Kapitel 4
Schüsse flogen ihm um die Ohren. Er konnte die verängstigten Schreie der Touristen hören. Wie durch Geisterhand blickte er nach oben. Dort am Fenster stand sie. Ihr Blick traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Hilflos musste er zusehen wie sein Nichtstun, sie das Leben kostete. Sie hämmerte gegen das Fenster. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Er hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Seine Finger zitterten, sein Atem stockte. Dann wie aus dem Nichts wurde er an der Schulter gepackt. Ben drehte den Kopf und sah Johannes, seinen toten Kollegen. „Lass sie gehen Ben.“, hörte er seinen ehemals besten Freund sagen.
„Aber wie?“, fragte Ben mit lauter Stimme um die Schüsse zu übertönen.
„Mit der Zeit findest du die Antwort!“
Ein lautes Klingeln weckte ihn. Er atmete heftig ein und aus. Sein Kissen war verschwitzt. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und jede Faser seines Körpers stieß zusätzlichen Schweiß aus. Er beruhigte fürs Erste seine Atmung und erhob seinen müden Körper aus dem Bett. Danach ging er erst mal unter die Dusche. Nachdem er fertig war, ging er in die Küche und schaltete seine Kaffeemaschine ein. Bei jedem Schritt den er machte, musste er an diese Frau denken. Er hasste sich dafür, dass er die Frau zurückgelassen hatte. Er schnappte sich eine Tasse und knallte diese vor Wut gegen die Küchentür. Er stieß einen wütenden Schrei aus und trat mehrfach gegen das unterste Regal seines Küchentisches. Als er die Wut an seiner Einrichtung ausgelassen hatte, ging er in eine Ecke und sank dort auf den Boden. Er ließ alles raus. Tränen flossen über seine Wange und er hatte Mühe seine Konzentration aufrechtzuerhalten. Nach langer Zeit der Trauer erhob er sich. Seine Muskeln funktionierten noch und sein Verstand auch. Er war noch nicht verrückt, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt.
Ein lautes Hämmern riss ihn aus seinen Gedanken. Jemand klopfte an seiner Tür. Ben ignorierte es, er wollte keinen Besuch und schon gar nicht von seiner Tochter. „Ben, bist du da?“, fragte eine bekannte Stimme. Ben überlegte lange ob er antworten sollte oder ob er einfach warten sollte bis der Besucher weg war. Schließlich entschloss er sich dazu zu antworten: „Die Tür ist offen Richard.“
Gesagt getan. Ben hörte wie die Klinke heruntergedrückt wurde und sein Kollege eintrat.
„Ich wollte mit dir wegen der Angelegenheit in Akalumba sprechen.“, überging Richard die Begrüßung. „Klar, setz dich doch.“, antwortete Ben und zeigte auf einen ledernen Barhocker in der Küche. „Ich kenne da jemanden, der dir über dein Problem hinweghelfen kann …“
„Und wen?“, fuhr Ben ihm dazwischen.
„Doktor Heidenbrau.“
„Doktor von was?“, verlangte Ben zu erfahren.
„Doktor der Psychologie.“, gab ihm Richard als Antwort.
„Ich bin nicht so verzweifelt. Es geht mir gut.“, beschwichtigte Ben ihn. „Ben, das geht doch nicht einfach so an einem vorüber.“
Ben blickte ihn an und dachte nach ob, er ihn über seine Entscheidung unterrichten sollte, entschied sich dann aber dagegen.
Doch Richard registrierte den langen Weg des Überlegens und sagt dann mit ungläubiger Stimme: „Du willst doch nicht etwa … du hast keine Chance. Du hast selbst gesehen, wie knapp das war. Vergiss nicht, wir waren zu viert und hatten fast keine Chance.“
Ben zögerte mit einer Antwort. „Ich habe alleine eine bessere Chance. Ich war nicht umsonst vier Jahre lang beim Jagdkommando. Ich habe mehr als nur eine Operation hinter feindlichen Linien durchgeführt.“ erklärte er. Ehe Richard etwas erwidern konnte setzte Ben fort: „Ich weiß, in meiner Akte steht, dass ich nur in Albanien war. Das war der einzige offizielle Auftrag, ich habe viele solcher Aufträge gehabt und habe sie alle erfüllt. Und vergiss nicht, ich war für fünf Jahre lang in Asien und habe dort verschiedene Nahkampftechniken erlernt.“
Schweigend stand Richard auf und ging zur Tür hinaus.
Ben hingegen schnappte sich sein Handy und wählte eine Nummer. „Stefan? Ja ich bin es Ben. Hörzu du müsstest mir einen Gefallen tun.“
Akalumba
Montag, 1900 Uhr
Die kleine Privatmaschine setzte zur Landung an. Der erfahrene Pilot setzte auf der Landepiste auf und bremste die Maschine. „Wach auf Ben. Wir sind da.“, weckte der Pilot seinen Passagier. „Danke Stefan. Ich schulde dir was.“, antwortete dieser.
„Ach was, hab ich doch gern getan. Ich wünsch dir viel Glück und pass auf dich auf.“, verabschiedete der Pilot sich.
Ben schwang sich aus der Maschine und lief über das Feld des Flughafens. Die Sonne war bereits verschwunden und Bens Umfeld in Dunkelheit gehüllt. Im Schutze der Nacht versteckte er sich hinter einem Stapel Schachteln und checkte seine Umgebung. Niemand da, die Luft war rein und er konnte unbehelligt weitergehen.
Doch da war etwas, etwas dass ihm keine Ruhe ließ. Sein Instinkt sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte.
Er hatte so ein komisches Gefühl in der Magengegend. Vorsichtig blickte er sich nach allen Seiten um, doch er konnte nichts entdecken. Ben hatte nichts weiter als eine Schultergurttasche, in der seine Glock, mehrere Blend- und Rauchgranaten, ein Mehrzweckwerkzeug und sein militärisches Kampfmesser Platz fanden.
Als er sich wirklich sicher war allein zu sein, zog er weiter und suchte nach einem geeigneten Unterschlupf um dort sein Nachtlager aufzuschlagen. Es durfte nicht in der Nähe eines belebten Ortes sein und sollte möglichst abgelegen liegen um nicht sofort entdeckt zu werden. Eine von der Natur geformte Höhle wäre ein Anfang gewesen, doch inmitten dieses Waldes, würde es bei Nacht schwer sein eine dieser Höhlen zu finden. Er griff in seine beige Fotografen-Weste und holte einen Powerriegel hervor. Das letzte Mal als er diese aß, war als er noch beim Jagdkommando war und dort hinter feindlichen Linien operierte. Dort lernte er überleben, Nahkampf und wurde an feindlichen Waffen geschult. Er war dankbar, dass er damals in die Lehrgruppe 5 gegangen war. Dort wurde er zum perfekten Spion ausgebildet worden, dass einzige was er wirklich gut konnte. Der Rausch, wenn man tief in einem feindlichen Gebiet war und jederzeit gefangen genommen oder getötet werden konnte, erfüllte ihn mit einem Gefühl aus Ehrfurcht. Er vermisste seinen alten Job, der Adrenalinstoß, der einem die Kraft verlieh um Unmögliches umzusetzen, der Nervenkitzel bevor man in einem feindlichen und oftmals auch unwirtlichen Gebiet ausgesetzt wurde. Er fand eine leerstehende Hütte etwas abseits im Wald, fernab jeglicher Straßen oder Wohngebieten. Ben stieß die Tür auf und betrat vorsichtig das Innere der Hütte. Es rührte sich nichts und auch sonst, vernahm er kein Zeichen, dass darauf hindeutete, dass die Hütte bewohnt oder irgendwie anders genutzt wurde. Er wagte sich ins Innere vor und entdeckte außer einem Stuhl nichts, was ihm irgendwie als Bettunterlage dienen konnte. So legte er sich in den staubigen Boden und schloss die Augen.
Der nächste Morgen war hart. Seine Knochen, generell sein ganzer Körper schmerzte. Er streckte sich und blickte sich um. Es war 5.30 Uhr und die Sonne ging gerade erst auf. Die ersten Sonnenstrahlen wärmten sein Gesicht und ließen ihn wach werden. Er wagte einen Blick aus dem Fenster. Doch es schien alles ruhig zu sein. Er holte seine Glock aus der Tasche, repetierte sie und ließ in seinem Hosenbund verschwinden. Die vier Zusatzmagazine ließ er in seiner Weste verschwinden. Er holte zudem sein Messer aus der Tasche und ließ es in sein Holster verschwinden, welches er an seinem Gürtel befestigt hatte. Vorsichtig öffnete er die knarrende Türe und machte sich auf in den Wald. Er hielt diesen Weg für den Besten, da er mit höchster Wahrscheinlichkeit entdeckt würde, wenn er die Straße entlangwanderte. Auch wenn der Weg durch den Wald ein Umweg war, war es doch die sicherste Abkürzung. Vor allem konnte er hier im Falle eines Kampfes seine Vorteile ausspielen. Er war ausgebildet als Guerillakämpfer und konnte sehr gut unsichtbar werden. Doch sein Glück währte anscheinend nicht lang, denn hinter sich hörte er bereits einen Wagen, der langsam aber doch näher kam. Ben rannte los. Er hörte wilde Rufe hinter sich und plötzlich wurde das Feuer auf ihn eröffnet. Ben schlug haken und schlängelte sich durch die Bäume. Kugeln schlugen rund um ihn in die Umgebung ein. Er konnte den Luftzug der Kugeln deutlich spüren, ehe er sich klein machte und einen Abhang hinunterrollte. Unten angekommen zog er seine Waffe und richtete sie auf die beiden Soldaten, die gerade von der Ladefläche des Pickups sprangen. Er feuerte wild drauf los und durchsiebte die Wachen mit jeweils fünf Kugeln. Die restlichen sieben Schüsse jagte er ins Innere der Führerkabine. Er warf das leere Magazin aus, ließ das Magazin in seiner Weste verschwinden und zückte ein weiteres volles Magazin, welches er in die Waffe rammte und repetierte. Sein ursprünglicher Plan war nun zu Nichte gemacht. Doch er kam nicht zur Ruhe, denn es fielen bereits wieder Schüsse. Ben verschanzte sich hinter einem Baum und zog den Kopf ein, als ein paar Kugeln durch den Stamm des Baumes durchschlugen. Fischer fuhr herum und feuerte eine Salve Schüsse auf die Männer ab. Das Feuer wurde jedoch sofort erwidert und das mit vierfacher Stärke. Ben wog seine Chancen ab, doch er warf den Plan, zum nächsten Baum zu flüchten gleich wieder als Schüsse rund um ihn einschlugen und den Dreck hochschleuderten. Ben dachte fieberhaft über eine Lösung nach. Fischer sank auf seine Knie und atmete tief ein und aus, ehe er seine Waffe hob und herumwirbelte. Mit drei Schüssen durchsiebte er zwei Angreifer, zu mehr kam er jedoch nicht, den er hatte einen weiteren Schützen übersehen, der zwei Baumreihen weit entfernt stand und das Feuer eröffnete. Er warf sich zu Boden und machte sich so flach wie er nur konnte und tötete den Soldaten mit fünf Schüssen. Doch als er sich aufrichten wollte, wurde er von einem Gewehrkolben niedergestreckt.
Fortsetzung folgt ...
MfG
M.V.V.M.
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