Ein alter Feind mit neuem Gesicht
Kapitel 1
Februar 1999
Mike war seit zwei Tagen in Österreichs Hauptstadt unterwegs. Wien kam ihm sehr vertraut vor, kein Wunder, sein Großvater war Österreicher und war in Wien aufgewachsen. Doch Mike war nicht zum Vergnügen hier, er hatte einen heiklen Auftrag. Wie immer hatte Rainfield ihn eingewiesen, hatte mit ihm zusammen an einer neuen Identität gearbeitet. Er war als Raphael Holter, ein österreichischer Steuerberater unterwegs. Dabei kamen ihm seine Deutschkenntnisse sehr zu gute. Die Sonne verschwand langsam hinter den Fassaden der Wiener Innenstadt. Mike kehrte in sein Hotelzimmer zurück und holte seinen Aktenkoffer hervor. Darin befand sich, fertig zusammengebaut seine Beretta 92F mit Schalldämpfer. Mike schlüpfte in sein Sakko und verbarg die Beretta unter diesem in einem Schulterholster. Über das Sakko zog er noch einen schwarzen Wintermantel an, der ihn bei den eisigen Temperaturen warm halten sollte. In Wien schneite es schon wieder. Die Außenlufttemperatur lag bei -8 Grad Celsius und Mike wollte nicht erfrieren. Er musste sein Opfer auf offener Straße erschießen und würde daher versuchen so unauffällig wie möglich auszusehen. Mike verließ sein Hotelzimmer. Es war nun 21.20 Uhr und draußen war es stockfinster. Nur die Straßenbeleuchtung sorgte für etwas Beleuchtung. Doch auch dazwischen gab es finstere Flecken. Ein Vorteil, so konnte Mike sein Opfer im Dunklen beseitigen. Mike ging die Straße hinab. Nach etwa hundert Metern hatte er sein Ziel entdeckt. Ein etwas älterer Mann. Mike wusste so gut wie nichts über sein Opfer. Er wusste nur, dass sein Ziel auf den Namen Wladimir Tschenkov hörte. Nationalität Russe. Mike war jetzt bis auf fünfzig Meter vorgedrungen. Er zog seine Beretta und hielt sie unauffällig hinter seinem Körper versteckt. In zwanzig Sekunden würde er abdrücken. Ein sauberer Kopfschuss, der sein Opfer sofort töten würde. Er zählte den Countdown. 5 … 4 … 3 … 2 … 1. Mike betätigte den Abzug und die Kugel sauste durch den Lauf und den Schalldämpfer. Dann trat sie mit einem leisen Knall aus und drang keine zwanzig Meter weiter vorne in den Hinterkopf des Verräters. Diese kippte vornüber und schlug mit dem Gesicht voran hart auf dem Asphalt auf. Mike drehte sich um und wechselte auf die andere Straßenseite. Dort verharrte er in einer dunklen Ecke und wartete ab. Nichts rührte sich. Kein Mensch hatte etwas von der Aktion mitbekommen. Mike setzte seinen Weg zurück ins Hotel fort. Er würde noch heute Nacht das Land verlassen und sich erst mal einen Urlaub mit Sharon gönnen. Mike stieg aus dem Fahrstuhl und ging hinüber zu seinem Zimmer. Doch etwas stimmte nicht. Der Gang war leer. Aber irgendetwas beunruhigte Mike. Er trat hinüber zu seinem Zimmer und holte den Schlüssel aus seiner Manteltasche. Er blickte nach unten und entdeckte dort Abdrücke von Stiefeln. Nass vom Schnee. Irgendjemand war in seinem Zimmer. Mike zog seine Beretta und bewegte sich eilig von der Tür weg. Er stellte sich in den Türrahmen der Zimmertür, die zwei Zimmer weiter lag. Von dort konnte er wunderbar sehen, wann jemand sein Zimmer verlassen würde. Mike tat so als würde er die Türe aufsperren wollen und warf dabei immer einen Blick auf die Zimmertür. Dann trat jemand von hinten an ihn heran und drückte ihm eine Waffe in den Rücken.
„Aero One, ich hab unsere Zielperson. Er steht vor Zimmer 126.“, sagte der Typ hinter ihm ins Funkgerät. „So Alter. Das wars. Schreib schon mal deine Grabrede Alter.“, verhöhnte der Mann ihn.
„Weißt du Mann. Ich denke du nimmst deine Waffe weg. Sonst endest du noch als Leiche.“
„Und wie willst du das anstellen?“, fragte der Typ.
„Ich hab meine Hände nicht hochgenommen.“
Mike hatte instinktiv seine rechte Hand unter den Mantel geschoben. Die Beretta war in diesem Augenblick auf den Angreifer hinter ihm gerichtet. „Du …“
Mike drückte ab. Die Kugel riss ein Loch in den Mantel und ebenso in die Brust des Angreifers. Dieser fiel nach hinten um und Mike stieß sich von der Tür ab. Seine Zimmertür wurde in diesem Moment aufgerissen und drei bewaffnete Männer traten auf den Flur. Mike ließ sich zu Boden fallen, als diese Typen mit ihren schallgedämpften MPs das Feuer auf ihn eröffneten. Er landete weich auf der Leiche des eben Erschossenen und feuerte seinerseits auf die Männer. Zwei der Männer tötete er mit gezielten Schüssen in den Kopf und den dritten tötete er mit einem einzelnen Treffer. Die Kugel trat in seinen Mund ein und trat hinter ihm wieder aus. Der Typ ging seitlich zu Boden und schlug tot auf dem Boden auf. Mike erhob sich. Das war merkwürdig. Irgendetwas war schiefgegangen. Mike musste sich jetzt einen neuen Fluchtplan ausdenken. Mit dem geplanten 01.00 Uhr Flug nach Washington würde er bestimmt nicht fliegen, da er auch da erwartet werden könnte. Irgendjemand wusste über diese Aktion Bescheid. Jetzt lag es an ihm selbstständig aus Österreich wegzukommen. Als allererstes würde er nach Bratislava fahren um von dort einen Flug nach Griechenland zu nehmen. Er würde seine Spuren verwischen. Von Griechenland würde er dann weiter nach Thailand reisen und von dort würde er dann irgendwie versuchen in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Vermutlich mit einem Zwischenhalt in Südamerika. Mike machte sich nicht daran seine Sachen zu packen. Er griff sich seine Reisepässe und zündete sein Gepäck an. Er wartete bis der Feueralarm losging und verließ dann schleunigst das Hotel. Er suchte sich einen unauffälligen Wagen und knackte dessen Schloss. Er schwang sich hinters Steuer eines VW Golf III und schloss diesen kurz. Da der Wagen über keine Lenkradsperre verfügte ließ der Wagen sich auch ohne Schlüssel steuern. Mike legte den ersten Gang ein und fuhr an. Zum Glück hatte er damals auch schalten gelernt und so hatte er keine Schwierigkeiten den Wagen zu fahren.
Jim West saß in seinem Büro und wartete auf die Meldung von seinem besten Agenten. Doch als Eric Rainfield den Raum betrat und West sein Gesicht sah, da wusste er, dass irgendetwas schief gegangen war. „Was ist passiert?“, fragte West zuvorkommend.
„Es geht um Gaber. Er hat in Wien einen Mann erschossen. Dieser Mann war der Botschafter der britischen Regierung. Es wird gerade in allen Nachrichten gebracht. Von wem kam die Autorisierung?“
„Vom Außenministerium.“, antwortete West und hegte schlimme Befürchtungen.
Dort saßen ein paar Leute, die nicht unbedingt gut auf ihn zu sprechen waren. Angefangen bei Phil Tall, dem Außenminister der Vereinigten Staaten.
West wollte gerade etwas antworten, als die Tür aufging und Tall hineinkam. Ihm folgten zwei Leute. Ein Mann und eine Frau. Die Frau war gerade mal 28 Jahre alt. Der Mann der hinter ihr hereinkam und die Tür schloss, war hingegen schon gut 45 Jahre alt oder älter.
„West, ich muss mit Ihnen reden.“, fing Tall an.
„Dann fangen Sie an.“
„Erst soll er den Raum verlassen.“, erwiderte er und nickte dabei in Richtung Rainfield.
„Er bleibt hier.“, beharrte West und funkelte den Außenminister an.
„Ihr Mann hat den britischen Botschafter in Wien erschossen. Dafür wird er zur Verantwortung gezogen.“
„Wer sagt, dass es unser Mann war?“
„Ich hab die Tätigkeit von Gaber verfolgt. Er war in Wien und wie ich von unserem Verteidigungsminister erfahren habe, ging der Auftrag über deren Tisch. Sie haben mächtig Scheiße gebaut. Sie haben die eigentliche Zielperson, Wladimir Tschenkov entkommen lassen. Ihr Mann hat sein Ziel verfehlt.“
„Das ist völlig unmöglich.“, sagte Rainfield.
„Warum?“
„Ich kenne unseren Mann. Er würde nie ein Ziel verwechseln.“
„Nun in diesem Falle hat er sein Ziel verwechselt und dafür wird er zur Verantwortung gezogen.“
„Sie wiederholen sich.“, fing West an.
„Ich setze jemanden von Ihren Leuten auf Gaber an.“
„Ich nehme an, Sie und Miss Rush haben sich bereits bekannt gemacht.“, erwiderte West und nickte in Richtung der jungen Dame. Eine kurze Unterbrechung.
„Zwecklos. Gaber ist viel besser ausgebildet als sie. Sie hat keine Chance.“, warf Rainfield ein.
„Das sagen Sie. Miss Rush ist die beste Agentin die ich je ausgebildet habe. Sie zählt zu den zehn besten Ermittlerinnen in unserer Agency.“, konterte der ältere Agent, der sie begleitete.
„Und Mr. Gaber ist der beste Agent, den ich je ausgebildet habe. Er würde zehn von Ihren Ermittlern mit Leichtigkeit umgehen können und noch leichter könnte er sie töten.“
„Woher wollen Sie das wissen?“, erwiderte der Agent.
„Ganz einfach, ich könnte es und Mr. Gaber somit auch.“
Jetzt hob auch Rush die Hand und bat kurz um Aufmerksamkeit: „Darf ich etwas einwerfen. Ich werde ein ganzes Team leiten. Ich denke wir sind Mr. Gaber überlegen. Er kann sich zwar verstecken, aber er kann uns nicht entkommen.“
Rainfield lachte spöttisch auf. „Er kann Ihnen entkommen. Verdammt, wissen Sie eigentlich wer Gaber ist?“
„Ein ehemaliger Student der Harvard University in Boston. Er kam 1995 zur Agency. Da war ich schon mein drittes Jahr hier. Ich habe weit mehr Erfahrung als Mr. Gaber.“, erwiderte Rush selbstsicher.
„Sie haben mehr Erfahrung in was?“
„In Ermittlungen.“
„Herzlichen Glückwünsch. Das wird Ihnen aber nicht viel nützen. Gaber ist ein ausgebildeter Killer. Der lässt sich von Ihren Ermittlungskenntnissen nicht beeindrucken. Er wird Sie töten und Ihr ganzes Team gleich dazu. Also ich rate Ihnen nochmals: Lassen Sie die Finger von der Sache. Ich übernehme das. Ich bringe Gaber heil zurück.“, behaarte Rainfield.
„Da ich noch immer der Direktor dieser Behörde bin, entscheide ich wer geht. Also Miss Rush: Sie werden die Ermittlungen leiten, aber Mr. Smith wird Sie begleiten.“, entschied West.
Smith war der Deckname für Rainfield. Den benutzte er vor Politikern immer. Niemand brauchte seinen echten Namen zu wissen.
Stoler stand in Wien an einem Balkon und blickte auf das Geschehen auf dem Gehsteig. Blaulichter waren zu sehen und ein Team der Spurensicherung suchte gerade nach Beweisen. Der erste Schritt war erfolgreich gewesen. Dank der Unterstützung ihres Freundes war alles nach Plan verlaufen. Alles bis auf die drei Toten im Hotel. Doch Timothy hatte sich auch darum gekümmert. Sie würden vermutlich in wenigen Stunden gefunden werden. Vorausgesetzt, die Schleusenarbeiter kamen ihrer Tätigkeit gewissenhaft nach. Die Donau war ein gutes Mittel um Menschen verschwinden zu lassen. Zwar nicht für immer, doch zumindest würde diese Männer niemand mit dem Tatort in Verbindung bringen. Es wurde Zeit seinen Boss zu informieren. Sie würden diesen Gaber büßen lassen, für das was er in Spanien und Paris getan hatte.
Mike saß in einem Flugzeug, welches auf dem Weg nach Griechenland war. Er würde von Osten her zurückreisen. Dies würde vermutlich Wochen dauern, da er es in Betracht zog in Thailand für mindestens eine Woche unterzutauchen. Er musste jetzt unauffindbar bleiben. Aus den Nachrichten hatte er mitbekommen, dass der britische Botschafter getötet wurde. Er hatte diesen Mann getötet. Er dachte, es handele sich dabei um einen Russen namens Wladimir Tschenkov. Hatte er so kläglich versagt? Er hatte sein Ziel doch eindeutig identifiziert. Plötzlich kamen ihm Zweifel. Es war dunkel und kalt. Vielleicht hatte Mike wirklich Mist gebaut. Er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Fürs erste musste er seine Flucht planen. Um alles andere musste er sich nachher Gedanken machen.
„Wir haben ihn Sir.“, hieß es von Seiten der NSA. Tall war begeistert. Er hatte seinen Sündenbock, genau wie vereinbart. Warum sollte er nicht auch mal einen Erfolg für sich verbuchen können. Diese Typen von der CIA mussten endlich mal zurechtgewissen werden. Allen voran Jim West würde sein Fett wegbekommen. All die Jahre hatte er ihn gedemütigt, sogar erpresst. Jetzt würde er die Rechnung dafür präsentiert bekommen. „Wo ist er?“
„Auf dem Weg nach Zypern.“, erwiderte der Chefanalytiker.
„Ausgezeichnet. Miss Rush, Sie und Ihr Team machen sich sofort auf den Weg um Mr. Gaber unschädlich zu machen. Es ist mir egal was Sie tun müssen. Meinetwegen erschießen Sie ihn.“, befahl Tall.
„Sir?“
„Sie haben gehört was ich gesagt habe. Und jetzt los. Sie müssen unbedingt vor ihm in Griechenland sein sein. Ich habe dafür gesorgt, dass Sie mit einer Privatmaschine fliegen.“
„Verstanden. Ich bin schon auf dem Weg.“
Mit diesen Worten drehte sich die junge Ermittlerin um und eilte aus dem Gebäude. Sie musste sich jetzt beeilen.
Mike verschwand in der Toilette des Flughafens und wechselte seine Kleidung. Er musste jetzt unauffällig wirken. Dafür ließ er den Mantel samt Pass verschwinden und holte aus seiner Reisetasche seinen Zweitpass. Niemand wusste, dass er diesen Pass hatte. Niemand, nicht mal die CIA hatte Kenntnis davon. Mike war damals nicht umsonst so ein übervorsichtiger Agent geworden. Er wollte unbehelligt verschwinden können. Mit diesem Pass würde er vorerst mal in Istanbul versuchen unterzutauchen.
Die Maschine hob am frühen Morgen ab. Es wurde Zeit etwas Abstand zu den Leuten die hinter ihm her waren zu gewinnen. In wenigen Stunden würde er in Istanbul landen. Dort würde er alles vernichten was ihn mit diesem Einsatz in Verbindung brachte. Er wollte so gut es ging unsichtbar bleiben. Nicht auffallen hieß die Devise von nun an. Vielleicht für immer. Er dachte während des Fluges an Sharon und was sie wohl in diesem Moment tat. Sie hasste ihn bestimmt. Sie wusste, womit er sein Geld verdiente und würde ihm diese Tat zuschreiben. Mike lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Er sah sie vor sich. Ihr Lachen und ihre Augen, beides hatte ihn vom ersten Moment an verzaubert. Warum nur, hatte er sich hinreißen lassen für die CIA zu arbeiten? Seit dieser Zeit steckte er jedes Mal tief in der Scheiße und jedes Mal musste er selbst klar kommen. Aber dafür war er ausgebildet worden. Dafür war er nun mal da. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er war damals freiwillig mitgekommen. Verdammt, mit beinahe 25 Jahren hatte Mike schon an die zwanzig Personen getötet. Alles Auftragsmorde. Er war nichts anderes als ein kaltblütiger Mörder. Doch diese Erkenntnis kam zu spät. Er war nun mittendrin und es gab kein Zurück mehr. Nicht aus dieser Angelegenheit. Mike hätte ein normales Leben führen können. Doch jetzt war diese Tür zu und fest verschlossen. Er hatte diesen Weg bereitwillig eingeschlagen seinem Land zu helfen um Terroristen zu beseitigen und Anschläge zu verhindern. Dann kam wieder dieses Pflichtgefühl in ihm hoch. Dieses Pflichtgefühl, welches ihn bisher angetrieben hatte. Es hatte ihn damals zur CIA gebracht, nachdem James und Erica Greyer ermordet wurden und er nichts tun konnte. Dieser Gedanken spornte ihn an. Er würde diese Männer aufspüren, so wie bisher auch. Sie hatten sich mit ihm angelegt und dafür würden sie bezahlen. Nun war Mike fest entschlossen seine Unschuld zu beweisen und die wahren Drahtzieher zur Strecke zu bringen. Ihm war jedes Mittel recht um diese Schweine zu finden. Sie wollten ihm eine Falle stellen. Er war zwar hineingetreten, doch nun war der Zeitpunkt gekommen zurückzuschlagen. Was wollten diese Männer gegen einen ausgebildeten Killer schon tun? Es stand zwar 1 zu 0 für diese Terroristen, doch er würde schon ein paar Tricks zeigen um wieder aufzuholen. Das letzte Wort war noch lange nicht gesprochen.
Rush stieg aus dem Privatjet aus und raste mit ihrem Team zum Flughafen. Dort gingen sie direkt zum Schalter und fragten nach einem gewissen Taylor Brandt. Er hatte vor einer Stunde ausgecheckt und den Flughafen anscheinend verlassen. Dann erhielt Pamela einen Anruf. Es waren Analytiker der NSA. „Er hat den Flughafen nicht verlassen. Er muss noch da sein. Keine Kamera hat ihn beim Verlassen gefilmt. Suchen Sie nach ihm. Lassen Sie sein Bild herumwandern. Vielleicht erkennt ihn ja jemand wieder.“
„Okay, mach ich. Haben Sie vielen Dank.“
Rainfield schüttelte nur den Kopf. „Anfänger.“, räusperte er sich.
„Haben Sie ein Problem mit meinen Methoden Mr. Smith? Ist Mr. Smith eigentlich Ihr richtiger Name?“
„Erstens: Ja. Zweitens: Geht Sie einen feuchten Dreck an.“
„Standard-Antwort?“
„Geht Sie auch einen feuchten Dreck an.“
Sharon wachte langsam auf. Ein Alptraum hatte sie geweckt. Sie musste an Mike denken. Was war ihm wohl zugestoßen? Niemand sagte ihr etwas, obwohl sie ja wohl ein Recht darauf hatte, zu erfahren was mit ihrem Liebling los war. Sie stand auf und blickte aus dem Fenster. Draußen war es dunkel. Doch etwas gefiel ihr nicht. Sie sah einen schwarzen Lieferwagen vor der Tür stehen. Irgendwas kam ihr an dem Gefährt nicht ganz geheuer vor. Sie konzentrierte ihren Blick auf die Fahrerseite, doch konnte nichts erkennen. Anscheinend war der Besitzer gerade unterwegs. Vielleicht bei einer Freundin. Dieser Gedanke entlockte ihr ein Grinsen. Sie legte sich wieder ins Bett und wollte bereits ihre Augen schließen, als sie ein komisches metallisches Geräusch an der Tür vernahm. Layla war mit ihrem Freund aus, deshalb war Sharon ganz allein. Sie sprang nervös aus ihrem Bett und versperrte zur Sicherheit ihre Schlafzimmertür. Sie wollte keine böse Überraschung erleben. Was würde Mike in so einer Situation tun? Die Antwort lag auf der Hand, er würde dem Typen die Scheiße aus dem Hirn prügeln, doch sie konnte so etwas doch nicht. Woher auch. Sie griff sich ihr Telefon und kramte in ihrer Handtasche nach der speziellen Nummer, die Mike ihr gegeben hatte. Sie fand den Zettel mit dem Gekritzel und wählte eilig die Nummer. Es läutete zwei Mal. Dann meldete sich eine Stimme.
West kam gerade in sein Büro, als das Telefon läutete. Er ging eilig ran und fragte: „Hier West, was kann ich für Sie tun?“
„Mein Name ist Sharon Dobbs, ich bin die Freundin von Michael Gaber. Jemand bricht in meine Wohnung ein. Bitte helfen Sie mir.“, bat die Frau verzweifelt.
Bei West gingen sofort die Alarmglocken los. Jemand hatte es vermutlich auf sie abgesehen, vielleicht sogar die Typen, die Mike eine Falle gestellt hatten.
„Miss Dobbs. Wo sind Sie?“
„In meinem Schlafzimmer.“
„Verschließen Sie die Tür.“
„Hab ich schon getan.“, erwiderte die junge Frau.
„Sehr gut. Haben Sie eine Waffe? Das kann alles sein, ein Baseballschläger, eine Pistole, ein Messer, egal was.“
„N… Nein. Ich hab nichts dergleichen. Ich hasse Waffen.“
Aber Mike liebte sie und der war quasi eine Waffe auf Beinen.
„Okay, ganz ruhig. Verhalten Sie sich ruhig und hoffen Sie das Beste. Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, ich komme persönlich vorbei und kümmere mich um Sie. Ich bin schon auf dem Weg.“
West rannte aus seinem Büro und eilte zu seinem Wagen. Er schwang sich hinters Steuer und raste vom Parkplatz. „Wo wohnen Sie?“, fragte er.
„In der 22. Straße Ecke Wilshire.“
„Bin schon auf dem Weg.“, erwiderte West und trat aufs Gas. Der altgediente Direktor der CIA, würde alles in seiner Macht stehende tun um die junge Frau vor Schaden zu bewahren. Er überging mal die Straßenverkehrsordnung und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit zu der genannten Adresse. Zwanzig Minuten später hatte er die Wohnung erreicht.
Sharon saß zusammengekauert in einer dunklen Ecke ihres Schlafzimmers und hatte eine Taschenlampe in der Hand. Sollte der Einbrecher hereinstürmen, dann würde sie ihm mit der Lampe genau ins Gesicht leuchten und die Chance nutzen um zu fliehen.
Milton stieß die Tür auf. Diese Dinger namens Vorhängekette waren ein Hindernis, welches nicht allzu schwer zu überwinden war. Schon gar nicht in einer Studentenbude. Er hielt seine USP Tactical hoch und ging langsam in die Wohnung. Diesmal war kein Gaber da, der auf sie aufpasste. Sie könnten sie leicht entführen und ihn dann mit ihr erpressen. Mal sehen, wie lange er sich beherrschen konnte ohne über sie herzufallen. Er hatte sie auf einem Foto gesehen und war sofort geil gewesen. Er kam sich selbst ziemlich pervers vor, doch irgendwie gefiel ihm der Gedanke mit der Beute. Sein Boss hatte ihn zwar gewarnt, er würde danach seinen Zorn zu spüren bekommen, aber fünfzehn Jahre Erfahrung als CIA Agent hatten ihn zu einem perfekten Killer gemacht. Hinter sich vernahm er eine Bewegung. Er fuhr herum und richtete seine Waffe auf ein Paar. Die Freundin von dieser Sharon. Sie fing an zu schreien, doch ein lautloser Schuss erstickte ihren Schrei auf der Stelle. Ihr Freund stand wie angewurzelt neben ihr und blickte fassungslos auf die Leiche. Ein zweiter Schuss beendete auch sein Leben. Dann machte er sich daran das Schlafzimmer der jungen Sharon Dobbs ausfindig zu machen. Er stieß gezielt Türen auf, bis eine verschlossen war. Das musste es sein. „Komm raus Süße. Ich tu dir doch nichts. Ich will doch nicht, dass du dich verletzt.“
Keine Antwort. „Komm schon Kleines. Du und ich wir wollen das doch gut überstehen, oder?“
Wieder keine Antwort. Jetzt war Schluss mit der netten freundlichen Tour. Er hämmerte gegen die Tür. „Du Miststück, öffne sofort diese beschissene Tür. Aber ein bisschen plötzlich sonst passiert noch was.“, brüllte er.
Er sah keinen Sinn darin sich noch mehr aufzuregen, also schritt er zur Tat und trat gegen die verschlossene Tür. Den Tritt platzierte er genau unter das Schloss. Die hölzerne Tür splitterte, doch das Schloss war noch heil.
Er trat noch Mals dagegen und diesmal flog die Tür mit einem lauten Poltern auf. Grelles Licht nahm ihm jedoch die Sicht. Diese Schlampe hatte doch glatt eine Taschenlampe auf ihn gerichtet. Cleveres Ding diese Sharon. „Warum hast du dummes Miststück nicht gleich die Tür geöffnet. Damit hättest du mir eine Menge Ärger erspart.“
„Mir nicht.“, drang es von hinten an ihn heran, doch noch ehe er sich umdrehen konnte, streckten zwei Schüsse aus einer schallgedämpften Waffe ihn nieder. Er hob nochmals den Kopf. Er wollte den Mistkerl sehen, der ihn da gerade so überrascht hatte.
West trat über den Typen hinweg und feuerte währenddessen nochmals auf den Mann. Dieser brach tot auf dem Fußboden zusammen. Diesmal endgültig. „Miss Dobbs?“, fragte er.
Sie nickte vorsichtig. „Ich bin Jim West, Direktor der Agency. Kommen Sie mit. Ich werde Sie hier rausschaffen, aber Sie müssen an mir dranbleiben. Ich warne Sie lieber vor. Ihre Freundin ist tot. Ebenso ihre Begleitung.“
Sharon konnte es nicht fassen. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund gepresst und unterdrückte die Tränen.
„Verdammt, wir haben keine Zeit für Gefühlsausbrüche. Der Typ könnte Verstärkung mitgebracht haben. Nun kommen Sie schon. Wir dürfen nicht hier bleiben.“
Er zog sie auf die Beine und lief mit ihr aus der Wohnung. „Draußen parkt ein Lieferwagen.“, sagte Sharon, komplett aufgelöst.
„Moment was?“, fragte West und trat an eines der Fenster. „Verdammt. Der Typ hat wirklich Verstärkung mitgebracht.“, fluchte er und beobachtete, was sich da draußen abspielte. Fünf Personen mit Maschinenpistolen stiegen aus dem Lieferwagen und liefen in Richtung Wohnhaus.
Fortsetzung folgt ...
MfG
M.V.V.M.