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sven1421

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Samstag, 15. September 2012, 15:56

INSPEKTOR SVENSSON: ABSCHIEDSVORSTELLUNG

"Meine Zeit läuft ab. Der krönende Abschluß meines irdischen Wirkens, das Wiederholen einiger wertvoller Erinnerungen und ein letzter schmerzlicher Verlust bereiten mich darauf vor, die finale Reise anzutreten. Ich bin Inspektor Lukas Svensson, und hiermit beginnen die letzten 7 Tage meines Lebens".

EPISODE 15: Kostbare Erinnerung

Es fiel Lukas Svensson ausgesprochen schwer, seine Augen wieder zu öffnen. Und so blinzelte er anfangs auch nur dreimal ganz kurz. Tiefste Dunkelheit und blendender Sonnenschein wechselten einander dabei ab, wobei letzterer in den Augen des Ex-Inspektors jeweils ein geradezu höllisches Brennen verursachte. Dennoch vermochte Lukas bei jedem Blinzeln ein wenig mehr zu erkennen. Und so setzte sich in seinem Kopf langsam aus jenen drei einzelnen Momentaufnahmen seiner feuerrot entzündeten Augäpfel ein Bild davon zusammen, was sich um ihn herum abspielte. Er selbst lag scheinbar in einer Art Bett, spärlich bekleidet mit einem langen weißen Nachthemd, sorgsam umhüllt von einem himmlisch weichen Daunendeckbett. Am Fußende jenes Bettes aber nahm er die schattigen Umrisse zweier Frauengestalten wahr, die ihm den Rücken zugekehrt hatten und sich dabei angeregt flüsternd miteinander unterhielten. Ihre Stimmen kamen Lukas dabei eigenartig vertraut vor, ohne daß er auch nur einer von Beiden in diesem Moment einen Namen oder ein Gesicht zuordnen konnte. Die Frau mit den kürzeren Haaren fragte gerade ein wenig bedrückt: "Was nun aber nur sollen werden aus Büro für privates Ermittlung in Baker Street, welches haben eröffnet damals Luki und Deine Charlie, liebes Claudia?! Jetzt wo Charles nicht mehr sein da?!". Die Frau mit dem langen Haar seufzte betrübt: "Ich hab keine Ahnung! Es steht wohl noch in den Sternen, ob Charlies Geschäftspartner Timmy die Detektei ganz allein weiterführen möchte. Zumal er sich ja auch nach meinem Ausscheiden erst einmal nach einer neuen Sekretärin umsehen und sie dann mühevoll einarbeiten müßte. Ach, ich weiß nicht! Hab im Moment ehrlich gesagt auch ganz andere Dinge um die Ohren. Die ganze Situation hat ja schließlich auch mich und den kleinen Mike L. einfach eiskalt überrascht. Und nun muß ich mich noch um so vieles kümmern, Du verstehst!". Noch einmal seufzte die langhaarige Frau mit der durchaus als formschön zu bezeichnenden Silhouette. Die kurzhaarige Frau zu ihrer Rechten aber streckte ihr deutlich sichtbar die Hand entgegen und erwiderte: "Du bitte entschuldigen, Claudia! Ich Dich auch nicht wollen länger halten auf, vieles Dank für Dein Besuch! Es sehr gut sein gewesen, zu können reden mit engvertrautes Mensch über das alles. Gerade jetzt, wo liegen mein Luki hier in Bett bei mir schon 36 Stunden in dieses anhaltende Bewußtlosigkeit, und Ärzte mir noch können nicht sagen, wann er endlich wieder werden aufwachen". In diesem Moment ergriff die langhaarige Frauengestalt mit beiden Händen die zittrige Hand der leise schluchzenden Kurzhaarigen und raunte: "Laß Dich davon nicht unterkriegen, Teuerste! Ich bin mir sicher, Dein Mann wird es schon bald schaffen, die Augen aufzuschlagen. Und dann wird er auch wieder ganz der Alte sein. Er war doch schließlich immer eine Kämpfernatur! So wie mein Charlie!". Jetzt schluchzten beide Frauen, während sich ihre schwarzgekleideten Konturen dabei langsam auf die Zimmertür zubewegten.

In Lukas Svenssons Hirn vollführten die Gedanken im selben Moment eine ständige Berg- und Talfahrt. Krampfhaft versuchte alles in ihm, sich zu erinnern. Doch es wollte ihm einfach nicht glücken. Nicht, daß da gar keine Erinnerungen waren - ganz im Gegenteil. Es tauchten sogar unendlich viele gleichzeitig vor seinem inneren Auge auf: Erinnerungen an seine Eltern, an eine deutsche Stadt in Trümmern, an eine Flucht über alle menschlichen Grenzen hinweg, an einen schrecklichen Autounfall an einem heiligen Abend, an einen grausam getöteten Angehörigen, an dunkle Stunden in einem sonnigen Kinderheim, an einen verirrten Querschläger in einem Kneipenhinterzimmer, an eine bezaubernd lächelnde russischstämmige Demonstrantin und ein kleines, wild strampelndes Baby auf seinem Arm. Dann aber war da auch noch ein mit 24 Messerstichen hingerichteter Mann in einem Zug, an dessen Grab gleich zwei schwarze Witwen standen, und zwei blutverschmierte Messer im Kofferraum eines Oldtimers. All diese Erinnerungsstücke tauchten auf und wieder ab - nur nicht diejenigen, nach denen Lukas suchte. Diejenigen, welche ihm verrieten, wo er sich jetzt gerade befand und wie er dorthin gekommen war. Warum um alles in der Welt war er denn bewußtlos gewesen? Und was hatte es mit diesen beiden Frauen auf sich, die sich vor seinen entzündeten Augen gerade immer weiter von ihm entfernten? Hatte ihn nicht die Kurzhaarige mit dem eigentümlichen russischen Akzent ihren Luki und sogar ihren Mann genannt? Dann war sie also seine Frau?! Aber warum klang ihre Stimme denn um so Vieles heller, als er sie von seiner standesamtlich Angetrauten in Erinnerung hatte? Und wer war die Andere, diese Claudia? Soweit er sich erinnern konnte, gab es im Bekanntenkreis seiner Gattin gar keine Frau mit diesem Namen. Und auch er kannte eigentlich nur eine Claudia - Claudia Palmer, die Sekretärin seines Yardchefs Harold Freakadelly. Die aber hatte in ihrem Umfeld seines Wissens nach weder je einen Mike L. noch einen Charlie erwähnt. Der einzige Charles, der Lukas einfiel, war Charles Wannabe - jener recht zwielichtige Erdenwurm, der als Speichellecker und Schwiegersohn des Yardchefs für seine eigene Karriere vermutlich sogar über Leichen zu gehen bereit war. Und dennoch erschien Svensson der Vorname Charles in Verbindung mit zwei dunklen Gestalten in diesem Augenblick wie ein Schlüssel, den er nur am Zugang zum verschlossenen Teil seines Gedächtnisses einstecken mußte, um dort die verlorene Erinnerung an das Zuletztgeschehene wiederzufinden. Lukas' bis dato fest zusammengepreßte Lippen versuchten, sich gegenüber den beiden gerade durch die Zimmertür entschwindenden Frauenschatten bemerkbar zu machen - doch so sehr er sich auch bemühte, es schien, als seien durch die spürbare Trockenheit seiner speichelfreien Mundhöhle Ober- und Unterlippe auf seltsame Weise fest miteinander verklebt. Kein einziger Laut drang durch sie von innen nach außen - nicht einmal der verzweifelte Schrei, den Lukas Svensson in Gedanken gerade ausstieß. Auch der Versuch des Ex-Inspektors, durch eine deutlich sichtbare Regung seines umfangreichen Leibs unter der Bettdecke auf sich aufmerksam zu machen, scheiterte. Sein Körper war in der augenblicklichen Verfassung dafür einfach noch viel zu schwach. Und so blieb ihm nichts weiter übrig, als den hinter der sich langsam schließenden Zimmertür nun endgültig entschwindenden Damen hilflos nachzustarren.

Eine Weile lang richtete Lukas daraufhin seinen Blick deprimiert nach oben an die kahle, weiße Zimmerdecke. Da lag er also nun, völlig alleingelassen - allein mit all seinen unzähligen Gedanken, die wild um ihn herum kreisten und ihn schließlich in einer Art Strudel mit sich hinabzogen in die tiefsten Tiefen seines Unterbewußtseins. Dort stieß er zugleich in einer Art Albtraum auf den Leibhaftigen, der aus einem allesverzehrenden Flammenmeer die Hände nach ihm ausstreckte und dabei breit grinsend und leise zischend mit leicht bömischen Akzent sprach: "Willkommen in meinem lodernden Reich! Laß mich Dein höllischer Führer sein! Von nun an wirst Du mir folgen bis in den bitteren und dennoch unvermeidlichen Heldentod! Ja, Du hast recht gehört! Bis in den Tod, nach dem Du Dich schon bald sehnen wirst! Denn ich werde Dir alles nehmen, was Du Dein nennst! Dein Ansehen, Deine Freunde, Dein Kind und am Ende sogar Deine über alles geliebte Frau! Und das in nur wenigen Tagen!". Einem hinkefüßig Marschierenden gleich stampfte er dazu sechsmal mit geradezu ohrenbetäubender Lautstärke auf den knochenharten Untergrund. Dann aber löste sich jene düstere Gestalt plötzlich wie im Nichts auf. Stattdessen erschien, inmitten eines schier unendlichen Ozeans aus himmelblauen Wolken, das große sonnige Lächeln einer gar blumigen Lichtgestalt, deren großer Keramikfuß beim Auftreffen auf seinem wolkigen Untergrund ein einzelnes leises glöckchenartiges Geräusch erzeugte. An der Unterseite jenes Keramikfußes aber entdeckte Svenssons aufmerksamer Blick einen kleinen unscheinbaren, rechteckigen, blauen Papierschnipsel, während der kernige Mund des Blumenwesens feierlich verkündete: "Eins, Lukas, kann Dir niemand nehmen: Deinen Glauben - jenen in Gottes Erdreich fest verwurzelten Glauben daran, daß ganz am Ende stets das Gute über das Böse siegt. Das Gute in Form der aufopfernden, allesüberwindenden Macht der Liebe!". Der Lukas umgebende diffuse Gedankenstrudel aber verkehrte sich noch im selben Augenblick und trug ihn mit sich wieder zurück nach oben über die Grenze seines eigenen Bewußtseins hinaus. Ein merkwürdiger Ruck ging dem Ex-Insektor dabei durch sämtliche Knochen, woraufhin sein schweißgebadeter Oberkörper zugleich - wie von Geisterhand bewegt - kerzengerade im Bett hochschnellte. Auch die bislang fest verschlossenen Lippen sprangen mit einem Male wieder weit auf und gaben voller Stolz, wenn auch nur schwach wispernd, von sich: "Welch kostbarer Moment! Auch wenn ich vieles noch immer nicht verstehe, so weiß ich dank jener traumatischen Offenbarung doch wenigstens wieder, worum es hier und jetzt in erster Linie geht!". Die zittrigen Finger seiner immer noch sehr geschwächt agierenden linken Hand ertasteten mühevoll den über dem Kopfende des Bettes an der Wand angebrachten roten Klingelknopf der Schwesternrufanlage, um sich dann mit aller Kraft auf ihn zu pressen, wozu sein dünnes Stimmchen zugleich unaufhörlich zu brummen begann: "Hallo, hallo! Ich muß sofort Ihre Majestät, die elizabethanische Frau Königin vom Großen Britanien sprechen!"

Immer deutlicher wurde jener Ausruf, der sich - aus Lukas' Kehle entspringend - lauthals Gehör zu verschaffen suchte, mit jeder der daraufhin noch folgenden unzähligen Wiederholungen. Und dennoch dauerte es nach dem Zeitempfinden Svenssons eine halbe Ewigkeit, bis die Zimmertür vor seinen Augen ruckartig aufgestoßen wurde. Dabei kreuzte in ihrem Rahmen zugleich schemenhaft die recht eindrucksvolle Silhouette eines breitschultrigen Mannsbildes auf, dessen Stimme - die dem sichtlich erschrockenen Lukas eigenartigerweise recht vertraut und vertrauenserweckend erschien - sanft raunte: "Aber, aber, mein Freund! Warum denn gleich nach der Königin schreien, täte es vielleicht nicht auch erst einmal eine etwas weniger blaublütige Pflegekraft oder aber ein Anwärter auf den Posten des Premierministers?! Und überhaupt: So wie Sie rumbrüllen, werden Sie am Ende mit Ihrem Geschrei noch Tote auferwecken!". Ein breites Grinsen huschte dazu über das Gesicht des langsam an Svenssons Bett herantretenden Mannes, während sich die verängstigte Mine des Ex-Inspektors nunmehr deutlich versteinerte. Sein königlicher Ruf verhallte und wurde nach einer Minute völliger Stille im Raum ersetzt von einem zaghaften: "Sind das wirklich Sie oder täuschen mich meine Sinne? Sie sind es doch, oder?! So sprechen Sie doch endlich!". Der breitschultrige Mann strich sich über die leicht zerzauste Haartracht, dann räusperte er sich kurz und kam schließlich Svenssons zuletzt geäußerter Aufforderung nach: "Aber natürlich bin ich es! Leibhaftig und in voller Lebensgröße. Ihr Ex-Partner Charles. Charles Wannabe". Ungläubig griff Svenssons zitternde rechte Hand nach dem Handrücken des vor ihm Stehenden und kniff dann mit den zusammengepreßten Nägeln von Daumen und Zeigenfinger recht unsanft zu. Der vermeintliche Ex-Partner des Ex-Inspektors zog mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Hand zurück und raunte: "Autsch! Was soll denn das, Lukas? Ich weiß ja, daß Sie bei ihren Mitmenschen gern mal einen bleibenden Eindruck hinterlassen, aber doch bitteschön nicht so!". Lukas Svensson aber erwiderte unverständig kopfschüttelnd: "Aber da war doch so ein Leichenwagen mit einem Blechsarg und zwei Männern in schwarzen Anzügen. Und die sprachen vom Heim, einem unvollständigen Zehzettel und einem hohen Tier bei der Polizei namens Charles?! Und da dachte ich ...". Prustendes Gelächter entströmte dem Gesicht des sich kräftig auf beide Schenkel klopfenden In-die-Hand-Gekniffenen: "Und da dachten Sie ernsthaft, der Tote in der Blechwanne sei ich?!". Das Lachen verstummte, und deutlich nachdenklicher ergänzte der Breitschultrige: "Obwohl, so abwägig ist der Gedanke nun auch wieder nicht. Schließlich hätte ich in jener Nacht um ein Haar tatsächlich das Zeitliche gesegnet. Dieser Teufelsbraten Derrik Crawler hatte ja seine Waffe schon auf mich gerichtet, während ich völlig wehrlos am Boden im Zimmer meiner Ex-Frau Janet lag und mit einem Blick ins kalte, unheilbringende Mündungsrohr mein letztes Stündlein gekommen sah. Zum Glück traf in diesem Moment ein ganz in der Nähe abrufbereit stationierter CI7-Einsatztrupp ein, dessen leitender Beamter meinen Angreifer mit einem gezielten Schuß unschädlich machte. Crawler verlor kurzzeitig das Bewußtsein und fiel dabei rücklings auf das Krankenbett Janets. Tja, was soll man da noch sagen?! Noch nicht mal in bewußtlosen Zustand kann der dreckige Lump die Finger von ihrem komatösen Leib lassen. Ich hab mir den Dreckskerl dann jedenfalls kurzerhand über die Schultern geworfen und ihn nach draußen getragen, wo unser junger Freund John Wayne Powerich als hinzugerufener Beamter des Yard ihn sogleich in Empfang nahm. Und jetzt, wo ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, diesen Verbrecher Crawler in vollem Umfang am Hals gehabt zu haben, weiß ich übrigens auch, warum ihn die Jungs bei der Antiterroreinheit stets als Schweren Jungen bezeichneten. Entweder seine Eisenhand wiegt einen halben Zentner oder der Terrorzwerg hat während seiner kriminellen Laufbahn an Fettmasse nochmal deutlich zugelegt. Aber egal, für die nächsten Jahrzehnte hat er bei Wasser und Brot hinter den stählernen Gardinen Ihres Heimatlandes erstmal jede Menge Zeit zum Abspecken". Hier unterbrach Lukas Svensson die Ansprache seines Gegenüber fürs erste, indem er empört ausrief: "Menschenskind, wie oft soll ich Ihnen das denn nun noch sagen, Wannabe?! Ich bin kein gebürtiger Schwede, sondern der Herkunft nach ein ostdeutscher Preuße! Äh, nein, ich meine natürlich ... ein deutscher Ostpreuße". Milde lächelnd winkte Charles Wannabe ab: "Hab's ja längst kapiert, alter Knabe! Und was nun die Sache mit dem toten Polizisten Charles angeht, das kann ich auch aufklären. Als ich nämlich zu jener mitternächtlichen Stunde den bewußtlosen Wurm Crawler am Haupteingang vor dem Heim ablieferte, nahmen zeitgleich zwei Beamte eines Bestattungsunternehmens aus der Kühlkammer des heimeigenen Leichenkellers den vor wenigen Tagen entschlafenen Heimbewohner und Ex-Polizeibeamten Charlie Siebert aus Zimmer 613 in Empfang. Ich hatte den Ärmsten vor ein paar Tagen beim Besuch seiner Frau in seinem Zimmer an zahllosen Schläuchen dahinvegetierend liegen sehen. Kein schöner Anblick, diese finale Phase einer Demenzerkrankung! Wenn ich daran denke, daß ...". Wannabes Redefluß stockte abrupt, und sein Blick wanderte verstohlen in Richtung seines alten Freundes Lukas, der immer noch leicht zitternd - einen Deckbettzipfel fest mit seinen etwas knochigen Händen umklammert - mit angezogenen Knien und weitaufgerissenen, dunkelumrandeten Augen im obersten Eck seines Bettes hockte. Eine kleine Träne verdrückte sich dabei aus Charles' linkem Auge, lief an seiner rasch erblassenden Wange herunter und tropfte schlußendlich, von Lukas gänzlich unbemerkt, zu Boden. Wannabe aber senkte noch in selber Sekunde sein Haupt, stieß einen leisen Stoßseufzer aus und raunte leise: "Mein Gott, laß doch bitte diesen Kelch an ihm vorbeigehen!". Dazu ergriffen seine Hände die zitternden Finger des Ex-Inspektors und umklammerten sie für einen Augenblick ganz fest.

Eine wwitere Person war derweil im Svenssonzimmer eingetroffen. Ein richtiger Kerl in den besten Jahren - in Bluejeans und Cowboystiefeln, hellblauem Poloshirt und schwarzer Wildlederjacke mit einem pechschwarzen Stetson auf dem Kopf. Er trug einen Tablet PC in Händen, auf dessem Touchscreen seine Finger die ganze Zeit über eine Art wilden Tanz vollführten. Auch die Augen an seinem leichtgesenkt gehaltenen Kopf klebten ununterbrochen am Bildschirm seines handlichen Computers, während er recht lässig ausrief: "Howdy Partners! Cee-Man, ich hab mir die von Ihnen angeforderte Akte dieses gemeinsam mit Cypher in Flammen aufgegangenen Jünglings besorgt. War dank der Videoaufzeichnung von der Überwachungskamera des Krematoriumsflurs gar kein Hit. Die Leuchtschrift über dem Verbrennungsofen zeigte doch vor Beginn der Kremation die dem Laien merkwürdig anmutende Zeichenfolge HELL0666 an, nicht wahr?! Vom Leiter des Krematoriums erfuhr ich, daß das Ganze eine Art Code ist, die die Identität des Einzuäschernden jederzeit eindeutig klärt. HELL steht dabei für die ersten vier Buchstaben des Nachnamens des Toten. Und 0666 ist die Identitätsnummer, die sich zusätzlich auch auf einem - dem Sarg beigelegten - Schamottstein befindet. Unsere Nummer 666 gehört dabei laut den Kremationsunterlagen zu einem schwedischen Botschaftersöhnchen namens Rodyn Hellsaand". Und einen weiteren lässigen Fingerdruck auf dem polierten Display ausführend, ergänzte der Hutträger: "Eine Kopie der Polizeiakte wird als PDF-File in diesem Moment via Bluetooth und einer eigens dafür entwickelten PDF-PDA-App an Ihren Westentaschencomputer gesendet, Charlie!". Charles Wannabe, der Lukas' Finger inzwischen wieder losgelassen hatte, schüttelte schmunzelnd seinen Kopf: "Jay Double-U Pee, ich bin echt beeindruckt! Ich hatte nämlich schon gedacht, unser alter Freund Lukas hätte Ihnen schon längst eingetrichtert, daß man Akten stets unbedingt schwarz auf weiß ausgedruckt vor sich haben muß, da auf die ganze moderne Technik ja eh kein Verlaß ist". Der Angesprochene nickte und zog dabei zugleich einen dicken Stapel sorgfältig zusammengehefteter Papiere unter seinem Tablet PC hervor: "Hat er auch! Nur geh ich nebenbei auch gern ein wenig mit der Zeit und fahr dann halt lieber zweigleisig!". Zugleich winkte er eifrig mit dem 24-seitigen Aktenpamflet vor Wannabes Augen herum und ergänzte: "By De Way kann man im Angesichte dessen hier wohl echt nicht sagen, daß das verbrannte Botschafterbübchen ein unbeschriebenes Blatt war. Der nordische Blondschopf mit Diplomatenstatus war wohl auch so einer dieser pervertierten Freizeitsatanisten, die nach ihrem vorzeitigen Schulabgang gern mal in ihr kleines Schwarzes schlüpfen und in dunklen Friedhofsecken des Nachts alten armen Ziegenböcken die anale Jungfräulichkeit raubten. In seinem Abschiedsbrief, den seine Eltern neben der Luxusbadewanne fanden, über deren Rand auch sein pulsaderdurchtrennter Arm lag, schrieb er am Ende recht mysteriös: 'Mit meinem freiwilligen Gang in die totale Finsternis tue ich die Botschaft meines Meisters kund ... RODYN HELLSAAND, LUKAS 4-5&6'. Ob sich das Lukas wohl indirekt auf meinen zukünftigen Schwiegervater beziehen soll?!". Powerich überlegte kurz, während seine Augen die zugeschickte Datei auf seinem, zuvor eilends aus der Hosentasche hervorgezogenen Pocket PC nebenher noch einmal selbst überflogen, dann meinte er: "Wenn dem so ist, dann sollte man das RODYN HELLSAAND LUKAS durchaus als ernstzunehmende, wenn auch leicht verschlüsselte Drohung ansehen ... ROT IN HELL, SAINT LUKAS! Und das sich daran anschließende 4,5,6 könnte dann unter Umständen so eine Art diabolischer Countdown sein". Lukas Svensson, der der Unterhaltung zwischen Wannabe und dem ihm gänzlich unbekannt erscheinenden Cowboy neben ihm bislang stumm beigewohnt hatte, erhob nun sowohl seinen rechten Zeigefinger als auch die etwas heiser gewordene Stimme, mit der er aufgeregt bat: "Hören Sie, Wannabe, reichen Sie mir mal die Bibel vom Nachtschränkchen!". Charles starrte einen Moment lang verblüfft zu seinem Expartner herüber, dann aber tat er wie ihm geheißen. Lukas' Finger durchwühlten einige Sekunden aufgeregt die dargereichte Heilige Schrift, bis sie an einer ganz bestimmten Stelle des Neuen Testaments innehielten, wozu Svensson gedankenverloren anmerkte: "Lukas-Evangelium Kapitel 4 Vers 5 und 6: 'Und der Teufel führte ihn hoch hinauf und zeigte ihm alle Reiche der Welt in einem Augenblick und sprach zu ihm: Alle diese Macht will ich dir geben und ihre Herrlichkeit, denn sie ist mir übergeben und ich gebe sie, wem ich will'. Nein, Wannabe, das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen". Und sich seines vorherigen Traumerlebnisses entsinnend, ergänzte der Ex-Inspektor rasch: "Ein teuflisches Versprechen, das in einer Art Albtraum mit ein einer höllischen Einladung an mich einherging. Eine, der ich vielleicht schon allein deshalb nachkommen sollte, um mich so auch endlich einmal meiner dunklen Seite zu stellen, bevor ich im Lichte himmlischer Unendlichkeit auf ewig meinen Seelenfrieden finden kann ... Aber Moment mal, da war doch noch etwas ganz anderes in meinem Traum!". Svensson dachte angestrengt nach, dann raunte er: "Sonniges Lächeln, blumige Lichtgestalt, kerniger Mund, großer Keramikfuß mit rechteckigem kleinen Papierschnipsel an der Unterseite ... und ein himmelblauer Ozean ... Himmelblau wie die blaue Mauritius. Aber ja, natürlich die Marke! Darum wollte ich die Königin sprechen! Sie gehört ihr!". Charles Wannabe nickte traurig: "Stimmt, teurer Freund, die blaue Mauritius auf dem Brief, den Sie von Ihrem verstorbenen Onkel Fritz aus Berlin bekommen haben, entstammte dem Besitz Ihrer Majestät Queen Elizabeth II. Sie gelangte über einen ihrer Diener, der sie vor einem räuberischen Diebstahlversuch in Sicherheit zu bringen versuchte, nach Berlin. Der Diener wie auch Ihr Onkel mußten wegen der kostbaren Marke ihr Leben lassen, und auch Sie und Ihre Yelena befanden sich wegen ihr kurzzeitig in äußerster Lebensgefahr. Dennoch war am Ende alles ganz umsonst. Das Überwachungsvideo aus dem Krematorium beweist nämlich leider auch zweifelsfrei, daß Cypher während seiner Kremation den besagten Brief bei sich trug. Der Brief ist mit Lou Cypher verbrannt, und mit diesem Ungeheuer auch die ungeheuer wertvolle Briefmarke". Völlig entfesselt begannen Lukas' Hände bei diesen Worten Wannabes durch die Luft zu wirbeln, wozu er gänzlich aufgebracht stotterte: "Brief ja ... Marke nein ... David ... Stern ... Fälschung ... Kopierstift ... Sonne ... Blume ... Topf ... Mauritius!". Dann sank der aufgebrachte Ex-Inspektor völlig erschöpft in sich zusammen und schlief auf der Stelle fest ein.

Der Cowboyhut trat derweil an Charles Wannabe heran und raunte: "Oh je, jetzt ist er völlig durchgedreht! Naja, kein Wunder! Der Schock und die Krankheit! Das ist einfach zuviel für einen alten Mann wie ihn! Da verliert man dann schnell den Verstand!". Wannabe aber schüttelte nur mitleidig den Kopf und sprach mit fester Stimme: "Johnnieboy, Sie kennen unseren Freund Svensson noch nicht so lang und so gut wie ich. Sonst wüßten Sie, daß an dem, was er sagt, am Ende stets noch immer etwas Wahres dran war, so unglaublich und unwahrscheinlich es anfangs auch geklungen haben mag.Und darum glaub ich auch weiterhin ganz fest an ihn und seine göttliche Gabe, in jeder noch so vertrackten Situation auf seine eigene unkonventionelle Art zur rechten Zeit die nötigen Hinweise zu finden und daraus dann genau die richtigen Schlüsse zu ziehen. Also, was kann er nur gemeint haben? In seinen Ausführungen eben traten doch zweimal kurz hintereinander die Worte Sonne und Blume auf, wenn ich mich recht entsinne, nicht wahr?!". Der cowboybehütete John Wayne Powerich strich sich mit dem ausgesteckten Zeigefinger mehrmals auffällig unter der Nase entlang: "Yippie, ich hab's! Lisa und ich haben ihm doch diese Topfpflanze geschenkt, aus der er dann einige der Sonnenblumenkerne herausgepult hat, wobei eine Art lächelndes Gesicht entstand, mit dem er sich immer wieder unterhielt. Da auf seinem Nachttisch steht das Teil ja". Die beiden Männeraugenpaare blickten zeitgleich auf Sunny Flower II., die dort auf Svenssons Nachtschränkchen - über ihren blauen Keramiktopf herausragend - in aller Seelenruhe trohnte. Charles Wannabe aber war mit nur einem einzigen großen Schritt sogleich bei der liebevoll verunstalteten Topfpflanze, wobei er mit zitternden Händen aufgeregt deren blauen Keramiktopf in die Lüfte erhob und einen Blick darunter warf. Dort aber klebte ein kleines Folientütchen, aus dem ein unscheinbarer blauer rechteckiger Papierschnipsel hervorschien, welcher bei näherer Betrachtung das Antlitz der ehemaligen Queen Victoria und dazu ringsum ganz am Rande in schneeweißen Lettern die Aufschrift "Post Office - Postage - Mauritius - Two Pence" trug ...

Wie ein kleines Kind beim Auspacken seiner Weihnachtsgeschenke strahlte Charles Wannabe über das ganze Gesicht, als er den kleinen Folienbeutel vom Topfboden langsam abzog und ihn dabei vorsichtig öffnete. Er stellte Sunny Flower II samt ihrem töpfernen Keramikthron auf der Nachttischplatte ab, zog mit der dadurch freigewordenen Hand das unmittelbar darunter befindliche Schubfach auf und holte mit geübtem Zweifingergriff aus einem kleinen Lederetui einen Nasenhaarentferner hervor, den er sogleich als Pinzette mißbrauchte und damit die Blaue Mauritius nun Stück um Stück aus ihrer leicht zu durchschauenden Folienhaft befreite. Mit prüfendem Blick betrachtete er die wertgeschätzte Markengeisel von allen Seiten, dann stellte er zufrieden lächelnd fest: "Völlig unversehrt und in einem 1A-Zustand, das teure Fundstück!". Sanft, ja geradezu liebevoll, ließ er den blaublütigen Markenartikel anschließend wieder in seine schlichte Folienhülle zurückgleiten, übergab den neben ihm stehenden Powerich das Tütchen und meinte andächtig: "Ihnen, mein Bester, kommt nun die wichtige Aufgabe zu, dieses edle Gut unbeschadet in den Buckingham Palace zu bringen, wo es dann endlich wieder in den Besitz seiner rechtmäßigen Eigentümerin übergehen kann. Ich hingegen werde Sie unterdess dort schon einmal telefonisch avisieren". Der zukünftige Svensson-Schwiegersohn aber staunte nicht schlecht: "Sie vertrauen mir die Blaue Mauritius aus dem Hause unseres Kronjuwels Lizzy II an. Der unscheinbare alte Fetzen ist doch sicher ein paar ordentliche Pfund schwer, oder?!". Wannabe schüttelte, während er sich seine Baumwollhandschuhe langsam wieder von den Fingern streifte, gedankenversunken den Kopf: "Ach, diese Jugend! Redet von Ihrer Majestät, der ehrwürdigen Königin, wie von einem Popidol und von einem ihrer wertvollsten Schätzchen wie von einem übergewichtigen Sumoringer. Ein paar ordentliche Pfunde?! Eine ungebrauchte Blaue Mauritius von ähnlicher Qualität brachte bei Versteigerungen seinem Vorbesitzer schon mal gut und gern mehr als 1 Million Euro ein, also umgerechnet knapp 864000 Britische Pfund". John Wayne stieß leise einen anerkennenden Pfiff durch die kleine Zahnlücke seiner unteren Gebißreihe aus: "864 Riesen auf so einem hauchdünnen Papierzwerg. Angesichts dieser Wertschätzung werd ich meiner Rosi aber jetzt gleich ordentlich die Sporen geben müssen". Ein paar zusätzliche Fältchen zeichneten sich bei dieser Bemerkung auf Charles Wannabes eh schon recht zerfurchter Stirn ab, worauf er auch sogleich beim - inzwischen schon im Aufbruch begriffenen - Leiter der Mordkommission nachhakte: "Ihre Rosi?! Gibt es da etwa etwas, worüber ich mir als bester Freund vom Vater der Braut Sorgen machen sollte?!". Powerich aber zwinkerte ihm nur milde lächelnd zu: "Mitnichten, Partner! Meine heißgeliebte Rosi ist ja gar kein Frauenzimmer und erst recht kein Seitensprung. Obwohl man, wenn sie einem zu nahe kommt, doch schnell mal zum Seitenspringer werden könnte. Rosi ist nämlich ein kleines Eselchen aus Draht, das unten am Haupteingang angelehnt schon sehnsüchig auf meine Wiederkehr wartet. Und seinen femininen Namen verdankt mein Gefährt der Tatsache, daß ich schon als kleiner Kau-Boy ein glühender Verehrer von Don Quixote in seinem unerschütterlichen Kampf gegen die übermächtig erscheinenden Windmühlen war. Angesichts dessen sollte an meinem zehnten Geburtstag auch mein erstes eigenes Fahrrad mit Stützrädern den Namen seiner alten Schindmähre auf den querstangigen Leib gepinselt bekommen. Voller Eifer strich Klein Johnny also in leuchtendstem Paule-Panther-Rosarot die ersten vier Buchstaben des Pferdenamens aufs unionjackgefärbte Stangenrohr, bis ich zu meinem Entsetzen bemerkte, daß ich damit auch schon am Ende der Fahnenstange angelangt war. Und so kam es eben dazu, daß ich mein Fahrrad fortan kurzerhand Rosi nannte - und mit ihm auch all seine zahllosen, meist irgendwann im hauptstädtischen Verkehrsdschungelkrieg komplett geschrotteten Nachfolgemodelle". Ahnungsvoll tippte sich Charles Wannabe zu seiner Rechten an die nun schon wieder etwas faltenlosere Stirn: "Ach, dann ist das gänzlich ungesicherte, in schimmeligem Weiß angestrichene stählerne Roß mit den beiden ledernen Satteltaschen und den Steigbügeln über der Querlatte und dem langen künstlichen Pferdehaarschweif am Gepäckträger wohl Ihr besagtes Geh-Pferd?!". Powerich nickte eifrig und präsentierte dem Fragesteller dazu seine breite, stolzgeschwellte Brust: "Ganz recht, Adlerauge Charlie! Ein Fahrradschloß hab ich noch nie besessen, bin ja schließlich auch gar nicht der Typ für einen Schloßherrn. Zu einem richtigen Zossen fehlen meiner Rosi hingegen wohl nur noch die Zügel. Aber auf die verzichte ich gern, denn im rasanten Verkehr der Großstadt mag ich es doch eher zügellos! In diesem Sinne: Bis die Tage!". Sprachs und war mit einigen kurzen Sätzen seiner Sieben-Meilen-Cowboyboots der noch immer offenstehenden Zimmertür entsprungen. Auf dem Flur aber hielt der Dahineilende noch einmal kurz inne und rief: "Cee Double You, soll ich Ihnen vielleicht noch rasch die Telefonnummer vom Buckingham Palace mittels meiner neuen Yellow Pages App aus meinem Tablet PC hervorzaubern?!". Aus dem Svenssonzimmer aber verkündete Charles Wannabes tiefes Organ raunend: "Danke vielmals, ist aber nicht nötig! Ich habe dank meiner inzwischen weitreichenden Kontakte zum Königshaus in meinem Smartphone sogar schon die Direktdurchwahl zu Ihrer Majestät, Queen Elizabeth II, abgespeichert. Sie wissen schon: Das ist die, die sie als Lizzy II zu betiteln pflegen!". Draußen wie drinnen wurde daraufhin je ein grinsendes Haupt geschüttelt, wobei der nun bereits wieder raschen Schrittes in Richtung Fahrstuhl enteilende Powerich lauthals ausrief: "So long, Sie spätfeudales Königskind!". Der zurückgebliebene Wannabe hingegen tönte umgehend zurück: "Gott schütze England, Ihre Majestät und im besten Fall sogar einen wie Dich, Du oller grünschnäbliger Prolet!".

Ein paar Sekunden verstrichen, dann holte Charles Wannabe das goldige Smartphone aus seiner Anzugjackentasche hervor. Seine Fingerspitzen hüpften eifrig über den Touchscreen und entlockten ihm dabei den Telefonbucheintrag "HM Queen Elizabeth II". Er stubste den darunterliegenden "Call"-Button einmal sachte an, dann führte das Handy an sein Ohr, wobei er am Ausbleiben jeglichen Rufzeichens zu seinem Erstaunen feststellte, daß er hier im Raum scheinbar momentan kein Netz hatte. Und so warf er noch einen flüchtigen Blick auf den vor ihm leise schnarchenden Ex-Inspektor, verließ dann leisen Fußes das Zimmer und schloß dessen Türe vorsichtig hinter sich. Auf dem Flur aber begab er sich mit dem Telefon am Ohr raschen Schriittes in den Aufenthaltsraum neben der Teeküche, wo er nun endlich das langersehnte Freizeichen zu hören bekam. Wenige Sekunden später aber ertönte schon die freundliche Stimme einer älteren Dame: "Ja bitte, Sie wünschen?!". Charles räusperte sich einmal kurz, während sein angespannter Körper in diesem Moment innerlich einen leichten Hofknicks vollführte, dann sprach er mit feierlichem Klang in seiner Stimme: "Eure Majestät, Ich darf Euch untertänigst verkünden, daß die verlorengelaubte Briefmarke aus dem Besitz des britischen Königshauses dank meines ehrenwerten Freundes und langjährigen Yardinspektors Lukas Svensson nun doch wieder völlig unbeschadet aufgetaucht ist. Sie befindet sich mittels eines äußerst zuverlässigen und in meinen Augen über alle Zweifel erhabenen Fahrradkuriers namens John Wayne Powerich, seines Zeichens amtierender Leiter der Mordkommission von Scotland Yard, auf direktem Weg zu Ihnen in den Buckingham Palace". Am anderen Ende des Leitung war es einen Moment lang andächtig still, dann aber verkündete die königliche Stimme: "Mein sehr geehrter Charles, das ist ja einfach unglaublich, was Sie mir da berichten. Ich kann es ehrlich gesagt kaum erwarten, Ihren Boten in Kürze hier bei mir im Palast zu empfangen. Und es ist mir ein tiefes innerliches Bedürfnis, mich auch bei Ihnen und bei unserem Freund, Mister Svensson, persönlich zu bedanken. Ja, es wäre mir sogar eine große Ehre, den ehrenwerten Lukas Svensson bezüglich seiner Verdienste für unser Land am morgigen Tage in einer öffentlichen Zeremonie zum Ritter der Krone zu schlagen und ihn damit als Sir in den britischen Adelsstand zu erheben. Richten Sie ihm bitte die besten Grüße und den unumschränkten Dank des gesamten Königshauses und auch der gesamten Nation aus! Habe die Ehre, Charles! Ach ja, und wenn ich noch irgend etwas für Sie tun kann, dann scheuen Sie sich nicht, es mir mitzuteilen!". Wieder vollzog Wannabe innerlich eine tiefe Verbeugung, wozu er geradezu euphorisch verlautbarte: "Gott schütze Sie, Eure Majestät! Sie und alle Ihre Untertanen!". Bei diesen Worten schweifte sein Blick eher zufällig in Richtung des angrenzenden Aufenthaltsraums, in dem auf den zahlreichen Holzstühlen an den kleinen Tischen eine größere Anzahl von Heimbewohnern schlafend oder leise vor sich her murmelnd vor dem nebenher laufenden Fernsehgerät hockte. Kleine unscheinbare Tränchen fluteten Charles Wannabes Augen, während er flüsternd ins Telefon hineinhauchte: "Eure Majestät, ich glaube, da gäbe es schon etwas, was Sie tun könnten! Wenn Sie mal eben einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand hätten ...".

Noch während Wannabe mit der Königin telefonierte, öffnete sich - von ihm gänzlich unbemerkt - ein paar Meter entfernt in seinem Rücken die Tür des größeren Fahrstuhls. Heraus traten Yelena Svensson und an ihrer Seite der Hausarzt der Svenssons, der seiner Patientin in diesem Moment erklärte: "Ich habe jetzt die Auswertung der gestrigen Untersuchungsergebnisse und Blutwerte von Ihnen und Ihrem Gatten erhalten. Und ich mache mir ehrlich gesagt große Sorgen, Misses Svensson!". Yelena schaute den Doktor mit großen, entsetzen Augen an: "Was Sie meinen damit?! Mein geliebtes Luki haben etwa ernstes Problem mit Gesundheit?!". Der Mediziner aber schüttelte nur eifrig den Kopf: "Nein, meine Liebe, nicht Ihr Mann ist es, dessen gesundheitlicher Zustand mir Sorgen macht, sondern vielmehr Sie! Die Sauerstoffsättigung in Ihrem Blut ist viel zu gering. Und Ihre komplette Lunge weist äußerlich eine Art seltener Verschwartung auf, ursächlich wohl von einer früheren Überdosierung des inzwischen weltweit verbotenen Betäubungsmittels Airethin herrührend. In der medizinschen Fachsprache wird ihr Leiden nach dem ersten Menschen, bei dem es nachweislich auftrat, auch als Hellmuth-Krause_syndrom bezeichnet. Die millimeterdicke Schwarte um ihre Lungenflügel herum führt dabei immer wieder zu Problemen beim Luftholen und besonders nachts unter Umständen sogar zu recht bedrohlichen Atemaussetzern. Lebensbedrohlich aber könnte es in dem Moment werden, da sich die Verschwartung mit einem Male ruckartig von der Lunge löst. Die Lunge würde den damit einhergehenden kurzzeitigen Stabilitätsverlust dann vermutlich dadurch zu kompensieren versuchen, daß sie sämtliche ihrer Bläschen weit über das normale Maß hinweg mit Sauerstoff auffüllt. In der Folge könnten die Lungenbläschen allesamt zerplatzen, und die Lunge würde vollkommen in sich zusammenfallen. Das aber hätte dann den unmittelbaren Tod zur Folge". Yelena Svensson aber winkte unbeeindruckt ab: "Ich das kennen! Ihr Menschen mit weißes Kittel immer gleich aufmalen, was man auch nennen Wurst-Käse-Szenarium!". Der Arzt an ihrer Seite sah sie eindringlich an: "Was Sie meinen, ist ein Worst-Case-Scenario. Und in Ihrem momentanen Zustand kann der schlimmste Fall leider schneller eintreten, als es uns Beiden lieb wäre. Ganz im Ernst, Misses Svensson: Wenn Sie sich nicht ab sofort deutlich schonen, dann sehe ich bedauerlicherweise rabenschwarz für Sie. Natürlich kann und werde ich Ihnen für den Notfall ein recht effektives Atemspray verschreiben, das Sie bitte stets bei sich führen. Aber ohne ein Ruhigertreten von Ihrer Seite wird auch das am Ende nicht viel auszurichten vermögen. Ich hoffe, wir haben uns da jetzt richtig verstanden?!". Ein wenig bedrückt wirkend, senkte sich Yelenas Haupt, während sie kleinlaut bemerkte: "Natürlich, ich das haben verstanden! Aber wie ich mich sollen schonen, wenn mein geliebtes krankes Luki mich jetzt brauchen noch viel mehr als vorher jemals?!". Der Doktor zu ihrer Rechten zögerte einen Augenblick, dann antwortete er: "Sie müssen die Pflege Ihres Mannes hier im Heim eben mehr in die Hände der Schwestern und Pfleger legen und sich stattdessen erst einmal vorrangig selbst pflegen. Wollen Sie das bitte - auch im Interesse Ihres Mannes, aber vor allem auch in ihrem eigenen Interesse - tun?!". Yelenas gesenkter Kopf nickte schwach, wozu sie leise raunte: "Ja, ich es zumindest wollen versuchen!". Der Mann im weißen Kittel gab sich mit dieser hablherzig einsichtigen Auskunft fürs Erste zufrieden und streckte seiner Patientin mit einem verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr dabei gleichzeitig die Hand entgegen: "Es wird Zeit für mich, Misses Svensson. In der Klinik wartet nämlich noch eine künstliche Befruchtung auf mich. Wir sehen uns dann übermorgen wieder, wenn ich Ihren Lukas wieder einmal etwas genauer unter die Lupe nehme. Und Sie vermeiden mir bis dahin nach Möglichkeit jede Anstrengung und jeglichen Streß! Also, bis dann!". Mit diesen Worten machte er auf dem Hacken kehrt und ging dann bedächtigen Schrittes zum Lift zurück. Yelena aber erhob ihr leichtbetrübtes Haupt wieder und wischte sich einmal kräftig mit dem Handrücken über die glasig gewordenen Äuglein. Dazu setzte sie ein bemüht strahlendes Lächeln auf und lief dann mit forschem Schritt erwartungsvoll auf ihr Zimmer zu.

Beim Eintritt ins Innere des Raumes bemerkte sie sofort das zaghafte Blinzeln in den Augen ihres im äußersten oberen Betteck zusammengekauerten Ehegatten. Ohne lange nachzudenken, lief sie freudestrahlend auf ihn zu, hüfte zu ihm auf die Bettdecke und schlang beide Arme um seinen Hals. Dazu bedeckte sie sein ein wenig zuckendes Gesicht mit sanften Küssen und hauchte schluchzend: "Oh, mein liebes kleines Luki! Daß Du endlich wieder sein wach! Ich Dich haben so sehr vermißt! Und ich Dich müssen erzählen tausend neues Dinge ...". Lukas Svensson aber ergriff ihr zartes Köpfchen fest mit beiden Händen und drückte es einige Zentimeter von dem seinen weg. Dann sah er ihr minutenlang mit unbewegter Mine tief in die Augen und sprach schließlich: "Du bist es, nicht wahr?! Du bist meine Frau. Yelena Svensson, geborene Zladkaja. Aber ja doch, ich erinnere mich! Jetzt erinnere ich mich ja wieder! Ich hatte gerade den schwierigen Fall eines mysteriösen Mordes zu bearbeiten, in den unter anderem auch zwei Frauen und ein Zug verstrickt waren. Und Du, Du warst bei uns im Yard als Reinigungskraft angestellt. Wir haben den Tag und die Nacht meines zehnjährigen Yardjubiläums zusammen verbracht. Einen traumhaften Tag und eine unvergeßliche Nacht, der noch viele folgten. Wir wollten sogar heiraten, als ich in Rente ging. Aber dann warst Du weg! Verschollen! Und ich, ich hab Dich gesucht mit meinen Jungs, von denen einer ein Judas war. Mit ihnen zusammen hab ich erst Dich und dann auch noch einen ganz anderen Schatz gefunden. Und dann haben wir uns endlich getraut, uns zu trauen. Für immer und ewig, Mann und Frau! Ich hab mit Charles Wannabe eine Detektei eröffnet und gemeinsam den Fall eines verschwundenen Heiligen gelöst, wobei mein ehemaliger Erzrivale Charles selbst vom Saulus zum Paulus wurde. Doch auch dem Leibhaftigen haben wir dabei Auge in Auge gegenüber gestanden - der in der Gestalt eines gewissen Lou Cypher daherkam. Ich brachte ihn mobiltelefonisch zu Fall, und er versuchte anschließend, uns dafür das Leben zu nehmen. Das Leben und eine äußerst wertvolle Briefmarke aus dem Besitz der Königin von England. Beides aber hab ich vor ihm retten können. Vor ihm, jenem menschenverachtenden Teufel, der nach dem grausamen Mord an meinem Freund Jack Holmes vor meinen Augen in einem kleinen Krematorium ganz in der Nähe unseres Pflegeheims in Flammen aufgehend zur Hölle fuhr. Mein Gott, und ich hatte das alles schon ganz vergessen! Lou Cypher und seine Teufelsbrut, Jack Holmes, Charles Wannabe und Dich ... ja, sogar Dich, mein Liebling! Um Himmels willen, was ist denn nur los mit mir?! Wie um alles in der Welt konnte ich nur jemals vergessen, daß Du meine Frau bist - das Beste, was mir auf Erden je passiert ist, die Liebe meines Lebens, die unangefochtene Königin meines Herzens und das wohltuende Balsam für meine leidgeprüfte Seele". Heulendes Elend überkam Lukas, und sein kummervolles Haupt sank langsam hernieder und verbarg sich dabei wie von selbst zwischen jener wohlgeformten hügeligen Landschaft, die Yelenas weiche Brust unter dem kuschligwarmen Stoff ihres Wollpullis bildete. Derart liebvoll innig ineinander verstrickt, verharrte das Svenssonpaar einige kostbare Momente, bis nach einem noch recht zaghaftem Klopfen die Zimmertür aufsprang und Charles Wannabe eintrat. Er erblickte die Liebenden, und seine Wangen röteten sich ein wenig. Rasch suchten seine Augen den Bodenkontakt, während er leise zu stammeln begann: "Tschuldigung, ich ... also ich ... ich wollte nicht ... nicht stören! ... Aber die ... also die ... nun ja, Ihre ... unsere ... Majestät ... die Erste Frau im Staate ... Queen Elizabeth die Zweite ... Sie ... sie hält Einzug ... schon morgen ... hier im Heim ... also nur zu Besuch ... so als Gast, nicht zum hier Wohnen, versteht sich! ... Und Sie schlägt Sie ... äh Dich, Lukas ... also zum Ritter, Sir ... Ach, was red ich denn für Schwachsinn!". Charles atmete einmal ganz tief ein und aus, dann sprach er: "Also, Ihre Majestät erhebt Dich aufgrund Deines markigen Fundes am morgigen Tag hier vor Ort in den Adelsstand. Dazu wird es untem im Großen Speisesaal neben dem Foyer ein festliches Bankett geben. Der oberste königliche Zeremonienmeister klärt gerade alles dafür Erforderliche telefonisch mit der Einrichtungsleitung ab. Na, was sagst Du dazu, alter Knabe?!". Lukas, dessen Kopf sich längst wieder von seiner sanften Lagerstatt an Yelenas Busen erhoben hatte, sah Wannabe mit funkelnden Augen an, und erklärte: "Die englische Königin kommt hierher zu mir, um mich zu ehren?! Und aus dem gebürtigen Kraut Svensson wird auf seine alten Tage noch ein waschechter britischer Sir! Alter Schwede, da bin ich echt sprachlos!". Yelena aber, die zunächst nur erstaunt vor ihm auf der Bettdecke gehockt hatte, strich ihm liebevoll mehrmals über beide Wangenknochen und seufzte: "Du das längst haben verdient, für alles, was Du haben getan hinweg über vieles Jahre für Deine Land und sein Menschen. So, wie haben gutes altes Charlie verdient, bald zu sein neues Premiere-Minister von Großes Britanien und mit Claudia und kleines Ceddy zu ziehen ein in berühmte Haus in Downing Straße mit Nummer 10". Noch etwas ungläubig schaute Lukas zu seinem Expartner hinüber, der aber lächelte ihm zu und nickte: "Ja, mein Freund, das stimmt! Die bislang als Premier amtierende Kate Winslet-Keating wird sich in den kommenden Monaten aus privaten und gesundheitlichen Gründen gänzlich aus der Politik zurückziehen. Und ich gelte schon jetzt überall unter der Hand als aussichtsreichster Kandidat für ihre Nachfolge. Mitglied des britischen Unterhauses bin ich ja schon seit meiner Zeit als Antiterrorchef. Und die Mehrheit der Abgeordneten steht wohl gerade seit meines weihnachtlichen Sinneswandels vor einigen Jahren auch längst hinter mir und meinen Ansichten. Ist halt alles nur momentan noch nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt, Du verstehst?!".

Einen Moment lang wirkte Lukas Svensson äußerst nachdenklich, ja teilweise sogar irgendwie bestürzt, dann erklärte er: "Ja, ich versteh schon! Und mach Dir keine Sorgen, Dein kleines Geheimnis ist bei mir bestens aufgehoben. Wie ich mich kenne, hab ich es dank meines kranken Hirns spätestens übermorgen eh schon wieder vergessen. Und gratulieren kann und werde ich Dir natürlich dann auch erst, wenn es offiziell ist, Mister Premierminister, Sir. Aber Dir ganz fest die Daumen drücken, das tu ich jetzt schon! Denn es gibt meines Erachtens nach niemanden, der dieses Amt würdevoller bekleiden könnte als Du, mein Freund! Und weißt Du was?! Auch wenn Du mich jetzt sicher für gänzlich verrückt geworden hälst: Ich glaube, ich habe Dich vor einiger Zeit in einer Art merkwürdigem Traum sogar schon einmal - wenn auch unter etwas anderen Umständen - in jenem Amt gesehen". Damit winkte Svensson seinen Freund Charles ein wenig dichter zu sich heran, und leise flüsternd ergänzte er rasch: "Ich kann Dir zwar nicht sagen warum aber hüte Dich bitte stets vor dem möglicherweise recht explosiven neunten Tag des zwölften Monats eines jeden Jahres in Deinem zukünftigen Amtssitz!". Wannabe aber raunte dankbar zurück: "Ich vertraue, wie stets, Deinem weisen Gespür für traumatische Vorahnungen und werde Deinen - zugegebenermaßen recht mysteriösen - Ratschlag berücksichtigen! Danke, mein Freund, hab Dank für alles!". Minutenlang schüttelte Charles Wannabe daraufhin mit immer feuchter werdeneden Augen zeitgleich die Hände der beiden Svenssons, dann löste er sich schlagartig von Beiden und verabschiedete sich mit den Worten: "Ihr müßt mich jetzt schon entschuldigen, aber meine Claudi und ich haben noch soviel zu tun. Die Planung unseres eventuell bald bevorstehenden Umzugs und die Übergabe unserer Detektei an unseren Juniorpartner Timmy. Die Formalitäten der Scheidung von Janet und die endgültige Adoption von Mike L. Naja, wie dem auch sei, wir sehen uns ja dann morgen beim Besuch der Königin und am kommenden Gründonnerstag zum gemeinsamen Abendessen. Versprochen! In diesem Sinne, Euch noch einen schönen Abend!". Damit verließ er in raschem Tempo das Zimmer und über das Treppenhaus anschließend auch das Heim. Unten vorm Haupteingang aber warteten schon ein ziemlich außer Puste geratener und vom unverhofften Zusammentreffen mit der Queen sichtlich beeindruckter John Wayne Powerich nebst seinem Drahtesel und Charles First Lady Claudia, mit der er gemeinsam nun seinen nigelnagelneuen himmelblauen Minivan mit den wolkenweiß getönten Panzerglasscheiben bestieg und der langsam untergehenden Sonne entgegenfuhr, in Richtung seines unter Umständen schon in nächster Zeit zu räumenden Wohnsitzes ...

[Wird fortgesetzt]

+++ CRIMINAL MINDS +++ DALLAS +++ CASTLE +++ DOCTOR WHO +++ 24 +++

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