seniler Spinner, der Ihren Auftrag und die Verabredung mit Ihnen schon längst wieder vergessen hat. Wie gut, daß wir da jetzt dank meiner genialen Idee für unser Eindringen noch einen Plan B parat haben". Mit diesen Worten klopfte der Beifahrer mit seiner linken Hand leise gegen die dünne, stählerne Trennwand zum hinteren Frachtraum und flüsterte: "Boß, wir sind da! Vom mysteriösen Schlüsselkind unseres geschätzten dritten Mannes wie zu erwarten keine Spur weit und breit!". Von hinten aber zischte es ebenso leise mit düsterer Stimme zurück: "Ok, dann startet hiermit offiziell unser Masterplan B! Und das bedeutet, daß wir hier einfach nur geduldig abwarten, während da drinnen die von uns geplanten Dinge ihren Lauf nehmen!". Der Mann auf dem Beifahrersitz schaute zum Fahrer herüber, worauf sich beide Männer sogleich zufrieden zunickten und ihre in Blaumänner gezwängten Körper fest in das Leder ihrer Sitze preßten und sich die Basecaps auf ihren Köpfen tief ins Gesicht zogen. Einen Moment lang war es ganz still im Innern des Transporters, dann wisperte der Blaumann auf der Fahrerseite: "Und Du bist Dir auch wirklich sicher, daß dieser senile Tattergreis Svensson die bewußte Marke hat?!". Der Beifahrer schaufte leicht genervt und erwiderte dann: "Menschenskinder! Wie oft denn noch?! Ja, ich bin mir absolut sicher! Schließlich hatte ich ja in der Vergangenheit ausreichend Gelegenheit, den alten Kauz aus nächster Nähe eingehend zu studieren. Und das nicht nur beim Yard, sondern vor allem auch während unserer gemeinsamen Zeit danach. Ich sag Dir, Svensson hat die Marke. Und wir holen sie uns! Und jetzt gib endlich mal Ruhe, Du Spiogenten-Auslaufmodell!". Sein Nebenmann kam jener - mit Nachdruck vorgetragenen - Aufforderung augenblicklich nach, und so herrschte nun wieder absolute Stille im Wageninnern.
Stille herrschte größtenteils auch auf den Fluren der sechs Etagen im nach außen hin gut verschlossenen Pflegeheim, wo die drei Nachtwachen unabhängig voneinander inzwischen ihre ersten Kontrollgänge durch die Bewohnerzimmer abgeschlossen hatten. Lediglich auf Fidelitas saß noch der recht eigensinnige Joe Gaubellt komplett angezogen auf der Bettkante in seinem von zwei gigantischen Flutlichtdeckenscheinwerfern hell ausgeleuchteten Zimmer und erzählte leise vor sich her, wobei während seines Brubbelns - immer wieder doch recht deutlich zu vernehmen - die Zeitangabe "Halb nach Elf" vorkam. Über den Korridor hinweg schlurfte gleichzeitig auch noch die alte Misses Shy in Filzlatschen und einem ihrer ausgeblichenen Nachtkleider, sich mit beiden Händen an den beiderseits beleuchteten Handläufen entlangtastend. Adam East, dem sie während seines kurzen Rundgangs gleich dreimal über den Weg gelaufen war, hatte sie jedes Mal nett und freundlich gegrüßt, ohne allerdings auch nur einmal eine Antwort zu erhalten. Stattdessen summte die alte Frau auf den Boden starrend unentwegt ganz leise jenes "Lied, das niemals aufhört" aus ihrer Lieblingskindersendung vor sich her. Nachtwächter Adam ließ sie gewähren, wußte er doch um das Problem ihrer nächtlichen Schlafstörung, die zweifellos auch in jener längstvergangenen und dennoch nie völlig verarbeiteten, schrecklichen Begegnung mit dem Exhibitionisten im Regenmantel begründet lag. Stattdessen widmete sich Pflegehelfer East im Dienstzimmer am Computer bei einer schönen großen, heißen Tasse Kaffee nun der bewohnerbezogenen Dokumentation seines gerade beendeten ersten Kontrollgangs. Ganz nebenbei überflogen seine Augen zeitgleich auch noch das auf dem Schreibtisch vor ihm liegende DIN-A4-Blatt mit der Dienstübergabe vom Spätdienst, auf dem hinter dem Namen "Lukas Svensson" folgender Eintrag zu lesen war: "Mister S. war heute den ganzen Tag über etwas unruhig. Sämtliche Versuche vonseiten des Personals, ihn wieder zu beruhigen, scheiterten. Auf die von mehreren Pflegekräften vorgetragene Äußerung, daß doch alles ruhig und wie immer sei, erwiderte er stets mit einem Ausdruck fester Überzeugung, das sei lediglich die Ruhe vor dem Sturm! Erst nach dem eindringlichen Hinweis der diensthabenden Schwester, daß sie ihm bei anhaltender Unruhe am Abend das hierfür verordnete Sedativum verabreichen müsse, versprach er, sich zu beruhigen und begab sich dann ohne weitere Schwierigkeiten an der Seite seiner Ehefrau auch recht zeitig zu Bett". Adam East schüttelte innerlich den Kopf. Was seinen spezieller Freund, den Ex-Inspektor, wohl nur wieder umtrieb?! Ob ihn vielleicht der mehrstündige Besuch beim neueingezogenen Mister Stern am Vortag so aufgeregt haben mochte?! Nun ja, wie dem auch sei, beim Rundgang hatten beide Svenssons jetzt jedenfalls ganz tief und fest geschlummert. Und um nicht in Gefahr zu geraten, es ihnen zu dieser nachtschlafenden Stunde am Ende noch unerlaubterweise gleichzutun, nahm Adam gleich noch einen großen Schluck des extrastarken koffeinhaltigen Heißgetränks aus seiner vor ihm stehenden Tasse und hakte dann weiter unermüdlich Bewohner für Bewohner in deren umfangreichen Pflegeplanungen seinen nächtlichen Kontrollgang im PC ab.
Auch im Erdgeschoß, auf dem Wohnbereich Adele, war Annie Walker gerade beim rechnergestützten Abtragen ihrer ersten Kontrollrunde, wobei ihr Blick nebenher immer wieder auf ein auffällig bedrucktes Kuvert im Postfach ihres Wohnbereichs landete. Der pechschwarze Umschlag, der dem ersten Eindruck nach wie eine Postwurfwerbesendung anmutete, trug in der linken oberen Ecke den unübersehbaren Aufdruck "24" in leuchtend goldgelben Digitalziffern. Darunter aber stand weiß auf schwarz zu lesen: "Exklusive und stark limitierte Fanedition! Der brandheiße Carlos Bernard und Kiefer Sutherland Bildschirmschoner von
www.V-I-R.us für Ihren PC - mit 24 ausgesuchten exklusiven Aktfotografien der beiden Serienstars! Sofort startbereit vorinstalliert auf einem dem beiliegenden USB-Stick! Kostenlose 24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Service-Hotline unter 555-TRO-JAN-ER inklusive!". Wieder und wieder versuchte Annie Walker ihren Blick von jenem verheißungsvollen Kuvert zu lösen - allein, es gelang ihr einfach nicht! Zu groß war die Versuchung, ihre beiden Hollywoodlieblinge endlich mal oben wie unten herum ganz ohne zu betrachten. Mit zitternden Händen riß sie schließlich den Umschlag an sich und öffnete ihn behutsam am Seitenfalz, worauf ihr aus dem Kuvertinnern sogleich der besagte USB-Stick entgegensprang. Sie nahm ihn und führte ihn zögernd - sämtliche dementsprechende Vorschriften und Verbote ihres Arbeitgebers mißachtend - in den entsprechenden Schlitz des Arbeitsplatzccomputers zu ihren Füßen ein und starrte erwartungsvoll auf den zugehörigen Bildschirm. Der wurde erst schwarz, dann dunkelblau und zeigte schließlich zu Annies Entsetzen statt aufregender nackter Tatsachen die - bei ihr kaum weniger Aufregung verursachende - Textmitteilung: "Die Anwendung
CARLOS-KIEFER-PIXXX@VIR.US verursachte innerhalb des Betriebssystems auf ihrem Computer einen unerwarteten Fehler! Um schwerwiegende Datenverluste zu vermeiden, kontaktieren Sie bitte umgehend die in den entsprechenden Programmunterlagen genannte Hotline! Da werden Sie sofort geholfen! VERON A. FELT-BUSH, Generaldirektor von
www.V-I-R.us". Nervös knabberte Annie Walker auf ihren dezent rotlackierten Fingernägeln herum und überlegte, was sie angesichts der sich vor ihren Augen abzeichnenden computertechnischen Katastrophe nur tun sollte. Der Monitor riet ihr dazu, eine ihr völlig unbekannte Service-Hotline anzuwählen, die innerbetrieblichen Vorschriften hingegen verlangten in diesem Fall eine unverzügliche telefonische Meldung an die Heimleiterin. Innerlich wägte die völlig verunsicherte Pflegehelferin nun beide Varianten gründlich auf deren Vor- und Nachteile ab und entschied sich am Ende doch, allein ihrer weiblichen Intuition zu folgen, die sie in ähnlichen Situationen eigentlich noch nie enttäuscht hatte. Und so wählten ihre zitternden Finger schließlich die entsprechende Tastenkombination auf dem Zahlenfeld ihres schnurgebundenen Dienstzimmertelefons. Aus dem Hörer aber ertönte erst ein Freizeichen, dann nach einigen Sekunden die leicht verschlafene und dennoch ziemlich schrille Stimme einer Frau: "Ja, bitte! Äh, Smith hier, Miss Sandra Smith! ... Moment, ich mach mir mal ein wenig Licht ... Oh shit, wissen Sie denn überhaupt, wie spät es schon ist?! Sie stören mich hier bei meinem Schönheitsschlaf! ... Ich hoffe mal für Sie, es ist was wirklich Wichtiges!". Diese recht barsche Ansage ihrer aufgeweckten Heimleiterin ließ Annie Walker nur noch nervöser werden, während sie nunmehr stotternd und sich ständig verhaspelnd recht umständlich den vorliegenden Sachverhalt vortrug. Am andern Ende blieb es die ganze Zeit über verdächtig stumm, dann aber keifte es plötzlich wie aus heiterem Himmel umso lauter: "Was? Das ist alles? Und darum rufen Sie mich mitten in der Nacht zuhause an? Mich? Ja, was kann ich denn da überhaupt tun? Kontaktieren Sie gefälligst die Hotline, von der sie eben gesprochen haben. Und lassen Sie mich mit solchen banalen Kinkerlitzchen in Ruhe! Ist ja ungeheuerlich, was Sie sich da erlauben! Also die Sache hat noch ein Nachspiel für Sie, darauf können Sie sich verlassen!". Sprachs und beendete recht ungestüm und abrupt das Gespräch. Annie aber kullerten dank des unnötig harschen Tones ihrer Vorgesetzten minutenlang die Tränchen in Strömen über die Wangen. Schließlich zogen ihre zierlichen Finger ein Papiertaschentuch aus der Seitentasche ihres Arbeitskittels hervor, welches sie recht unbeholfen entfaltete, um sogleich ihren ganzen Kummer mit voller Kraft lautstark hineinzuschnauben. Sie legte das vollgeschniefte Tuch sodann sorgfältig zusammen und tupfte mit einer sauberen Ecke ihre verweinten Augen sowie die geröteten Wangenknochen trocken. Dann warf sie das zusammengeknüllte Einwegtuch in den unterm Fenster bereitstehenden Abfallkorb und wählte nunmehr, wie ihr von oberster Stelle angewiesen, die Nummer der auf dem Briefkuvert angegebenen Hotline.
Vorm Haupteingang des Pflegeheims klingelte und vibrierte noch im selben Augenblick im Innern des geparkten schwarzen Transporters ein vorn auf der Konsole des Amaturenbretts abgelegtes Handy. Der Mann hinterm Lenkrad räusperte sich kurz, dann ergriff er das - vor seinen Augen vom Display her in flackerndem Feuerrot aufleuchtende und dabei immer wieder leicht auf und ab hüpfende - Mobiltelefon und reichte es an den Beifahrer weiter. Der übernahm das Handy mit edr Linken, führte es langsam ans Ohr, drückte nebenbei mit dem Zeigefinger noch rasch die Sprechtaste und verkündete: "Hier die V-I-R.us Service Hotline! Sie sprechen mit Buck Fix. Was bitte kann ich für Sie tun?". Während es aus dem Hörer heraus deutlich hörbar schluchzte und jammerte, nickte der Beifahrer immer wieder mit dem Kopf und blinzelte dabei hin und wieder verstohlen grinsend zum Fahrer herüber. Und als der ungebremste Redefluß am andern Ende dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich zum Erliegen kam, sprach die selbsternannte männliche Servicekraft mit der geschienten Rechten mit heuchlerisch gespieltem Einfühlungsvermögen: "Nur keine Panik, meine Liebe! Das Problem ist uns bereits hinlänglich bekannt. Ihnen kann geholfen werden! Ich schick gleich einen unserer Wagen los, der ist dann mit einem unserer Serviceteams in spätestens 30 Minuten bei Ihnen vor Ort! Wenn Sie unseren drei Männern dann nur noch die Tür öffnen würden?! Den Rest erledigen wir - schnell, diskret und ohne daß dabei irgendwelche Spuren zurückbleiben! Versprochen! Aufwiederhören!". Damit unterbrach sein Daumen durch einen kräftigen Druck auf die rote Hörertaste zielsicher die telefonische Verbindung und schnellte alsdann direkt vor den Augen des Fahrers - vom Rest der handyhaltenden linken Hand weit abgespreizt - in die Höhe. Der Mann am Steuer aber klopfte sogleich gegen die hinter ihm befindliche Trennwand zum Frachtraum und raunte: "Chef, die Kleine hat wie geplant angebissen! Nur noch ein knappes halbes Stündchen, dann bricht der Sturm los!". Draußen aber begann bereits in diesem Augenblick ein geradezu ohrenbetäubendes Donnerwetter, und grelle Blitze durchzuckten fortan in immer kürzeren Abständen die Dunkelheit ...
In der sechsten Etage des Pflegeheims registrierte ein wenig später der eben gerade mit seiner Pflegdokumentation am Computer fertiggewordene Nachtwächter Adam East derweil neben den vor seinem Dienstzimmerfenster aufzuckenden Blitzen und dem sich jeweils anschließenden Grollen des Donners aus Richtung des mit einem Male auch wieder hell erleuchteten Flurs noch ein weiteres erst leises, dann immer lauter werdendes Geräusch. Es handelte sich dabei um eine Art Surren, wie es beispielsweise das motorgetriebene Gebläse im Innern eines Staubsaugers zu verursachen pflegte. Neugierig begab sich der Pflegehelfer auf den Flur, wo geradezu am äußersten Flurende nur die alte Heimbewohnerin Misses Shy in einem der dort bereitstehenden Sessel in sich zusammengekauert zu schlafen schien. Adams Kopf beugte sich daraufhin aus der Dienstzimmertür heraus, und sein Blick wanderte dabei vorsichtig um die Ecke herum in Richtung der anderen Flurhälfte. Hier entdeckte er inmitten des Flures die bezaubernde Reinigungskraft Eva Douce - unter ihrem viel zu kurzen Arbeitskittel mit den umso längeren schlanken Beinen popowackelnd eine elektronische Kehrmaschine vor sich auf dem Linoleumfußboden hin und her schwenkend. Als sich ihr bislang gesenkter Blick dabei mit dem von Adam traf, stellte sie blitzschnell ihr lärmendes Arbeitsgerät ab und winkte dem ihr erst gestern noch auf so eigentümliche Art unterlegenen Pflegehelfer freudig erregt zu. Ihre abgeschaltete Kehrmaschine schob sie schließlich mit einem beherzten Tritt ihrer schwarzen Lederstiefel, die ganz sicher nicht zur üblichen Raumpflegergrundausstattung gehörten, kurzerhand in Richtung Flurwand und lief dann schnellen und dennoch grazilen Schrittes auf Adam East zu, wobei sie ihm schon von weitem zurief: "'Allo, 'allo! Adam, was für eine angenehme Uberraschung, Disch 'ier zu treffen!". Der so lauthals begrüßte Nachtwächter aber legte sich augenblicklich den rechten Zeigefinger auf die zusammengekniffenen Lippen und raunte: "Psst! Nicht so laut, Eva! Sie wecken mir ja sonst noch meine ganzen Bewohner auf!". Eva Douce war dabei inzwischen direkt vor ihm zu Stehen gekommen und drückte ihm dabei ohne Umschweife erst rechts dann links ihre rotgeschminkten Lippen auf seine leichtgeröteten Wangen. Und während der überrumpelte Adam samt immer noch steilaufgerichtetem Zeigefinger vor den schamhaft zusammengepreßten Lippen dabei am ganzen innerlich bebenden Körper äußerlich zur Salzsäule zu erstarren schien, hauchte ihm die schöne Französin leise ins Ohr: "Verzei'ung, mon ami! Daran 'abe isch nischt gedacht! Isch verspresche Dir 'och und 'eilisch, wir zwei Beide werden ab jetzt auch ganz leise sein! Ubrigens, wenn Du willst und wenn Du Zeit 'ast, dann können wir 'eute nacht unsere Verabredung mit dem Abendessen einlösen?!". Langsam löste sich unter dem warmen Hauch ihres Atems an seinem Ohrlappen jene spontane Versteifung an nahezu allen Stellen von Adams Körper wieder, und seine - sich vom eigenen Fingerzeig mühsam befreienden - Lippen stammelten aufgeregt: "Ja, ich ... ich will! Und wie ... wie ich ... ich will! ... Nur wie ... und wo ... und womit?! ... Ich hab ... hab nur meinen ... meinen Saft ... eigenhändig frisch gepreßt ... O-Saft, Du verstehst!". Eva nickte, wobei ihr langes Haar nach allen Richtungen ungestüm hin und her wedelte: "Oui, oui! Isch verstehe! Du 'ast das O und isch 'abe das A! A wie Apfel! Isch 'ätte da zwei schöne große Apfelchen für Disch! In der Besenkammer, wenn Du mal schauen möchtest! Deinen süßen Saft kannst Du gern mitbringen!". Wieder begann ihr kittelbedecktes Fahrgestell, vor seinen weitaufgerissenen Augen auf und ab zu wackeln. Und während sich ihre ledern umstiefelten Beine langsam in Richtung der besagten - ebenso engen wie auch fensterlosen - Besenkammer entfernten, warf sie ihm mittels eines leichten Kopfverdrehens nach hinten noch einmal einen Augenblick lang einen langen schmachtenden Blick ihrer leicht zwinkernden Augen zu. Er aber entriß seinem, im Dienstzimmer abgestellten Rucksack in aller Eile die Flasche mit dem Orangensaft. Dabei vergaß er dank der Schmetterlinge, die mit einem Male in seinem Bauch zu flattern begannen, alles um sich herum - sogar daß sein Universalschlüssel noch in der offenstehenden Dienstzimmertür steckte - und lief ihr nach, die Besenkammertür hinter ihr und sich wenige Sekunden später leise ins Schloß mit dem noch von außen steckenden Schlüssel Evas fallen lassend.
Draußen vorm Heim war unterdess geraume Zeit vergangen - Zeit, in der das Prasseln der unzähligen Regentropfen gegen die von außen einseitig abgedunkelte Frontscheibe des schwarzen Transporters stetig an Intensität zugenommen hatte. Der versteinert anmutende Blick, der sich gleichsam durch seine Sonnenbrille wie auch durch die von dem Meer von Himmelstränen immer undurchsichtiger werdende Glasfront hindurchzubohren schien, ließ den Fahrer inzwischen auf seltsame Art und Weise irgendwie völlig geistesabwesend wirken, so als sei er in seinen dunklen Gedanken weit vom Ort des eigentlichen Geschehens entfernt. Erst das mehrmalige recht unsanfte Anstoßen seiner Schulter durch die geballte linke Faust seines Nebenmanns ließ ihn schließlich mit einem Male jäh in die Realität zurückkehren, wobei er seinen Beifahrer leise murmeln hörte: "Sag mal, träumst Du schon wieder? Wo bist Du bloß andauernd mit Deinen Gedanken? Manchmal scheint es mir so, als wärst Du ein völlig Anderer, seit Du letzten Sonntag noch bis spät in die Nacht hinein mit IHM unterwegs warst!". Bei dem Wort "IHM" deutete der Beifahrer dabei mit dem Zeigefinger der linken Hand recht unverhohlen hinter sich in Richtung des hinter der stählernen Trennwand befindlichen Frachtraums des Kleintransporters. Der Fahrer schaute grimmig, wobei seine Finger im Takt des Regentropfenklopfens am Fensterglas vor ihm nervös auf dem Lenkrad herumzutrommeln begannen: "Das geht Dich einen feuchten Dreck an! Was bildest Du Dir eigentlich ein! Wir bilden hier allesamt nur eine kurzzeitige Interessengemeinschaft, und die macht Dich weder zu meinem besten Freund noch zu mein Seelenklempner oder Beichtpfaffen!". Vom Transporterfrachtraum her ertönte im selben Moment ein lautes Pochen gegen die Trennwand, worauf eine finstere Stimme leise zischend anmahnte: "Zum Teufel mit Euren ewigen Streitereien, Ihr Satansbraten! Nicht, daß mich das verbale Sich-an-die-Kehle-Gehen, das Sticheln und das Sich-gegenseitig-Zerfleischen großartig stören würden! Nein, im Normalfall würde ich derlei nur allzu menschliche Regungen sogar höllisch genießen. Aber im Moment gibt es halt Wichtigeres! Also los, die halbe Stunde ist jetzt um, unsere Zeit ist gekommen!". Eine Sekunde später wurde die Hecktür vom Frachtraum aus aufgestoßen, und ein dritter Blaumann mit einem Metallkoffer und einer Plasiktüte in Händen entsprang dem Innenraum des Transporters. Nahezu zeitgleich wurden auch die vorderen Türen rechts und links der Fahrerkabine aufgestoßen, durch welche auch Fahrer und Beifahrer in ihren blauen Overalls aus dem Fahrzeug kletterten und sich draufhin raschen Fußes nach hinten zu ihrem dritten Mann begaben. Der Blick des sonnenbebrillten Fahrers landete dabei sofort auf der Plastiktüte, die jener mysteriöse Dritte in seiner Linken hielt, und ganz aufgeregt begann er zu stammeln: "Mei ... Mei ... Meister! Ist da ... da ... da ... das Geschenk für ... für die ... die ... diesen Svensson drin?!". Die sonst so starren Gesichtszüge des Mannes mit der Tüte umspielte mit einem Male ein teuflisches Grinsen, wobei er erwiderte: "In der Tat, mein Bester! Und ich bin mir sicher, dieser Svensson wird - wenn er unser kleines, wahrlich so recht von Herzen kommendes Mitbringsel sieht - ganz außer sich sein! Ähnlich wie Du, als wir es ihm neulich nachts noch rasch gemeinsam besorgt haben!". Ein heftiges Nicken kam vonseiten des Brillenträgers, während der Blaumann mit dem geschienten rechten Arm leicht entrüstet einwarf: "Geschenk?! Was denn für ein Geschenk, in drei Teufels Namen? Das ist doch hier kein seniler Greisengeburtstag, zu dem wir gehen!". Seine beiden Mitstreiter aber grinsten nur und schwiegen. Dann schloß der Sonnenbrillenträger noch rasch die Tür zum Frachtraum, und die drei Männer setzten sich - angeführt vom rechtsseitig deutlich hinkenden Kofferträger mit der Plastiktüte - gemächlichen Schrittes auf leisen Sohlen seitlich um den recht ausgedehnten Komplex des Heimgebäudes herum in Marsch. Dank der oberflächlich ausgeprägten Imprägnierung ihrer blauen Arbeitskluft-Einteiler und der zugehörigen blauen Basecaps auf ihren Köpfen gelang es dem merkwürdigen Dreiergespann dabei, trotz des strömenden Regens relativ unbeschadet bis zum Haupteingang zu gelangen. Dort aber wurden sie bereits von der - ihnen von innen her aufgeregt zuwinkenden - Nachtwache Annie Walker sehnsüchtig erwartet. Der Sonnenbrillenträger und der Gipsarm drückten vor Annies erwartungsvollen Augen ihre Oberkörper gegen die Front der noch fest verschlossenen Panzerglasschiebetür, wobei die laminierten Pappkärtchen, welche in Brusthöhe der Arbeitsanzüge der Beiden angesteckt waren, sie in großen schwarzen Druckbuchstaben als Mike Rosoft und Mack Inntosh - jeweils mit dem darunter etwas kleiner aufgedruckten Zusatz "VIR.US Servicemitarbeiter" - auswiesen. Zufrieden nickend öffnete die rothaarige Nachtwächterin den drei Männern per Knopfdruck die Eingangstür und verriegelte sie hinter ihnen sogleich wieder elektronisch. Jeden der Drei hieß sie daraufhin mit einem kräftigen warmen Händedruck willkommen und brachte sie sodann schnurstracks über Foyer und Flur um die Ecke ins Dienstzimmer des Wohnbereichs Adele. Hier stellte sich Annie nun auch noch der Kofferträger unter dem etwas utopisch anmutenden Namen Dalek Cybermen vor, wozu er - mit seinen eisige Kälte ausstrahlenden Augen lüstern ihren Körper abtastend - ergänzte: "Aber Du kannst mich auch gern Lekki nennen, Kleines, so wie es alle meine Freunde und Freundinnen tun!". Annies unschuldiges Lächeln schwand bei diesem klar zweideutigen Angebot von einer Sekunde auf die andere - ebenso, wie ihr im nächsten Moment auch die Sinne schwanden, als ihr der Sonnenbrillenträger im Gefolge des vermeintlichen Mister Cybermen von hinten die Kanüle einer in seiner Brusttasche mitgeführten und mit einem Betäubungsmittel randvoll gefüllten Plastikspritze mit voller Wucht durch den Kittel hindurch in die rechte Brust stieß. Die Augen verdrehend, sackte die anmutige Nachtwache wie in Zeitlupe in sich zusammen - im letzten Moment aufgefangen vom linken Arm jenes Gipsträgers, auf dessen geschienter Rechten ihr süßer Hinterkopf mit dem vollen roten Haar noch kurzzeitig zu erliegen kam, bevor er auf dem kalten Linoleum des Dienstzimmerbodens vorerst zur unsanften Ruhe gebettet wurde. Derjenige aber, welcher sich Cybermen nannte, ging neben ihr in die Knie und senkte ihr dabei sein Haupt entgegen, seine Nase für einige Sekunden inmitten ihrer kittelbedecktes Brüste versenkend. Geräuschvoll atmete er dabei mehrmals tief ein und aus, dann erhob er erst seinen Kopf und dann auch den Rest seines Körpers wieder und stöhnte leise: "Wie bittersüß! Ihren jungen Körper bedeckt ein zarter Hauch von Hugo Kleins neuster Parfümkreation - mein absoluter Favorit: Versuchung. Teufel noch, mein schönes Kind! Ich wünschte, Du wärst mein, und ich hätte etwas mehr Zeit, um in Dein Innerstes vorzudringen und mich am Zucken Deines jungen Fleisches und am berauschenden Geschmack all Deiner körpereigenen Säfte zu ergötzen - so wie einst bei Deiner dunkelhaarigen Namensvetterin, jener erst durch mein Zutun zu weltweit unrühmlicher Bekanntheit gelangten Dirne aus dem East End. Doch für den Moment ist mir das leider nicht vergönnt! Vielleicht komm ich ja später noch einmal, nun ja, auf Dich zurück!". Seufzend ließ er von ihr ab und widmete seine ungeteilte Aufmerksamkeit stattdessen nun seinem Mitstreiter mit dem Gipsarm, der inzwischen am Dienstzimmerschreibtisch vorm Computer platzgenommen hatte und dort ununterbrochen eifrig in die Tasten hämmerte. Es dauerte ein paar Minuten, dann drehte sich der Schreibtischtäter zu seinen beiden Hintermännern um und verkündete freudestrahlend: "Na bitte, ich hab's! Unser kleines elektronisches Holzpferdchen hat bei seinem heimlichen Eindringen in die ausgeklügelte Heim-Computer-Pflege-Software ganze Arbeit geleistet! Et voila, hier die von uns gesuchten Bewohnerdaten: Ehepaar Lukas und Yelena Svensson - Sechster Stock, Wohnbereich Fidelitas, Zimmer Nummer 624!". Mit diesen Worten sprang er auf, lief an seinen Mitstreitern und der am Boden liegenden Annie vorbei auf den Flur und drückte nacheinander die Schaltknöpfe rechts neben den beiden Fahrstühlen, worauf sich binnen weniger Sekunde vor ihm beide Fahrstuhltüren nahezu synchron auftaten und deren sanfte Computerfrauenstimmen in feinstem, minimal zeitversetztem Stereoton verkündeten: "Erdgeschoß. Wohnbereich Adele". Die beiden anderen Blaumänner hatten derweil die betäubte Nachtwache Annie Walker an Armen und Beinen ergriffen und aus dem Dienstzimmer heraus über den Teppichboden des Flurs hinweg zum rechten Aufzug geschleift, in dessen Innerem sie ihren schlaffen Körper nun rasch ablegten, um dann selbst wieder aus dem Fahrstuhlkabine herauszutreten. Der Lift mit der am Boden liegend Zurückgelassenen schloß sich daraufhin binnen weniger Sekunden unter dem zufriedenen Nicken der vor ihm versammelten Mannschaft, die sogleich zu dritt den anderen Fahrstuhl bestieg und sich samt Koffer und Plastiktragetasche per Knopfdruck unverzüglich ins oberste Stockwerk verfrachten ließ.
In der sechsten Etage angekommen, öffneten sich nacheinander beide Lifttüren zum Klang der entsprechenden Computeransagen wieder. Und während Annie Walker im rechten Aufzug aufgrund ihres unveränderten Zustands so gar keine Anstalten machte, den Lift zu verlassen, betraten nebenan die drei Männer den hellerleuchteten Flur des Wohnbereichs. Der Kofferträger stellte dabei seinen Koffer ganz vorsichtig in aufrechter Position direkt zwischen die eingebaute Lichtschranke der Fahrstuhltür. Dann hielt er kurz inne und lauschte, wobei er ein leises Kichern und Tuscheln sowie ein etwas deutlicheres Schnarchen aus dem um die Ecke gelegenen Flurabschnitt vernahm. Mittels weniger Handzeichen gab er seinen Mitstreitern zu verstehen, daß sie die Lage auf den beiden - vom schräg vor ihnen befindlichen Dienstzimmer aus rechtwinklig abgehenden - Flurenhälften sondieren sollten, wobei der Gipsarmige den Flurabschnitt mit den Geräuschen und der Sonnenbebrillte die geräuschlose Flurhälfte zugewiesen bekam. Der Koffermann selbst stellte nun auch die mitgeführte Plastiktüte langsam vor sich ab und entriegelte dann kurzerhand die beiden Metallschlösser des aufgestellten Koffers, der daraufhin aufsprang und den Blick auf sein Inneres preisgab, welches aus einer Handgranate sowie einer Unmenge verschiedenartigster Handfeuerwaffen und der zugehörigen Munition bestand. Der Mann mit dem Hinkefuß entnahm dem Koffer drei Pistolen, die er in aller Ruhe mit der entsprechenden Munition bestückte und dann in den seitlichen Hosentaschen sowie in der Brusttasche seines blauen Overalls verstaute. Anschließend verschloß er den Koffer wieder und stellte ihn erneut inmitten der Lifttürlichtschranke auf, um so den Fahrstuhl zu blockieren. Im Anschluß begab er sich zum anderen Aufzug, den er nun per Knopfdruck ebenfalls herbeirief. Dessen Tür tat sich vor seinen kalten Augen schon nach wenigen Momenten auf, um im Fahrstuhlinnenraum den Blick auf die noch unverändert niedergestreckt daliegende Annie freizugeben. Ihren schlaffen Oberkörper zog der angebliche Cybermen sogleich an den roten Haaren hoch und plazierte ihn dann direkt vor dem Sender der eingebauten Lichtschranke inmitten der damit nun ebenfalls blockierten Lifttür. Der Gipsarm hatte inzwischen in seinem, ihm zugeteilten Flurabschnitt sowohl die alte Frau im Sessel schon aus der Ferne als Urheberin des Schnarchens ausgemacht als auch die Besenkammer als Quelle des ominösen Kicherns und Tuschelns gefunden. Er lauschte nun noch kurz an der Besenkammertür, dann drehte er ganz sachte den, von außen steckengelassenen Schlüssel im Türschloß herum und schlich letztlich wieder um die Flurecke herum zum Fahrstuhl zurück, wo er seinem hinkenden Boß flüsternd vermeldete: "In meinem Abschnitt alles ruhig! Schnarchende alte Frau am Flurende im Sessel stellt nach meiner Einschätzung keine Gefahr dar. Nachtwache und weitere Person wurden in einer Besenkammer eingesperrt und damit fürs Erste ebenfalls unschädlich gemacht!". Auch der Sonnenbebrillte kehrte in dieser Sekunde von seinem Erkundungsgang zurück und machte dem nunmehr schwer bewaffneten Anführer strammstehend Meldung: "Meister, in meinem Abschnitt alles still! Zimmer Nummer 624 wurde ebenfalls ausgemacht!". Der Empfänger der beiden Meldungen nickte zufrieden, übergab seinen Berichterstattern dann je eine der Pistolen, die er nun wieder aus seinen Blaumannseitentaschen hervorholte, nahm seine abgestellte Plastiktüte wieder an sich und zischte: "Na, dann kann's ja losgehen! Ihr Zwei entnehmt jetzt noch die mitgeführten Strickenden aus den Brusttaschen Eurer Overalls und verschnürt in beiden Flurabschnitten die Türklinken der Treppenhauszugangstüren mit den Querstreben des jeweils nächstgelegenen Handlaufs - und zwar so fest, daß kein Eindringen von außen mehr möglich ist. Und dann statten wir dem trauten Heim der Svenssons ganz ungestört einen kleinen nächtlichen Besuch ab! Schließlich haben wir Drei ja, mal ganz abgesehen von der uns vereinenden Suche nach einer kostbaren Briefmarke, alle zusammen und auch jeder für sich noch die eine oder andere Rechnung mit ihnen offen!". Dabei berührten seine knochigen Finger eine kleine Narbe, die unterhalb seines Haaransatzes an seiner Stirn zurückgeblieben war und die ihn dabei schmerzlich an sein letztes, recht unsanftes nächtliches Zusammentreffen mit dem Ex-Inspektor Lukas Svensson erinnerte.
Nur wenige Minuten später standen die drei blauen Jungs direkt vor der Zimmertür Lukas Svenssons, bereit ihm das Wertvollste zu nehmen, was er momentan in ihren Augen besaß. Und während der Sonnenbebrillte wie auch sein Anführer mit der Plastiktüte in der Hand dort bereits aus den Overalls schlüpften, sicherte der Gipsarm mit der Pistole im Anschlag den Flur gegen - möglicherweise doch noch aus den unzähligen Bewohnerzimmern auftauchende - ungebetene Gäste. Der Mann mit der Sonnenbrille, der zum Abstreifen seiner blauen Ummantelung kurzzeitig in die Hocke gegangen war, tauchte von dort nun wieder im bereits bekannten braunen Sportoutfit mit den gelbroten Streifen auf. Er öffnete dabei sogleich unter sachtem Druck auf die Klinke die Tür zum Zimmer 624 einen Spalt weit, wodurch ein schmaler Lichtstreifen des grellen Flurlichts nun auch ins Zimmer fiel und sich auf dem, an einer der Wände stehenden Doppelbett die Konturen des unter der Bettdecke eng aneinander gekuschelten, seelenruhig schlummernden Svenssonehepaars abzeichneten. Auf leisen Sohlen betrat der Brillenträger im Trainingsdress das Zimmer, gefolgt vom einseitig leicht hinkenden Mann mit der Plastiktragetasche, der hier nun statt in dem schnödem Blau einer Servicekraft in einem edlen Maßanzug aus feinstem bordeauxroten Samt erschien. Vorsichtig öffnete der Hinkefuß mit seinen recht knochigen Fingern dabei die mitgeführte Tüte und übergaben seinem sportlichen Mitläufer nacheinander zwei - jeweils randvoll mit einer eigenartig trüben, gelbgrau verfärbten Brühe angefüllte - gläserne Behälter. Jene, auf den ersten Blick wie simple Einmachgläser anmutenden Gefäße wurden auf ein paar kurze Fingerzeige des Anzugträgers hin von seinem braunen Sportsfreund auf den beiden Nachttischen an den Kopfenden des Svenssonehebetts platziert - eines auf der Nachttischplatte von Yelena, das andere auf der von Lukas. Bei letzterer mußte der Sonnenbrillenträger dazu zunächst einmal vorsichtig einen Topf mit einer lächelnden Sonnenblume samt Untertopf sowie einen äußerst wertvoll anmutenden - selbst bei den spärlichen Lichtverhältnissen noch auffällig glitzernden - silbernen Armreif beiseite schieben. Er tat dies mit ausgesprochener Sorgfalt und der fast geräuschlosen Fingerfertigkeit eines Meisterdiebs, während sein Geschäftspartner im dunkelroten Edelzwirn ihm den Rücken zukehrte und sich auf leisen Sohlen zum Lichtschalter neben der Zimmertür begab. Dort angekommen, wartete er noch, bis sein finster dreinblickender Kumpan mit der Mission zum Gläseraufstellen wieder ein paar Schritte vom Nachttisch Lukas Svenssons zurückgetreten war, dann legte er mit einer Hand den Schalter um und schlug mit der anderen gleichzeitig die Zimmertür zu. Der dadurch verursachte Krach weckte sowohl Lukas als auch Yelena, die sich erst einen Moment lang blinzelnd ihre geblendeten Augenpaare rieben, um dann im Angesicht ihres unerwarteten nächtlichen Besuchs quasi in selber Sekunde mit ihren spärlich bedeckten Oberkörpern von ihrer gemeinschaftlichen Lagerstatt hochzuschnellen. Lukas Svensson rief dabei empört: "Was fällt Ihnen denn ein? Wer sind Sie überhaupt, und was wollen Sie von uns?". Und seine Ehegattin zu seiner Rechten - die inzwischen mittels der rasch hochgerissenen Bettdecke krampfhaft versuchte, den tiefen Ausschnitt ihres dünnen Seidennachthemdchens notdürftig zu bedecken - ergänzte kaum weniger entrüstet: "Sie auf Stelle verlassen Zimmer von uns, sonst ich mit Notklingel werden rufen die Pfleger von Nachtschicht!". Der Anzugträger an der Zimmertür aber grinste nur, dann richtete er seine - blitzschnell aus der Hosentasche hervorgezogene und bereits entsicherte - Waffe auf Yelenas Kopf hin aus und zischte: "Aber, aber, meine Lieben! Wer wird denn solch ein höllisches Spektakel machen zu so nachtschlafender Stunde?! Der Pfleger ist ja eh grad anderswärtig verhindert. Geschlossene Gesellschaft, Sie verstehen?! Sie wecken mir hier am Ende also nur noch unnötigerweise all Ihre armen, unschuldigen Mitbewohner auf! Und das wollen Sie doch nicht, oder?! Außerdem wär es ja auch zu schade, wenn ich Ihnen - nur um Sie Beide dadurch ein wenig zu beruhigen - zwei häßliche kliene Löcher in die Stirn verpassen müßte, oder?!". Mit diesen Worten trat er zugleich aus dem etwas schattigen Halbdunkel der Türnähe heraus, mitten hinein in den Lichtkegel der Deckenlampe über dem Fußende des Bettes. In diesem Moment erkannte der kurzzeitig verstummte Lukas jenen uneingeladenen, bedrohlichen Besucher und schrie: "Cypher! Ich wußte doch gleich, daß mir die Stimme irgendwoher bekannt vorkam! Sie sind Lou Cypher, der Mistkerl, den ich vor geraumer Zeit mit dem Wurf eines Handys zur Strecke brachte, nachdem er versucht hatte, mit Hilfe eines grausam mißhandelten Obdachlosen mittels eines nuklearen Infernos die ganze Menschheit auszurotten!". Der Mann im Anzug nickte: "Ganz recht, und genau das hab ich immer noch vor! Aber zuvor einmal geht es um etwas anderes! Zuerst einmal übergeben Sie mir jetzt nämlich jene königliche Kostbarkeit, in deren Besitz Sie eh nur rein versehentlich gelangt sind!". Lukas Svensson zuckte nur müde mit seinen Schultern: "Königliche Kostbarkeit?! Tut mir leid, aber ich hab keinen Schimmer, wovon Sie da reden!". Cyphers Gesichtsausdruck verfinsterte sich schlagartig: "Wovon ich rede?! Von der blauen Mauritius, die dieser Sebastian Fritz als Diener der Queen in unserem Auftrag aus ihrem Besitz entwenden sollte. Im Grunde genommen war die ganze Sache ein Kinderspiel, denn dank seiner exzessiven Spielsucht stand Fritz - der als langjähriger, vertrauenswürdiger Angestellter im Buckingham Palace jederzeit uneingeschränkten Zugang zum Aufbewahrungsort der Briefmarke hatte - bei mir in meinem Londoner Casino '6-6-6' schon monatelang mit über sechstausend Pfund in der Kreide. Ich setzte also während einer kleinen intimen Unterhaltung mit ihm die Dauemschrauben ordentlich fest an, drohte ihm mit der Polizei und einem Skandal in der Öffentlichkeit und brachte ihn so ziemlich ins Schwitzen. Tja, was soll ich sagen: Der Mistkerl stahl die Marke zwar wie verabredet, aber noch in derselben Nacht erleichterte er bei einem Pfaffen im Beichtstuhl sein Gewissen und tauchte dann irgendwo unter. Es kostete mich einige Zeit, bis ich ihm in der Nähe der deutschen Hauptstadt endlich wieder auf die Spur kam. Dort setzte ich einen meiner fähigsten Leute auf ihn an, und der fand recht schnell eine Verbindung zu einem gewissen Fritz Salomon, Ihrem Onkel. Offensichtlich waren Sebastians Vater und Ihr Onkel in Ostpreußen einmal Hofnachbarn gewesen, bevor die Fritzens damals kurz vor Hitlers Machtergreifung nach England auswanderten. Was lag da wohl näher, als daß er dem alten Bekannten seines Vaters, Ihrem Onkel, auch jene wertvolle Marke anvertraute, Und der ließ sie dann per Brief wiederum Ihnen zukommen". Wieder zog Lukas Svensson seine Schultern nach oben: "Nette Geschichte, Cypher! Aber mein Onkel ist leider tot, und ich hab auch nie einen Brief mit einer blauen Marke von ihm erhalten!".
Unter leisem Knarren öffnete sich in diesem Moment noch einmal kurz die Zimmertür, und der dritte Mann trat hinzu. Im Halbdunkel konnten Lukas und Yelena Svensson zunächst nur einen schwarzen Mann in einem ebenso schwarzen, langen Ledermantel erkennen, der noch im selben Augenblick mit verächtlichem Lachen verkündete: "Das glaubt Ihnen doch kein Mensch, Sie alter Narr! Ich kenne Sie schließlich gut genug, um zu wissen, daß Sie uns hier nur etwas vorzuspielen versuchen. Und auch Ihren Onkel hatte ich seinerzeit in der Badewanne, mit dem Rasierer in der Hand, im Angesicht des nahenden Todes schon fast soweit, mir zu verraten, wo und wie er die von seinem Freund Basti erhaltene Wertmarke versteckt hielt. Nur zu blöd, daß der alte Sack mir den Rasierer vorschnell aus der Hand zu reißen versuchte, wobei das Ding ihm beim Eintauchen ins Badewasser mit einem heftigen Stromschlag ein wenig vorschnell das Lebenslicht ausblies". Nun trat auch der Schwarzmantel zu seinen beiden Kumpanen ins helle Licht der Deckenlampe und riß sich dabei mit einem Ruck seinen, eh nur angeklebten Vollbart aus dem mehrfach vernarbten Gesicht, worauf ihm Yelenas weitaufgerissene Augen entsetzt entgegenzustarren begannen. Ihr Ehemann aber ballte vor den Augen des nunmehr Bartlosen beide Fäuste und brüllte: "Crawler, Sie verfluchter Hundesohn! Ich habs doch gewußt, daß Sie noch leben! Und dafür, daß Sie meinen armen, alten Onkel auf dem Gewissen haben, werden Sie noch büßen, das schwöre ich Ihnen!". In diesem Moment trat Lou Cypher asu dem Hintergrund einen Schritt auf das Fußende des Betts zu und fuchtelte dabei recht ungehalten mit seiner Waffe vor den Augen des Svenssonpaares herum: "Schluß jetzt! Genug geschwätzt! Und Sie, Svensson, rücken augenblicklich die Briefmarke raus! Oder aber es rächt sich hier und jetzt am noch recht tadellos erhaltenen Leib Ihrer süßen Frau Gemahlin, daß Sie mich seinerzeit auf so schändliche Art zur Strecke gebracht haben! Dank unseres gemeinsamen Freundes Henry Fist wissen Sie ja sicher noch, wozu ich diesbezüglich so alles in der Lage bin!". Rasch zog der Ex-Inspektor seine vorgehaltenen Fäuste zurück. Er wurde mit einem Male ganz blaß im Gesicht und schüttelte dabei erschrocken seinen spärlich behaarten Kopf: "Nein, um Himmels willen! Das dürfen Sie nicht! Ich geb Ihnen ja schon, was Sie verlangen!". Damit griffen seine nunmehr zitternden Hände unverzüglich zur Schublade seines Nachttischs, die er hastig aufzog, um daraus alsdann sogleich den bewußten Brief seines Onkels mitsamt der blauen Markierung im rechten oberen Eck ans Licht zu befördern und ihn Cypher ruckartig entgegenzustecken. Der aber gab mit seiner freien Hand dem sportlich gekleideten Spießgesellen zu seiner Rechten einen kurzen Wink, woraufhin dieser sich die Sonnenbrille auf die Stirn hochschob und den Umschlag aus Svenssons ausgestreckten Händen kurzerhand an sich zu bringen versuchte. Der Ex-Inspektor aber hielt das Kuvert fest umklammert und raunte: "Warum sollte ich gerade Ihnen so eine kostbare Ware übergeben?! Ich kenn Sie ja noch nicht mal! Wer sind Sie denn eigentlich?". Der braune Sportsmann starrte Svensson mit seinen zwei unterschiedlich gefärbten und keineswegs blinden Augen grimmig an und knurrte: "Ich kenne Sä dafür umso besser! Sä ahnen ja gar nich, wie nah ich Ihnen schon einmal war! So nah, daß ich Ihnen ohne Probleme schon damals mit einer einzigen Bewegung meines Zeigefingers das Lebenslicht ein für alle Mal ausknipsen hätte können, nich wa?! Aber mein Auftrag, der galt damals leider einer anderen Person, so wie ich auch heute wieder ganz jemand anders im Auge hab als Sä, mein Gutster!". Im selben Moment tippte Yelena ihrem Mann auf die Schulter und flüsterte: "Du lieber ihm schnell übergeben das Brief! Ich dieses Kerl kennen aus mein früheres Leben bei KGB an Seite von mein Exmann Iwan Kowarno. Er heißen Paul Vorberg, und er gewesen Offizier bei Stasi, großes ostdeutsches Geheimdienst in Zeit von noch zweigeteilte Deutschländer. Er haben kein Skrupel, zu töten Dich oder mich ohne zu zucken mit Wimper!". Teuflisch grinsend entriß der - nun von Yelena nunmehr endgültig enttarnte - Exagent das Kuvert dem Zugriff von Lukas' sich langsam öffnenden Händen, worauf sein prüfender Kunstkennerblick die aufgeklebte Briefmarke im Schein der Deckenleuchte sogleich eingehend betrachtete. Mit einem vielsagenden Funkeln in beiden, unterschiedlich gefärbten Augen und einem breiten Grinsen auf seinen schmalen Lippen trat er daraufhin ganz nah an Lou Cypher heran und verstaute den Brief mit der wertgeschätzten Marke sorgsam in dessen - auf Brusthöhe befindlicher - linker Anzugjackeninnentasche. Cypher aber konstatierte kühl: "Na bitte! Letztendlich geht es ja doch auch mal ganz ohne Gewalt, nicht wahr?! Obwohl ...". Er zögerte nur einen kurzen Moment, dann fuhr er fort: "Tja, obwohl mir das so eigentlich gar keinen rechten Spaß macht! Vor allem, wenn ich da so ein knuspriges Täubchen wie die gute alte Misses Svensson vor Augen hab, in ihrem spärlichen Federkleidchen, bereits zum Gerupftwerden und zu noch ganz anderen unaussprechlichen Dingen ...". Mit seiner gespaltenen Zunge leckte sich Cypher über die Lippen, wobei die beiden Zungenspitzen sich genüßlich in das fleischreiche, leicht hervorstehende Doppelkinn zu bohren schienen. Lukas Svensson aber bäumte sich wutentbrannt in seinem Bett auf und brüllte Cypher entgegen: "Sie mieser Dreckskerl! Was soll denn das? Lassen Sie uns doch endlich in Ruhe und verschwinden, wie Sie es vesprochen haben! Sie haben doch bekommen, was Sie wollten!". Cypher hingegen verdrehte nur die Augen: "Ach, Svensson, Sie armer einfältiger Schafskopf! Was wissen Sie denn schon von dem, was ich will?! Wissen Sie was? Ich werde Sie hautnah miterleben lassen, was ich wirklich will. Ja, ich gebe Ihnen jetzt und hier noch eine kleine geschmackvolle Kostprobe meines wahren Ichs. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben?!". Erwartungsvoll schaute er zu Lukas Svensson herüber, während er sich gleichzeitig, ums Bett herumschleichend, zu der am ganzen Leibe zitternden Yelena begab und ihr den kalten Lauf seiner Pistole an die linke Schläfe preßte, den Druck seines Zeigefingers auf den Abzugshahn noch einmal sichtlich verstärkend. Dem auf diese Weise eingeschüchterten Ex-Inspektor aber blieb angesichts jener übermächtigen Bedrohung, die von dem bewaffneten und zweifelsohne zu allem bereiten Mördertrio ausging, nichts weiter übrig als - hilflos in sich zusammensinkend - sein greises Haupt ohnmächtig hin und her zu schütteln. Mit einem allein hätte er es ja vielleicht noch aufnehmen können, aber gegen alle Drei zusammen sah er in dieser Situation einfach nicht die geringste Chance. Durch die unverhofft rasche Einsicht Svenssons sichtlich zufriedengestellt, wand sich der wieder ein paar Schritte vom Bett zurücktretende Cypher nun direkt an seinen Helfershelfer Vorberg: "Also gut, wie es der Herr wünscht! Verweilen wir hier also noch ein kleinwenig länger als urspünglich geplant. Bei der Gelegenheit könnten wir doch alle gemeinsam ein kleines lauschiges Mitternachtspicknick abhalten, bei dem wir dann in trauter Runde auch gleich noch den ach so ahnungslosen Kameraden Crawler in das Geheimnis unserer nächtlichen Vergnügungsfahrt vom vorigen Sonntag einweihen, nicht wahr?!". Sichtlich in Verzückung geratend, nickte Vorberg seinem Wortführer Cypher recht unterwürfig zu. Und während Derrik Crawler noch unverständig zu ihm hinüberschaute, stampfte Cypher voller Vorfreude mit seinem Hinkebein auf den Linoleumboden und krächzte: "Sehr schön! Dann holen Sie, Vorberg, doch schon mal mein spezielles Besteckköfferchen aus unserem Kleinlaster! Und Sie, Crawler, laden uns noch ein paar Gäste ein! Zum einen die kleine Rothaarige vom ersten Stock und dann vielleicht noch das andere Täubchen, das da bislang von uns noch völlig unbehelligt auf den Wohnebenen 3 und 4 seinen Nachtdienst versieht. Die legen Sie bei der Gelegenheit zubvor am besten genauso schön schlafen wie ihre niedliche Kollegin vom Erdgeschoß. Ach, und keine Sorge, meine Herren! Ich komm während Ihrer Abwesenheit dank meiner sechsschüssigen Bleispritze mit den gepaarten Svenssons auch ganz gut allein zurecht!". Schulterzuckend und gleichzeitig nickend machten sich Crawler und Vorberg durch die zügig geöffnete und ebenso zügig wieder geschlossene Zimmertür über den menschenseelenverlassenen, hell erleuchtenen Flur auf den Weg zu den Fahrstühlen. Gemeinsam schleiften die beiden Männer die betäubte Annie Walker ins Innere des von ihrem Körper aufgehaltenen Lifts zurück, mit dessen Hilfe sie sich sogleich in die dritte Etage befördern ließen. Dort angekommen, postierten sie erneut Annies schlaffen Oberkörper zwischen der Lichtschranke der Lifttür, bevor sich ihre Wege fürs Erste planmäßig trennten. Denn während sich Paul Vorberg über eines der Treppenhäuser auf den Weg zum - am Hintereingang abgestellten - Kleintransporter machte, um aus dessen Frachtraum den besagten Besteckkoffer zu holen, machte sich Derrik Crawler auf den Weiten des Wohnbereichsflures auf die Suche nach der dort diensthabenden Nachtschwester. Dabei blieb er vor jeder einzelnen Zimmertür und auch vor jedem der Nebenräume stehen und lauschte gespannt. Nirgends jedoch vernahm er auch nur das geringste Geräusch, das auf die dortige Anwesenheit der gesuchten Pflegekraft hindeutete. So begab er sich letztlich wieder zum Fahrstuhl zurück, mit dem er sich samt der bewußtlosen Annie nun in die vierte Etage aufmachte. In der Ferne aber war von Big Ben im selben Augenblick ein einsam verhallender Glockenschlag zu vernehmen.
Draußen auf dem Flur des Wohnbereichs Fidelitas hörte man diesen Glockenschlag sogar noch etwas deutlicher, wobei sich im - dem Svenssonzimmer entgegengesetzt liegenden - Abschnitt zeitgleich ganz vorsichtig eine Bewohnerzimmertür öffnete und gleich wieder schloß. Auf leisen Sohlen schlich Sekunden später Joe Gaubellt - noch mehr gebückt als üblich und dabei immer ganz dicht an die Flurwand gepreßt - über den Flur bis zum Fahrstuhl, dessen Tür zu seiner Überraschung durch einen aufrecht stehenden Koffer permanent aufgehalten wurde. Hocherfreut über diesen glücklichen Umstand kickte Gaubellt mit seinem leicht angehobenen rechten Fuß den Metallkoffer rasch ins Fahrstuhlinnere und huschte dann auch selbst hinein. Nur eine Sekunde später schloß sich hinter ihm die Lifttür und brachte ihn, ganz seinem Knopfdruck am inneren Schaltbrett folgend, ins Erdgeschoß, wo er nach dem automatischen Sich-wieder-Öffnen der Tür eilig durch das Foyer in Richtung Hintertür humpelte. Auch hier war er wieder sichtlich überrascht, denn die sonst nachts stets geschlossene Glastür stand sperrangelweit offen - am automatischen Zufallen mittels des dazwischengeklemmten Bügels einer schwarzen Sonnenbrille gehindert. Welch ein Leichtsinn! So konnte schließlich jeder assoziale Penner und auch jedes kriminelle Subjekt unbemerkt ins Innere des Heims eindringen. Und das konnte Joe Gaubellt - der an sich nur hergekommen war, um den Anhängern seines verehrten deutschstämmigen Leiters Mister Svensson Einlaß zu gewähren - keinesfalls zulassen. Er war gerade dabei, die eingeklemmte Sonnenbrille unter der Tür hervorzuziehen, als er draußen in der Finsternis mit raschen Schritten den Umriß eines Menschen auf sich zulaufen sah. Ob das wohl jener Mister Blindman mit dem ostdeutschen Akzent war, der ihm den Auftrag gegeben hatte, ihn hier zu empfangen und zu Svensson zu führen? Gespannt schaute Gaubellt dem Ankömmling entgegen. Bei dem, was da auf ihn zukam, handelte es allerdings keineswegs um den erwarteten Sonnenbrillenträger in seinem braunen Trainingsanzug. Denn der wühlte sich zur selben Zeit maulwurfsgleich mit beiden Händen auf der Suche nach Cyphers mysteriösem Besteckkoffer durch den dunklen und zugleich recht zugemölten Frachtraum des von ihm abgestellten Kleintransporters. Was da hingegen mit klitschnassem Haar und einem, vor Feuchtigkeit triefenden, beigen Trenchcoat zielsicher aufs heimische Hintertürchen zusteuerte, war vielmehr Charles Wannabe, welcher - nachdem ihm auf sein mehrfaches Läuten am Haupteingang nicht geöffnet worden war - einmal ums ganze Haus herum gerannt war und sich nun ziemlich außer Puste vor Gaubellt aufbaute. Und während Charles noch nach Luft schnappte, fragte Gaubellt unsicher: "Entschuldigen Sie! Schickt Sie vielleicht der Herr, der von mir zu Mister Svensson geführt werden wollte?". Wannabe schaute den komischen Kauz - der da mit seinem Buckel schulterzuckend vor ihm stand - ein wenig entgeistert an, dann erwiderte er: "Ja ... Ja, genau! ... Sie erinnern ... sich vielleicht ... doch noch an mich?! ... Ich war ... war neulich ... bei Frau Svensson ... zu Gast!". Joes hohle Hand klatschte mit der Innenfläche gegen seine ebenso hohl klingende Stirn: "Aber ja! Wie konnte ich das nur vergessen! Kommen Sie nur rasch! Unsere Zeit ist gekommen! Ich geleite Sie auf schnellstem Wege zu unserem Leiter!". Damit ging er vor Wannabe in die Hocke und riß noch rasch die Sonnenbrille unter der verklemmten Hintertür hervor. Und während selbige nun automatisch wieder ins sofort einschnappende Schloß fiel, schlurfte Joe Gaubellt mit Charles Wannabe bereits seit an seit quer durchs Foyer und den angrenzenden Flur in Richtung Fahrstuhl.
Derrik Crawler war inzwischen, längst auf der Wohnetage Destiny angelangt, Zentimeter um Zentimeter an das spärlich beleuchtete Dienstzimmer herangepirscht, wo Sandy Bulldog bei seinem dortigen Eintreffen an ihrem Computermonitor gerade so sehr ins Überarbeiten einer Pflegeplanung vertieft war, daß sie den nahezu geräuschlosen Angreifer gar nicht bemerkt hatte - erst als es schon zu spät gewesen war und sein Gipsarm um ihre Kehle gelegt hatte, während seine freibewegliche Hand ihr nun die mitgeführte Betäubungsspritze ohne Umschweife mit voller Wucht in den Hals stieß. Mit sanftem Druck entlud Crawler den flüssigen Spritzeninhalt im dortigen Muskelgewebe seines Opfers, worauf Sandy mit einem kurzen Verdrehen ihrer haselnußbraunen Augen augenblicklich in sich zusammensackte. Derrik Crawler aber entließ ihren Hals aus der Umklammerung seines Gipses und griff der ohnmächtig werdenden Fachkraft stattdessen nun mit der gesunden Hand wie auch mit dem Gipsarm unter ihren Armen hindurch vor die Brust. Sie derartig fest im Griff habend, schleifte er Sandys schlaffen Körper bis zum Lift, wo er sie nun gemeinsam mit dem betäubten Annie Walker visavis inmitten der - allein durch die beiden aufgesetzten Frauenoberkörper am Zugehen gehinderten - Lifttür platzierte. Noch einmal lief Crawler zum offenstehenden Dienstzimmer zurück, wo er die benutzte Betäubungsspritze im dortigen Papierkorb entsorgte, als sein Blick wie zufällig für eine Sekunde den Monitor mit der unvollendeten Pflegeplanung streifte und dort haften blieb. Was ihn so abrupt verweilen - ja, geradezu erstarren - ließ, war der Name, den sein Blick dabei ganz oben im Kopf der Bildschirmmaske neben der zugehörigen Zimmernummer 421 erhaschte: JANET WANNABE, geborene FREAKADELLY. Du liebe Güte! Wie lange war das her, daß er und Janet gemeinsam im Wannabeschen Ehebett herumtobten und dabei ganz nebenher beratschlagten, wie man zusammen ihren gewieften Vater ausschalten und die Tat dann ihrem ungeliebten Ehemann Charles in die Schuhe schieben könne. Ja, sie und er - das war schon eine aufregende Zeit damals. Und für ihn war es weit mehr als nur eine Zweckpatnerschaft gewesen, irgendwo schon fast so etwas wie ... ja, wie Liebe. Derrik Crawler hatte bewußt ein wenig gezögert, jenes vermeintliche Fremdwort namens LIEBE in seine - längst nur noch von Haß und Rachegelüsten beherrschte - Gedankenwelt eindringen zu lassen, dennoch war ihm - was Janet anging - letztlich auf die Schnelle kein passenderer Begriff zur Beschriebung seiner Gefühle eingefallen. Eine Art Wehmut befiel seine Seele bei dem Gedanken an seine heimliche Geliebte und das, was man ihr nach seinem angeblichen gewaltsamen Ableben mit dem gezielten Schuß und ihrem daraus nun resultierenden Komasiechtum angetan hatte. Ohnmächtige Wut kochte zugleich bei diesem Gedanken in ihm hoch. Zu gern würde er das feige Schwein von Auftragskiller einmal in die Finger bekommen, das seiner Janet damals das Leben zu nehmen versucht hatte, während er selbst sich aufgrund der Auswirkungen jener Detonation im Berliner U-Bahnschacht in einem kleinen ukrainischen Kaff schwersten Operationen unterziehen mußte. Nur langsam entspannte sich Crawlers Körper wieder nahezu komplett - bis auf seine rechte Hand, die unter dem selbstangelegten Gips aus einer künstlichen Gummiprothese bestand. Und während er sich mit der gesunden Linken gedankenversunken über den rauhen Gips streichelte, keimte plötzlich und unerwartet ein sehnlicher Wunsch in Crawler auf. Nur ein einziges Mal noch wollte er seine Janet wiedersehen - ihr noch einmal nahe sein, sie riechen und sanft berühren, so wie damals. Und so schloß er ganz behutsam die Dienstzimmertür hinter sich und machte sich - vorbei am offenstehenden Lift mit den beiden ruhiggestellten Nachtschwestern - auf die Suche nach jenem Zimmer mit der verheißungsvollen Nummer 421.
Charles Wannabe hatte sich inzwischen auf dem Wonbereich Adele untem im Erdgeschoß nach der Nachtschwester umgeschaut. Ja, er hatte sogar die Notrufklingel im dortigen Bewohnerbad betätigt und ein paar Minuten lang gewartet, doch es tauchte einfach niemand auf. Auf dem Rückweg über den Wohnbereich hatte er dann bei einem kurzen Blick durch die Glastür des Dienstzimmers hindurch noch eine - entgegen jeder Sicherheitsvorschrift im dortigen Papierkorb entsorgte - leere Spritze samt aufgepflanzter Kanüle ausgemacht. Es war also naheliegend, daß hier vor kurzem ein Laie zugangewesen war, der womöglich auch die diensthabende Pflegekraft betäubt und verschleppt hatte. Mit diesem Eindruck war Charles Wannabe eielnds zum Lift mit dem darin schon ganz ungeduldig wartetenden Joe Gaubellt zurückgekehrt. Er hatte dort den in der Fahrstuhltür stehenden Metallkoffer entdeckt und ihn mithilfe eines eingesteckten Schweizer Taschenmessers aufgebrochen. Im Kofferinnern aber blickte Charles jetzt mit einer Mischung von Erstaunen und Entsetzen auf das enthaltene reichhaltige Waffen- und Munitionsarsenal. Mit geübtem Kennerblick entnahm er dem Koffer eine jener Pistolen, die zuvor auch Cypher für sich und seine Spießgesellen gewählt hatte. Er prüfte den Lauf etwas eingehender, wobei er an dessen Ende zu seiner Verblüffung unter anderem auch einen bereits standardmäßig integrierten Schalldämpfer entdeckte. Ein leiser Pfiff entwich zum Zeichen stiller Anerkennung seinen Lippen. Wer auch immer hier im Heim sein nächtliches Unwesen treiben mochte ... einen gewissen Stil, was die Wahl der richtigen Waffen angeht, konnte man ihm wohl nicht absprechen. Was hingegen das Ziel des möglichen Überfalls anging, so gab es für Charles Wannabe nach seiner gerade erst beendeten Audienz im Königshaus keinerlei Zweifel mehr ... dabei konnte es sich nur um seinen Freund Lukas Svensson und dessen Ehefrau sowie den in deren Besitz befindlichen Kondolenzbrief mit der unglaublich wertvollen blauen Marke handeln.
Pflegehelfer Adam East und Reinigungskraft Eva Douce bekamen derweil von all dem unheimlichen heimlichen Trubel um sie herum herzlich wenig mit. Und das lag keineswegs nur daran, daß die Zwei in den letzten Minuten eh nur Augen und Ohren für den jeweils anderen hatten, sondern auch an der Bauweise der Räumlichkeit, in welcher sie sich befanden. Jene Besenkammer - in deren Abgeschiedenheit sich beide zurückgezogen hatten - bildete nämlich lediglich den hinteren Teil eines Nebenraumes, in dessen vorderem Teil ein teilweise recht lauter, großer Metallkasten unermüdlich damit beschäftigt war, benutzte Bettpfannen und Urinflaschen mit heißem Wasser auszukochen und zu desinfizieren. Um von jenem lärmenden Monstrum nicht allzusehr belästigt zu werden, hatte Adam inzwischen die große, schwere Zwischentür zur vorderen - als Fäkalienspüle bezeichneten - Raumhälfte hinter sich zugeschoben. Und nun stand er schon seit geraumer Zeit mit der von ihm angehimmelten Eva, auf engstem Raum vereint, zwischen dem Putzwagen und diversen Regalen mit Putzlappen und Reinigungsmitteln und unterhielt sich ganz angeregt mit ihr. Sein großes Pflegehelferherz pochte dabei zeitweise so laut, daß er ganz froh war das schallgedämpfte Grummeln des lärmenden Nachtgeschirrspülers als Hintergrundgeräusch zu haben. Eva hingegen schien herrlich unbeschwert. Sie hüpfte immer wieder kichernd von einem langen Bein aufs andere und wirbelte sich mit ihren beiden Zeigefingern immer wieder abwechselnd durchs lange Goldlockenhaar. Wenn Adam nicht gerade etwas scheu zu Boden blickte, dann betrachtete er gedankenversunken ihr süßes Gesicht mit all den niedlichen Sommersprossen, die ihr - auf eine ganz geheimnisvolle Art - bezauberndes Lächeln beidseitig einschlossen oder er schaute ihr geradewegs in ihre, in einem unergründlichen Ozeanblau erstrahlenden Augen. Ihr sinnliches Parfüm stieg ihm in die - sonst gerade während der Arbeit oft von ganz anderen Gerüchen heimgesuchte - Nase, während ihr süßer, von ihren rotgeschminkten Lippen reizvoll umschlossenes Mund nahezu pausenlos französisch akzentuiert von sich, ihrem Leben und ihren Träumen erzählte. Irgendwann stoppte dann ihr Redefluß ganz plötzlich, und mit einem elgeanten Hüftschwung platzierte sie ihren, vom kurzen Arbeitskittel und dem darunter befindlichen schwarzen Seidenslip nur dürftig bedeckten Unterleib auf einer kleinen Kommode in der hintersten Ecke des Raumes. Ihre langen, leicht gespreizten Beine aber ließ sie baumeln, wodurch sich dem - mit einem Male wie angewurzelt - vor ihr stehenden Adam unweigerlich der verführerische Ausblick auf das kleine schwarze Stoffdreieck am oberen Ende ihrer beiden Oberschenkelinnenseiten eröffnete. Eva aber tat einfach so, als ob sie das alles gar nicht bewemrkte. Sie griff stattdessen nach rechts, wo neben ihr auf der Kommode ihre Handtasche der Marke "Eden's Garden" in grasgrüner Schlangenlederoptik stand. Aus dem Tascheninnern zauberte sie dann binnen weniger Sekunden einen rotbäckigen Apfel und ein kleines Schälmesser hervor, mit dessen Hilfe sie das Kernobst blitzschnell und dabei nahezu perfekt halbierte. Sie besah sich kurz beide Apfelhälften, dann reichte sie die etwas dunklere von ihnen zu Adam herüber. Dem Pflegehelfer fiel in diesem Moment unweigerlich das Märchen vom Schneewittchen und der bösen Stiefmutter ein, welches ihm seine Oma früher beim Schlafengehen immer vorgelesen hatte. Und dennoch zögerte er nicht eine Sekunde, bei dem verlockenden Angebot Evas zuzugreifen. Es war ihm in diesem Moment auch völlig gleichgültig, ob die Apfelhälfte vergiftet war, denn wenn er schon das Zeitliche segnen mußte, dann doch am liebsten in der aufregenden Gegenwart dieser wundervollen Schönen. Kraftvoll bissen Eva und er wenige Augenblicke später fast zeitgleich und einander gegenseitig zublinzelnd in ihre saftigen Obsthälften. Eva aber entflohen dabei zwei große milchigtrübe Safttropfen durch die Mundwinkel der leicht geöffneten Lippen. Sie rannen wie in Zeitlupe nebeneinader her an ihrem makellosen Kinn herab und starteten von dortaus bereits im freien Fall in Richtung des Ausschnitts ihres oben keineswegs ganz zugeköpften und recht prall ausgefüllten Kittels, als sie letzten Moment die rasch ausgesteckte linke Handfläche Adam Easts stoppte. Seine leicht zitternden Fingerspitzen berührten dabei für den Bruchteil einer Sekunde Evas Decolte, woraufhin er sie sofort wieder zurückzog und sich anschließend seinen saftbenetzten Tropfenfänger mit der pfeilschnell hervorschnellenden Zunge abschleckte. Eva aber war in dieser Sekunde einfach nur überwältigt vom Anblick jenes Jünglings, der mit geradezu kindlicher Naivität die Tropfen des aus ihr hervorgetretenen Saftes in sich aufsog. Sie packte ihn mit beiden Händen am Bund seiner weißen Arbeitshose und zog ihn ganz nah zu sich heran, um - ihre Augen langsam schließend - ihre immer noch klebrigfeuchten Lippen über die seinen zu stülpen. Der überraschte Pflegehelfer aber reagierte ganz instinktiv. Wie von selbst schlossen sich auch seine Augen und seine immer noch leicht hervorstehende Zunge stieß dabei ganz von allein langsam in Evas weit geöffneten Mund vor, wo sie sich mit der ihren umgehend ein hitziges Gefecht zu liefern begann. Seine Arme aber schlangen sich langsam um ihren Oberkörper, wobei er durch den Stoff ihrer beider Arbeitskleidung hindurch die sanft hervorsprießenden Warzenknospen ihrer Brust auf der seinen zu spüren glaubte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit lösten die Zwei heftig atmend ihren Kuß, wozu - die sich die Lippen leckende - Eva nach einer kurzen Verschnaufpause anmerkte: "Olala, Deine Zunge hat sisch aber schon recht zügellos aufgeführt in meiner Mund'öhle, Cowboy!". Adam entließ ihren Oberkörper daraufhin augenblicklich aus seiner sanften Umklammerung und wich erschrocken einen Schritt von ihr zurück, wobei er sichtlich besorgt fragte: "Und, ist das jetzt sehr schlimm?". Die kleine Französin schmunzelte nur: "Ach, Du süßer Unschuldsengel! Schlimm? Das ist bon! Tres bon, sogar! Und vor allen Dingen ist es ausbaufä'isch! Insgesamt können Deine Pettingkünste wohl noch ein wenisch Übung vertragen!". Verschämt blickte Adam zu Boden und seufzte herrlich verlegen: "Naja, ich hatte eben in der Beziehung noch keine richtige Praxisanleiterin!". Eva aber hauchte nur leise: "Ach, wie niedlisch! Wenn isch Disch rescht verstehe, dann bist Du also Jungfrau?!". Adam East aber konterte sogleich mit einem kleinen schelmischen Grinsen im Gesicht: "Nö, eigentlich Steinbock!". Normalerweise wären nach dieser Bemerkung Punkt, Spiel, Satz und Sieg eindeutig an ihn gegangen, hätte nicht auch Eva sich in diesem Moment als ausgesprochen schlagfertig erwiesen, indem sie augenzwinkernd anmerkte: "Ach so, und isch 'abe misch schon gewundert, was sisch da unten an meinem Oberschenkel die ganze Zeit über so stein'art anfühlt!". Noch bevor der arme Adam überhaupt irgendetwas zu erwidern vermochte, schlang Eva bereits lächelnd ihre Arme um seinen Hals und verpaßte ihm gleichzeitig einen liebvollen Schmatzer auf die leicht errötete rechte Wange. Und während sie ihren Blick nun recht eindeutig auf jene von ihr angesprochene, stoffumhüllte Ausbeulung unterhalb der Gürtellinie seiner Hose ausrichtete, erklärte sie ganz unmißverständlich: "Na, kleiner Mann, da wird sisch Mademoiselle Eva jetzt in Zukunft wohl in Liebesangelegen'eiten 'öchstpersönlisch um Disch kümmern müssen!". Der von diesem reizenden Angebot nunmehr völlig überrumpelte Adam aber seufzte nur noch verlegen und hauchte: "Ach, Eva, was tun Sie nur mit mir? Was um alles in der Welt haben Sie nur vor mit mir?!".
Auch an anderer Stelle wurde diese Frage gerade eingehend diskutiert, wenn auch aus einer weitaus größeren Distanz heraus. Lou Cypher grinste teuflisch: "Was ich mit Ihnen vorhabe, Svensson?! Nun, um Ihnen das zu verdeutlichen, sollten Sie und Ihre teure ehelich Angetraute vielleicht einmal einen Blick auf das riskieren, was ich Ihnen Beiden als kleine Aufmerksamkeit mitgebracht habe! Wenn der Herr und die Dame dazu einmal auf ihre Nachttische schauen würden!". Vorsichtig wanderten die Blicke der Svenssons in die angegebene Richtung, wo sie zu ihrer Verwunderung die beiden Einweckgläser mit der gräulich gelben Brühe vorfanden. Bei genauerem Hinsehen aber glaubte Lukas inmitten jener Brühe eine unförmige fleischähnliche Masse zu entdecken und sah sich unweigerlich an die Königsberger Klopse mit Kapernsoße erinnert, die seine Mutter früher in seiner Kinderzeit in ähnlicher Art und Weise aufzubewahren pflegte, um sie so in der kleinen kühl abgedunkelten Speisekammer ihrer Wohnung über mehrere Tage haltbar zu machen. Erst als der Ex-Inspektor mit zitternder Hand seine Nachttischlampe einschaltete, registrierte er, daß der vermeintliche Fleischkloß hier vielmehr ein blutigroter - von mehreren Adern umschlossener - Gewebekloß zu sein schien, der an der einen Seite eine glatte Schnittfläche aufwies. Unschlüssig schauten Yelena und Lukas zu Cypher herüber. Dessen dämonisches Grinsen aber verbreiterte sich nur noch, wozu er überheblich krächzte: "Sie haben Beide keinen Schimmer, worum es sich hierbei handelt, oder?! Nun, da Sie ja nach unserem ersten Zusammentreffen sicher der Meinung sind, ich hätte kein Herz, dachte ich mir, ich überzeuge Sie heute nacht einfach mal von dem Gegenteil. Denn wie Sie nun sehen können, hab ich nicht nur ein Herz - ich hab sogar gleich zwei! Die schlagen zwar längst nicht mehr, und sie schlugen auch gewiß nie in meiner Brust. Aber sie haben dennoch einmal recht leidenschaftlich geschlagen - und zwar unter den herrlichen Brüsten der Hure Mary Jane Kelly und unter der beharrten Brust von Jack Holmes!". Yelena aber packte angesichts dieser grausamen Offenbarung Cyphers blankes Entsetzen, und ihr Körper erstarrte von einer Sekunde auf die andere völlig vor Schreck. Bei ihrem Ehemann Lukas hingegen verfärbte sich das bis dahin so blasse Gesicht puterrot. Er ballte seine Fäuste und schrie: "Sie elender Mistkerl, Sie! Sie also haben meinen Freund Jack umgebracht und ihn auf bestialische Weise bis zur Unkenntlichkeit förmlich zerhackt". Cypher streckte ihm die Pistole entgegen und erwiderte recht unbeeindruckt: "Ja, das war ich! Und wissen Sie auch, warum ich nach mehr als hundert Jahren für die Wiederaufnahme meiner einst begonnenen Mordserie gerade ihren Freund Jack auserwählt habe?! Ganz einfach! Weil ich wußte, daß ich gerade Sie mit seiner Tötung am meisten treffen werde. Ja, mein Motiv ist ganz klar Rache, eiskalte Rache! Und ich werde Ihr Leiden im Verlaufe der heutigen Nacht sogar noch vergrößern - ins Unerträgliche steigern. Sie fragen sich, ob ich jetzt auch Sie umbringen werde?! Ganz recht, das werde ich! Aber keineswegs, indem ich Sie einfach erschieße oder Ihnen die Kehle durchschneide. Nein, das wäre ein viel zu leichter Tod für meinen Geschmack! Sie will ich Höllenqualen durchleben sehn, indem ich ihnen das nehme, was Sie mit Abstand am meisten zu lieben glauben auf dieser Welt". Lukas Svensson aber ahnte nur zu genau, auf wen sich die Ausführungen jenes Teufels bezogen, und so blickte er verstohlen zu seiner Yelena herüber. Zufrieden registrierte auch Lou Cypher diesen Blick des Ex-Inspektors und zischte: "Bravo, welch eine phänomenale Auffassungsgabe, mein Lieber! Innerhalb der nächsten Stunden werden ich und meine Männer nun also direkt vor Ihren hilflosen Augen auf brutalste Weise auch noch Ihre geliebte Frau schänden! Und zum krönenden Abschluß werde ich höchstpersönlich ihren makellosen Körper der Länge nach aufschneiden und ihr bei lebendigem Leib das Herz herausreißen. Und das gebe ich dann Ihnen! Sie werden Ihr Herz in der Hand haben und spüren, wie es langsam aber unaufhaltsam aufhört zu schlagen! Und das wird dann auch Ihr verfluchtes Herz endgültig und unumkehrbar zum Stillstehen bewegen. Ist doch ein geradezu genialer Plan, oder, Mister Svensson?!". Einen Augenblick lang herrschte Totenstille im Zimmer, dann aber verfinsterte sich Lukas' Blick zusehends und er murmelte leise: "Entschuldige bitte, Jack, das ich Dir das antun muß! Aber ich habe einfach keine andere Wahl! Möge Gott mir vergeben!". Und während ihm Cypher vom Fußende des Bettes her noch völlig entgeistert entgegenstarrte, packten Svenssons Hände das Glas von seiner Nachttischplatte und schleuderten es mit voller Wucht jenem skrupellosen Mordsgesellen entgegen. Der aber duckte sich gerade noch im letzten Moment, so daß das gläserne Gefäß um Haaresbreite über seinen Kopf hinwegflog und an der dahinter befindlichen Zimmerwand unter dumpfem Knall zerschellte. Das Herz aber landete samt der es bislang umschließenden Brühe, die sogleich einen merkwürdigen Geruch zu verbreiten begann, auf dem kühlen Linoleumfußboden. Cyphers kurzzeitig auf Tauchstation gegangener Kopf hingegen schoß bereits eine Sekunde später wieder pfeilschnell in die Höhe. Und kopfschüttelnd murmelte er mit abgrundtiefer Stimme: "Meine Güte, wie einfallslos! Denken Sie denn wirklich, ich würde zweimal auf denselben Trick hereinfallen, nur weil es diesmal kein Handy war, was auf mich geflogen kam. Nein, mein Lieber, mit so einer einfachen Herzattacke vermag man jemanden wie mich nicht wirklich zu schocken! Im Gegenteil: Solche Aktionen steigern meine Lust an unserem kleinen nächtlichen Todesspiel sogar noch und intensivieren gleichzeitig nur die Qualen, die Ihre Frau zu ertragen haben wird, bevor der Tod sie endlich erlöst!". Unvorsichtigerweise trat der sich überlegen fühlende Teufelskerl bei diesen Worten einen Schritt auf Svensson zu, wobei seine Fußspitze auf dem matschigen Herzen Jack Holmes' landete und ausglitt. Der ganze Cypher geriet dabei ins Straucheln - zwar nur für kurze Zeit, aber doch lang genug, um der sich aus ihrer Erstarrung urplötzlich lösenden Svenssongattin die Gelegenheit zu geben, nach dem Einwegglas zu ihrer Linken zu greifen und es samt dem darin befindlichen, über mehr als hundert Jahre deutlich erbleichten Herzen Mary Jane Kellys ebenfalls in Richtung des wankenden Tyrannen zu schleudern, wozu sie ihm wütend entgegenbrüllte: "Blatch! Sie uns nicht werden länger einschüchtern und quälen! Jetzt Sie mit Doppelherzattacke fahren in Hölle, wo Sie längst gehören hin, ohne Schein für Rückkehr!". Tatsächlich verfehlte Yelenas großer Wurf sein Ziel nicht. Das Glas prallte direkt gegen die linke Schläfe Cyphers, der dabei augenblicklich das Bewußtsein verlor und mit ziemlicher Wucht rechtsseitig gegen die Wand geschleudert wurde, von wo aus er dann rasch zu Boden glitt und regungslos liegenblieb. Lukas aber schloß seine geliebte Frau fest in seine Arme, wobei den Beiden Tränen der Erleichterung in die Augen schossen. Zitternd streichelte er über ihr Haar und bedeckte ihre Stirn immer wieder überglücklich mit seinen Küssen. Schließlich aber gaben sie seine Arme wieder frei, und er sprang mit einem Satz aus dem Bett und in seine davorstehenden Hausschuhe, in denen er dann vorsichtig in Richtung Kleiderschrank schlurfte. Dort angelangt, öffnete er den Schuhschubkasten im unteren Schrankteil und begann, eifrig daran zu wühlen, bis er schließlich sichtlich erfreut ein altes Paar leicht angerosteter Handschellen samt Schlüssel hervorzauberte. Die gute alte Metall-Acht war dabei weit mehr als nur ein Erinnerunsstück an vergangene Yardzeiten, war sie doch in all den Dienstjahren nicht ausschließlich um Verbrechergelenken zugeschappt, sondern hatte auch seinen geliebten Drahtesel in seiner Abwesenheit sicher vor so manchem möglichen Diebstahl bewahrt. Nun aber sollte nach Lukas' festem Entschluß ihr eiserner Zugriff noch einmal einer Festnahme gelten - der Dingfestmachung Lou Cyphers, der sich hier am Boden liegend eben gerade vor ihnen als Augenzeugen dazu bekannt hatte, in seiner Person sowohl den Jack-Ripper als auch Jack The Ripper verkörpern - jenes Phantom, dem Scotland Yard seit mehr als hundert Jahren vergeblich auf den Versen war. Vorsichtig beugte sich Lukas Svensson also zu seinem aufsehenerregenden Fang herunter und entwendete der Hand Cyphers die von ihr umklammerte Pistole, die er sich vorsichtshalber in seine Pyjamahosentasche steckte. Er war dann schon im Begriff, ihm die Handschellen anzulegen, als er auf dem Flur den spitzen Schrei einer Frau hörte, der ihn sein Vorhaben abbrechen, aufstehen und erst einmal nach draußen eilen ließ.
Rasch stellte Svensson dabei fest, daß die Quelle des schrecklichen Aufschreis niemand anders gewesn war als seine Mitbewohnerin Misses Shy, die scheinbar wieder wachgeworden ihren nächtlichen Gang über den Flur fortgesetzt hatte, wo sie in Höhe des benachbarten Zimmers 622 dann auf den herannahenden Charles Wannabe gestoßen war, dessen langer Regenmantel sie sofort wieder an das prägende exibitionistische Trauma aus ihrer Jungend erinnert hatte. Wannabe selbst stand dabei noch wie gelähmt vor Svensson, und es dauerte einige Sekunden, bis er seinem Ex-Partner die Hand zu reichen vermochte. Dann aber klopfte Charles dem Ex-Inspektor umso herzlicher gegen die Schulter und sprach: "Gott sei Dank! Sie sind in Ordnung! Ich hatte schon befürchtet, man hätte es bei dem nächtlichen Überfall hier auf Sie oder Ihre Frau abgesehen!". Svensson nickte eifrig: "Hat man ja auch! Und zwar in Form von dem flüchtigen Lou Cypher, der jetzt niedergestreckt bei uns im Zimmer liegt, sowie seinen Helfershelfern - einem gewissen Paul Vorberg, dessen gezielter Schuß scheinbar damals bei der Beerdigung ihres Schwiegervaters ihre Frau Janet ins Koma befördert hat, und einem guten alten Bekannten von uns Beiden ...". Wannabe zuckte ahnungslos mit den Schultern. Lukas aber versetzte nun seinerseits Wannabes Schulter einen leichten Buff, wozu er sprach: "Nun, der dritte Mann in diesem gespenstischen Mördertrio ist kein Anderer, als der von Ihnen totgewähnte Mistkerl Derrik Crawler, unser ehemaliger Kollege und der Liebhaber Ihrer Noch-Frau!". Einen Moment lang sah Wannabe Svensson zweifelnd an, dann aber glaubte er seinem Freund und raunte wütend: "Und wo steckt der Dreckskerl jetzt?!". Lukas überlegte kurz, dann erwiderte er: "Ich glaube, er befindet sich auf Wohnbereich 3 oder 4, wo er die Nachtschwester schlafenlegen sollte. Kümmern Sie sich um ihn, ich werde versuchen, mir diesen Vorberg zu schnappen, der sich irgendwo draußen im Kleinlaster der Verbrecherbande rumtreibt!". Charles Wannabe hielt den schon im Enteilen begriffenen Svensson am Pyjamaärmel fest und fragte besorgt: "Und Sie sind sich sicher, daß Sie dazu in Ihrem momentanen Zustand auch in der Lage sind?!". Entrüstet schüttelte Lukas die Zweifel seines Ex-Partners wie auch dessen zupackende Hand von sich ab: "Fragen Sie doch den niedergeschlagenen Cypher oder meine Frau gleich nebenan, wozu ich in meinem derzeitigen Zustand noch so alles in der Lage bin. Und nun genug geschwätzt, es ist eh kein Anderer da, der die Sache hier momentan für uns zuendebringen könnte!". Gemeinsam liefen die beiden Ex-Kriminalisten zum weitgeöffneten Fahrstuhl zurück. Charles Wannabe kickte hier mit einem Fußtritt noch rasch den aufgestellten Waffenkoffer ins Liftinnere, und folgte ihm dann gemeinsam mit Svensson nach, worauf dieser nacheinander an der Schalttafel erst den Knopf mit der 4 und dann den mit der 1 betätigte.
Fast wie in Zeitlupe schlossen sich vor den Augen Wannabes und Svenssons die Türen des Lifts, worauf sich dieser langsam in Bewegung zu setzen begann. Charles blickte in diesem Moment ein wenig besorgt zu dem mit ihm nun auf engstem Raum wiedervereinten Weggefährten, dessen gebeugter Oberkörper sich mit zittriger Hand wild schnaufend am seitlichen Haltegriff der Fahrstuhlkabine abstützte. Wie nur wollte Svensson es in diesem Zustand mit einem gewaltbereiten Schwerverbrecher wie diesem Vorberg aufnehmen, zumal der Ex-Inspektor mit seinem dünnen Pyjama und den Filzpantoffeln an den wackligen Beinen ihm für einen Gang nach draußen auch völlig unpassend gekleidet erschien. Und so räusperte sich Wannabe kurzentschlossen und raunte: "Mein Bester, in diesem Aufzug können Sie unmöglich ins Freie treten und auf Verbrecherjagd gehen!". Lukas lokomotivenähnliches Schnaufen stoppte für einen Augenblick, wozu er nun mit einem geradezu spitzbübischen Unterton anmerkte: "Das hab ja auch gar nicht vor, mein Allerwertester! Zumindest nicht in diesem Aufzug!". Die Art, in welcher Svensson dabei die Worte "in diesem Aufzug" betonte und dabei mit dem rechten Zeigefinger nach oben auf die Kabinendecke verwies, ließ Wannabe schon erahnen, worauf Lukas hinauswollte, noch bevor er ergänzend bemerkte: "Mir ist nämlich durchaus bewußt, daß ich zum Verbrecherjagen den Lift wieder verlassen muß!". Wannabe grinste breit übers ganze Gesicht. Tja, in diesem Augenblick war sein Nebenmann wieder ganz der Alte - ein unverbesserlicher Schelm, der jede zweideutige Wortvorlage sehr charmant oder aber auch recht bissig zu nutzen wußte, um damit seinen Mitmenschen ein Lächeln oder auch nur ein Kopfschütteln zu entlocken. Bei seinem Ex-Partner Charles hatte Svensson beides erreicht. Und so erwiderte der - schmunzelnd sein Haupt hin und her schleudernd: "Ok, der Punkt geht klar an Sie, mein Freund! Und als kleiner Preis für Ihren augeprägten Wortwitz winkt Ihnen von meiner Seite aus ein nigelnagelneuer grauer Regenmantel sowie ein paar ebenfalls neuwertiger Galoschen". Mit diesen Worten streifte er sich eilends den Trechcoat von den breiten Schultern und die elastischen Gummiüberschuhe von seinen schwarzen Halbschuhen und überreichte sie dem verblüfften Ex-Inspektor. Der aber schlüpfte freudestrahlend in die Ärmel des Regenmantels, während Charles vor ihm niederkniete und ihm beim Überziehen der Galoschen über die bis dato nur dürftig filzbelatschten Füße half. Mit glasigen Augen musterte sich der so ausstaffierte Svensson noch rasch im schmalen Seitenspiegel an der ihm gegenüber gelegenen Fahrstuhlkabinenseite und schluchzte überwältigt: "Mein Gott, ich seh ja wieder genauso aus wie früher - wie in den alten Zeiten, als wir Zwei noch beim Yard arbeiteten. Vielen Dank, Charles, daß ich das nochmal erleben darf! Sie sind fürwahr ein echter Freund!". Ein kurzes Ruckeln ging durch die Fahrstuhlkabine, dann öffneten sich wie von Geisterhand die Lifttüren und gaben damit den Blick auf den Wohnbereich 4 mit dem geheimnisvollen Namen Destiny frei. Charles Wannabe aber hielt die ihm überreichte, bereits entsicherte Waffe im Anschlag und wagte so aus dem Fahrstuhlinnern heraus einen kurzen Schritt nach vorn, wobei er sich durch eine schnelle Kopfbewegung in Windeseile zu beiden Seiten des scheinbar menschenleeren Flurs umsah. Erst jetzt trat er gänzlich aus der Fahrstuhlkabine hervor, drehte sich noch einmal augenzwinkernd zu dem im Lift verbliebenen Svensson um und flüsterte ihm zu: "Viel Glück, Lukas! Und passen Sie gut auf sich auf, Inspektor!". Dann machte Charles auf dem Hacken kehrt und begab sich auf leisen Sohlen in Richrtung der linksseitigen Flurhälfte, wobei von der sich wiederverschließenden Aufzugstür her noch ein leise gehauchtes "Sie aber auch, Chefinspektor Wannabe!" an sein Ohr drang.
Wannabe drehte noch einmal den Kopf herum, doch die Fahrstuhltür seitlich von ihm hatte sich bereits vollständig geschlossen, während er nun ganz entsetzt auf die direkt hinter ihm befindliche offenstehende Lifttür blickte, in deren Lichtschranke die puppengleich aufgerichteten Frauenkörper der beiden Nachtwächterinnen Annie Walker und Sandy Bulldog noch immer völlig regungslos hockten. Eilends begab sich Charles zu den Frauen, wobei er sich zunächst vor Sandy Bulldog niederkniete und versuchte, sie - erst durch ein leichtes, dann durch ein kräftigeres Tätscheln ihrer Wangen - aus der künstlich hervorgerufenen Bewußtlosigkeit aufzuerwecken. Als all das nichts half, wand er sich Annie Walker zu, bei der sein Unterfangen zunächst ebenfalls wenig Erfolg zeigte. Erst als sein Tätscheln schon fast in ein Ohrfeigen überging, schlug die Pflegehelferin langsam die Augen auf und hauchte: "Wo bin ich? Wer sind Sie? Was ist passiert?". Charles versuchte, ihr die Sachlage - so gut es ging - wortreich und dennoch in aller Kürze zu erklären. Am Ende seiner Ausführungen nickte Annie schließlich und flüsterte noch immer sichtlich benommen: "Ja, richtig! Die drei Männer! Die haben mir mit einer Spritze in die Brust gepiekst, und dann wurde es um mich herum ganz dunkel. Daß ich schneller wieder zu mir gekommen bin als die arme Sandy mir gegenüber, hab ich dann wohl meinem, mit Silikonkissen etwas ausgepolsterten Push-Up-BH zu verdanken, von dessen einem Polster vermutlich eine Menge des mir injizierten Betäubungsmittels aufgesogen worden ist?!". Wannabe mußte angesichts dieses Umstands unweigerlich schmunzeln, dann aber kehrte bei ihm sofort wieder der nötige Ernst ein, und er erklärte: "Hören Sie zu! Sie fahren jetzt mit dem Lift nach unten ins Erdgeschoß, wo sie mittels ihrer Kollegin Sandy erneut den Fahrstuhl blockieren. Dann rufen Sie vom Dienstzimmer aus die Polizei und melden einen terroristischen Angriff auf das Pflegeheim 'Heavensdoor'. Lassen Sie sich unbedingt direkt zum Einsatzleiter des CI7 Mister Youstan Texas weiterverbinden und schildern Sie ihm den Fall. Nennen Sie ihm dabei auch meinen Namen, Charles Wannabe, und warten Sie am verschlossenen Haupteingang auf das Eintreffen der Antiterroreinheit. Haben Sie das verstanden?!". Annie nickte. Charles Wannabe aber half ihr beim Hineintragen von Sandy Bulldogs Körper ins Liftinnere und wartete dann noch, bis die Fahrstuhltüren sich geschlossen hatten und der Lift nach unten abgefahren war.
In der Besenkammer des Wohnbereich Fidelitas bahnten sich in selber Sekunde die zitternden Hände des sichtlich erregten Pflegehelfers Adam East durch die inzwischen weit offenstehende Knopfleiste des Arbeitskittels der kaum weniger aufgeregten Reinigungskraft Eva Douce hindurch den Weg zu ihren unter dem Kittelstoff deutlich hervorstechenden Brüsten, wozu seine Stimme leise in Evas Ohr hauchte: "Oh Eva, Du verdrehst mir mit Deiner zauberhaften Art völlig den Kopf, mein süßer Engel. Ich glaube, ich bin gerade ernsthaft dabei, mich rettungslos in Dich zu verlieben!". Die auf der Kommode vor ihm hockende Frau, deren schlanke Beine mittlerweile seine stark ausgeprägte Poebene fest umschlungen hielten, registrierte in diesem Moment ein deutliches Wummern - das von Adams Herz ausgehend durch seine Brust und deren stoffliche Umhüllung hindurch an die ihre klopfte. Eva aber erschrak und schlug mit einem Male ein wenig beschämt die Augen nieder. All ihre gespielte Unschuld war plötzlich dahin, als sie nun in Gedanken völlig akzentfrei zu sich selbst sprach: 'Ach Adam! Wenn Du wüßtest, wer ich in Wirklichkeit bin, warum ich mich hier als Reinigungskraft eingeschleusen ließ und welch dunkles Geheimnis ich dabei mit mir herumschleppe, dann würdest Du Dich wohl kaum in eine wie mich verlieben, sondern Dich wohl nur angewidert von mir abwenden. Und das, obwohl ich doch hier bei Dir zum ersten Mal in meinem Leben auch das Gefühl habe, mich in jemanden ganz ernstlich verlieben zu können. Möge das Schicksal uns Beide davor bewahren, daß Du jemals die ganze Wahrheit über mein wahres Ich erfährst!'. Erneut registrierte die junge Frau in diesem Augenblick ein deutliches, gegenüber dem anderen zeitlich etwas versetztes Wummern. Dieses aber entstammte keineswegs, wie Eva zunächst annahm, ihrem aufgewühlten Herzen, sondern rührte vielmehr von der Außentür der benachbarten Fäkalienspüle zum Flur her, wo der über den Wohnbereich in Richtung seines Zimmers zurückgeschlenderte Joe Gaubellt Stimmen vernommen zu haben glaubte und nun wieder und wieder mit beiden Fäusten gegen die dicke Eisentür pochte. Auch Adam East bemerkte inzwischen jenes andauernde und dabei an Intensität immer mehr zunehmende Klopfzeichen. Eilends zog er seine Hände unter Evas Kittel hervor und löste seinen Hintern aus dessen beinlicher Umklammerung, woraufhin er sich wortlos umdrehte, durch die rasch aufgerissene Zwischentür die Fäkalienspüle stürmte und dort am Griff der - von der Außenseite so eifrig beklopften - Tür zu ruckeln begann. Völlig aufgelöst stellte er schon nach wenigen Versuchen jenes verzweifelte Ruckeln ein und verkündete der nun hinter ihm im Türrahmen auftauchenden, sich die Kleidung zurechtzupfenden Eva: "Um Himmels Willen, man hat uns hier eingesperrt! Was sollen wir jetzt nur machen? Wie soll ich das nur Miss Smith erklären? Die wird mich bestimmt feuern, wenn sie davon erfährt, daß ich hier mit Dir ...". Weiter kam der Pflegehelfer nicht, denn in diesem Moment wurde von außen der Schlüssel im Schloß herumgedreht und die Tür langsam aufgeschoben. Vor Adams Augen erschien dabei das sichtlich verdutzte Gesicht des ihm anvertrauten Mister Gaubellt, der ihm sogleich, die Hacken zusammenknallend mit stolzgeschwellter Brust meldete: "Kamerad! Die Gegenoffensive unserer Truppen zur Befreiung unserer heimischen Korridore ist bereits angelaufen. Und dank Ihrer Befreiung und der Ihrer französischen Alliiertin sollte unserem endgültigen Sieg nun wohl nichts mehr im Weg stehen. Begeben Sie sich doch jetzt bitte umgehend ins Leiterhauptquartier unseres obersten Befehlshabers und geschätzten Leiters Herr Svensson zum weiteren Befehlsempfang! Mein Auftrag ist damit erledigt, und für mich ist an dieser Stelle vorerst Zapfenstreich!". Wieder knallten Gaubellts Hacken aneinander, worauf der bucklige Mann im imitierten Stechschritt lauthals gähnend in Richtung seines Zimmers verschwand. Adam und Eva schauten sich eine Sekunde lang verwundert an, dann aber enteilten sie gemeinsam Hand in Hand in Richtung des Svenssonzimmers.
Auf der zwei Stockwerke tiefer gelegenen Wohnetage Destiny pirschte sich Ex-Chefinspektor Wannabe zur selben Zeit auf dem, ihm dank der Besuche bei seiner im Koma liegenden Noch-Frau Janet nur allzu gut bekannten Flur Zimmer für Zimmer vor. Er war gerade in Höhe von Zimmer 415 angelangt, als sich in einiger Entfernung vor ihm eine Zimmertür öffnete und wieder schloß, wobei aus deren Türrahmen mit gesenktem Haupt gedankenversunken die Gestalt Derrik Crawlers hervortrat. Es dauerte eine Sekunde, bis er die Anwesenheit Wannabes registrierte. Dann aber zog Crawler ohne Zögern seine Pistole und feuerte in kurzer Folge fünf gezielte Schüsse auf seinen ehemaligen Vorgesetzten ab. Charles konnte sich dabei im letzten Moment mit einem beherzten Sprung hinter den mitten auf dem Flur stehenden Pflegewagen flüchten, an dessen hözerner Außenwand sich sogleich eine klare Einschußlochlinie abzeichnete. Vorsichtig steckte Charles seinen Kopf hinter dem Wagen hervor und erwiderte mit allen sechs Schuß aus dem Magazin der ihm von Lukas mitgegebenen Pistole das Feuer in Richtung Crawlers, der inzwischen im breiten Türrrahmen vor Janets Zimmer in Deckung gegangen war. Wannabe zog seinen Kopf hinter die Deckung des Pflegewagens zurück und lauschte. Ein kurzes Türknarren war zu vernehmen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. So wie es sich anhörte, war Crawler wohl getroffen worden, dabei gegen die Türklinke gekommen und dann mitsamt der aufspringenden Tür m Zimmerinneren gelandet. Dafür sprach auch die Tatsache, daß nach dem erfolgten Aufprall minutenlang absolute Stille herrschte. Langsam lugte Wannabe wieder aus seinem sicheren Versteck hervor und bemerkte dabei erleichtert, daß die Lederstiefel, welche Crawler hier bei seinem nächtlichen Überfall trug, völlig regungslos und nebeneinander hingestreckt im Türrahmen lagen. Mit vorgehaltener Waffe richtete sich Charles Wannabe langsam wieder auf und schlich - Zentimeter um Zentimeter - auf die Tür mit den Stiefeln zu, seinen Öberkörper fest an die Flurwand gepreßt und jederzeit zum Angriff bereit, falls der Stiefelträger wider Erwarten doch noch einmal zu sich kommen sollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit langte Charles endlich am Türrahmen an, in den er nun erwartungsvoll seinen Kopf steckte. Zu seinem Entsetzen stellte er dabei fest, daß die von ihm ausgemachten Stiefel ganz ohne den zugehörigen Besitzer im Türrrahmen lagen. Crawler, der durchtriebene Lump, hatte sie scheinbar nach seinem selbstinszenierten Fall ins Zimmer abgestreift und als Falle derart auffällig im Türrahmen postiert. Und sein Plan war durchaus aufgegangen, denn nun stand der arme Charles ohne jede Deckung mitten im Türrahmen des Zimmers 421, von wo aus ihn die hinter der offenstehenden Zimmertür hervorschießende Hand des völlig unverletzten Crawler nun mit aller Gewalt am Hemdskragen packte und ins Zimmer schleuderte, wo er sodann am Fußende des Bettes seiner Frau Janet zu liegen kam. Derrik Crawler aber trat mit vorgestreckter Waffe auf den am Boden Liegenden zu und krächzte siegesbewußt: "Zeit, sich zu verabschieden, Wannabe! Seit der Sache mit der verunglückten Handgranate im Berliner Untergrund warte ich nun schon auf diesen Moment - den Moment, Ihnen all die Schmach, die Sie mir während unserer Zeit beim Yard zugefügt haben. Sie haben mich all die Jahre nie als Partner behandelt, sondern immer nur als Laufbursche. Ich war all die Jahre Ihr Schoßhündchen und Ihr Fußabtreter. Und schon damals hab ich mir geschworen, daß ich es Ihnen einst heimzahlen werde. Meine Rache begann, als ich mit Ihrer Frau schlief und sie zu meinem willenlosen Werkzeug umprogrammierte. Sie setzte sich fort, als ich Ihren Schwiegervater, den Yardchef, umbringen ließ. Und nun vollendet sie sich, indem ich Ihnen hier und heute für immer und ewig das Lebenslicht auspuste. Und Sie können sich noch nicht einmal wehren, denn Ihr Magazin ist leer, und meins hat noch genau eine Patrone!". Ein breites Grinsen huschte über Crawlers Gesicht, während sein Zeiegfinger den Hahn der Pistole niederpreßte. Charles Wannabe aber schloß die Augen vor seinem nahenden Ende. Vor seinem geistigen Auge erschienen noch einmal seine geliebte Claudia und der kleine Cedrick mit dem schwanzwedelnden Vierbein auf dem Arm. Und während sich seine Hände zitternd ineinanderzufalten begann, wisperte Charles Wannabe leise mit tränenerstickter Stimme: "Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist! Dein Wille geschehe, Dein Reich komme, wie im Himmel so auf Erden!". Crawler aber schüttelte nur ungläubig den Kopf: "Was ist nur aus Ihnen geworden, man?! Ein Jammerlappen, der zum Himmel hinauf um Vergebung winselt! Egal, Ihr himmlischer Glaube kann Sie jetzt auch nicht mehr retten! Fahren Sie zur Hölle, Mister Wannabe!". Das leise Knacken des komplett durchgedrückten Pistolenabzugs war zu vernehmen, dann ein Schuß, und schließlich Totenstille ...
Lukas Svensson war derweil längst im Erdgeschoß angelangt, wo er den Metallkoffer mit den Waffen noch rasch in der Lichtschranke der Lifttür aufgestellt und sich dann in Richtung Hintertür aufgemacht hatte. Hier traf er nun auf den sich - mittels eines Dolches aus dem mitgeführten Besteckkoffer Cyphers - von außen an der Tür zu schaffenden machenden Vorberg, der beim Anblick des Ex-Inspektors durch die panzerverglaste Tür hindurch sichtlich in sich zusammenzuckte, woraufhin er den Dolch wieder im Koffer verstaute und sich dann mit selbigem schnellen Fußes in Richtung des von ihm unweit des Hintereingangs abgestellten Kleintransporters begab. Vor Svenssons Augen bestieg der Flüchtende das Auto auf der Fahrerseite und machte sich umgehend daran, den Motor zu starten. Lukas aber hielt gleichzeitg fieberhaft Ausschau nach jenem Knopf, der die elektronisch verriegelte Tür von innen her zu öffnen vermochte. Er entdeckte ihn schließlich auch recht schnell, worauf mit leisem Surren die Tür langsam nach innen aufzugehen begann und dem Ex-Inspektor so den Weg nach draußen freigab. Schweratmend lief Lukas Schritt um Schritt auf den schwarzen Transporter zu, dessen Motor immer wieder ein kurzes, jammervolles Jaulen von sich gab, um dann sofort wieder in absolutem Stillschweigen zu verharren. Von der Fahrerkabine her hörte er dazu wiederholt ein knurriges: "Verfluchter Mist! Jetzt spring doch schon an! Nur noch dieses eine Mal!". Svenssons ausgesteckte Hand erreichte inzwischen schon den Türgriff auf der Beifahrerseite des Kleintransporters, von wo er sie in selber Sekunde erschrocken wieder zurückzog. Der Grund dafür war der spitze, qualvolle Aufschrei einer Frau, der aus einem offenstehenden Fenster in der sechsten Etage heraus an sein Ohr gelangte. Blankes Entsetzen zog in sein Gesicht, als er beim Heraufschauen begriff, daß es sich bei jenem, weit und breit einzig erleuchteten Fenster nur um das seines Zimmers handeln konnte - und bei der so grauenvoll aufschreienden und mittlerweile nun komplett verstummten Frau damit zweifelsfrei um seine geliebte Yelena. Eine düstere Schattengestalt erschien im nächsten Augenblick auf dem Sims des nun gänzlich aufgerissenen Fensters und stürzte sich von dortaus mit einem einzigen Satz in die Tiefe. Ein lautes Knacken und Rascheln verriet dem Ohr Svenssons, daß die herabgestürzte Person in einem der Hauswand nahestehenden Gebüsch gelandet sein mußte. Lukas richtete seinen Blick dahingehend aus, und seine sich nur langsam an die ihn umgebende Dunkelheit gewöhnenden Augen erkannten dabei den gräulichen Umriß einer ummantelten Mannsperson, die sich nun hinkend dazu anschickte, auf den im Abfahren begriffenen schwarzen Transporter zuzuschreiten. Der Motor des Kleintransporters aber heulte im selben Moment einmal kräftig auf und vermeldete sodann mit leisem eintönigen Schnurren die Abfahrbereitschaft des Gefährts. Zufrieden grinsend löste Vorberg am Lenkrad des Transporters die Handbremse und trat, den Schalthebel durchreißend, nacheinander auf Kupplung und Gas, woraufhin der Kleinlaster sich nun reifenquietschend und auf seinem sandigen Untergrund reichlich Staub aufwirbelnd in Gang setzte. Noch ehe die hinzueilende Schattengestalt oder auch Lukas des Gefährdes habhaft werden konnten, war es auch schon in einer dichten Staubwolke auf nimmer Wiedersehen in Richtung der Zufahrt zum nahegelegenen Krematorium verschwunden. Der mysteriöse Schattenmann aber, den Svensson nach seinem Heraustreten aus der Finsternis ins schummrige Halbdunkel der bewegungsmeldergesteuerten Leuchte überm Hintereingang unzweifelhaft als Lou Cypher zu identifizieren vermochte, schaute dem entwichenen Fluchtfahrzeug nur kopfschüttelnd hinterher und zischte dann verbittert: "Elender Hundsohn! Sucht einfach das Weite und läßt seinen Herrn und Meister hier eiskalt zurück!". Ein teuflisches Grinsen begann eine Sekunde später seine Mundwinkel zu umspielen, wozu er ergänzte: "Nun ja, meine Schule eben! Nur ein Trottel denkt schließlich in solch einer brenzligen Situation an andere, und nicht zuerst an sich selbst! Der Junge wird es in meiner Nachfolge in jeder Hinsicht noch weit bringen, da bin ich mir sicher!". In diesem Moment entdeckte Cypher Lukas Svensson, der etwa sechszig Meter von ihm entfernt stand und grölte: "Sieh an! Wieder so einer, der glaubt - der glaubt, mich zur Strecke bringen zu können und am Ende doch nur selber dran glauben muß! So wie schon eben Ihre geliebte Frau dran glauben mußte, als mein wiedererwachter Leib ihr anmutiges Antlitz recht unsanft in die Kissen drückte. Kein schöner Tod, dieses Ersticken, nicht wahr?! Wenn einem langsam aber unabänderlich die Luft ausgeht. Wenn man sich windet und kämpft und am Ende doch kapitulieren muß. Aber vielleicht hab ich im Eifer des Gefechts ja doch gar nicht lange genug zugedrückt, und es ist noch ein letzter Hauch von Leben in ihr, wer weiß?! Dilemma, Dilemma, nicht wahr, Sie armseliger Einfaltspinsel?! Wie sollen Sie sich da nun entscheiden? Zurückeilen und die Geliebte so vielleicht doch noch retten?! Oder mir nachlaufen und meinem schändlichen Treiben für immer und ewig den Garaus machen?!". Ein grausiges Lachen drang aus Cyphers Kehle hervor, dann setzten sich seine krummen Beine langsam humpelnd in Richtung des nahegelegenen Waldes in Bewegung ...
Aus Lukas Svenssons müden Augen quollen dicke Tränen hervor - Tränen des Zorns und der Ohnmacht zugleich. Rasch machte er auf dem Hacken kehrt und war bereits auf dem Weg zurück in Richtung der Hintertür des Pflegeheims, als von oben her aus dem Fenster seines Zimmers im sechsten Stocks herab die wohlvertraute Stimme des Pflegehelfers Adam East an sein Ohr drang: "Mister Svensson, sie lebt! Ihre Frau - sie ist zwar bewußtlos, aber sie lebt! Ich kümmere mich schon um sie! Schnappen Sie sich jetzt erstmal den miesen Kerl mit dem Hinkefuß!". Lukas trat einen Schritt zurück, mitten in den Lichtkegel der Hintertürbeleuchtung hinein. Sein Kopf aber blickte dabei auffällig nickend nach oben, wozu er überglücklich ausrief: "Mein Gott! Ich danke Dir von ganzem Herzen! Und jetzt hol ich mir diesen verfluchten Teufel!". Ein wenig ratlos drehte sich Svenson hierauf einmal komplett um die eigene Achse und entdeckte dabei im Innern des Heims - unmittelbar neben der Hintertür an die gläserne Front gelehnt - den Cityroller der Heimleiterin Smith, wobei er zu seinem Erstaunen feststellte, daß das protzige Hochglanzgefährt sogar über eine akkubetriebene Beleuchtungsanlage verfügte. Und so schnappte sich Lukas kurzentschlossen den edlen Tretroller und ließ ihm per Knopfdruck vorn wie auch hinten ein Licht aufgehen. Dann rollerte er - wie einst in Kindertagen - ebenfalls in Richtung des Waldes auf den noch ganz frischen Spuren Lou Cyphers davon. Und während im selben Augenblick in der Ferne die Glocken Big Bens mit 12 schaurig klingenden Schlägen die mitternächtliche Stunde einläutete, trafen nun auf dem Parkplatz am vorderen Haupteingang des Pflegeheims neben dem bereits fünf Minuten zuvor angekommenen mobilen Einsatzfahrzeug der Antiterroreinheit CI7 nun auch noch mehrere Rettungswagen samt einer Notärztin sowie ein großer schwarzer Leichenwagen ein ...
[Wird fortgesetzt]