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sven1421

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Sonntag, 1. Januar 2012, 16:26

[KLOSTERTAGEBUCH #1] Stilleben mit Glocke - Ein klösterliches Gastspiel

VORWORT


Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen ... vor allem, wenn die Reise einen gewissen Schreiberling namens Sven Schindler - fernab alles Weltlichen - in ein Benediktinerkloster führt und er dabei von der ersten Stunde an mehrmals am Tage seine gesammten Erlebnisse und Eindrücke in einer Art Tagebuch festzuhalten versucht. Jene Aufzeichnungen mache ich nun an dieser Stelle allen interessierten Lesern und Leserinnen zugänglich, nicht zuletzt in der Hoffnung, daß einige meinem Beispiel folgen und sich auf das unbekannte "Abenteuer" Urlaub im Kloster einlassen könnten ...

Stilleben mit Glocke (von Sven Schindler)

- Ein klösterliches Gastspiel in 5 Wochentagen -



TAG 1: 10.10.2011


Bin gegen 11.30 Uhr mit dem Taxi aus Trebbin im Kloster Alexanderdorf angekommen. Vor mir erstreckt sich ein herrlich gelegenes Anwesen mit mehreren Häusern, die gemeinsam den Komplex des Klosters Sankt Gertrud bilden. Dazwischen gibt es einen Hof mit Bäumen, Sträuchern, Grünflächen und einem kleinen Teich.
Ich klingele am Haupthaus, und eine freundliche ältere Dame in Ordenstracht, die sich mir als Schwester Elisabeth vorstellt, bittet mich hinein. Sie heißt mich herzlich willkommen, drückt mir einen bescheidenen Anmeldezettel und einen Zimmerschlüssel mit hölzernem Anhänger in die Hand und verweist mich damit ins Zimmer Benjamin des Gästehauses Sankt Josef. Das also soll nun meine Unterkunft für die kommenden fünf Urlaubstage sein - ein Zimmer mit dem Namen Benjamin. Der Name ist äußerst passend gewählt, wie ich finde, denn genau das bin ich ja: Ein Benjamin, was das Leben im Kloster angeht. Und darum bin ich jetzt auch schon unheimlich gespannt, was mich hier wohl erwartet.
Zunächst einmal erwarten mich beim Eintreffen in den mir zugewiesenen Räumlichkeiten ein kleines, sporadisch rustikal und dennoch sehr gemütlich eingerichtetes Kämmerlein mit Heizung, Dusche und WC, einem Schreibisch mit Lampe und einem bunten Blumensträußchen sowie an der Wand links ein Regal mit einer Auswahl an geistlichen Büchern, in der natürlich auch eine Bibel in der Einheitsübersetzung nicht fehlen darf. Eine hübsch anzuschauende Mutter-Kind-Plastik stützt die Bücheransammlung. Daneben ein hölzernes Kruzifix - schlicht und dennoch schön, wie eben alles hier. Ein Kleiderschrank, vom Schreibtisch aus gesehen auf der rechten Wandseite gelegen, lädt mich zum Auspacken meines Koffers ein, ein Bett mit grauer Tagesdecke zum Ausruhen. Ein kleiner Nachttisch mit Lampe und zwei Handtüchern in seiner oberen Schublade steht nebenan. Auf dem Schreibtisch entdecke ich unterdess die Hausordnung, die sämtliche zeitlichen Abläufe sowie die einzelnen Räumlichkeiten des Klosters erklärt sowie einen Hinweis, der erörtert, warum nichtkatholischen Gästen eine Teilnahme an der Eucharistiefeier eigentlich verwehrt bleiben muß. Gleichzeitig drücken die Ordensschwestern in dem kurzen Schreiben ihr Bedauern über diese Bestimmung aus und erklären Ausnahmefälle. Ich lege noch rasch meine mitgebrachte Taschenbibel auf dem Tisch ab und stelle dort meinen Wecker auf, dann ruft mich bereits der helle Klang der Glocke im Hof zum Mittagessen.
Dieses nehme ich zusammen mit etwa zehn weiteren Gästen, unter denen sich auch ein Pfarrer und eine Schwester aus einem anderen Kloster befindet, nach einem kurzen gemeinsamen Tischgebet im sogenannten Gästerefektorium des Haupthauses ein. Die neuangekommenen Gäste stellen sich dabei zunächst kurz vor, und anschließend gibt es Eierkuchen mit Apfelmus sowie eine cremige Pilzsuppe als Vorspeise. Alles so unheimlich lecker, daß sich der diätbewußte Teil in mir gleich mal ein wenig zügeln muß.
Nach dem Mittagsmahl begeben sich die Schwestern zum Gebet. Wer mag darf ihnen dabei beiwohnen, ich hingegen gehe zurück auf mein Zimmer, wo ich meinen Koffer nun erst einmal in aller Ruhe auspacke und mit der mitgeführten Digitalkamera mein Zimmer ausgiebig ablichte. Dann setze ich mich an den Schreibtisch und schaue gedankenversunken dem Herbstlaub an den Bäumen vor meinem Fenster beim Fallen zu. Meine Stille Zeit hat hat jetzt also begonnen, und ich fange schon an, sie zu genießen - auch in jenen Augenblicken, da ich all dies zu Papier bringe. Immer wieder ziehen dabei einzelne Gäste, in warme Jacken eingehüllt, an meinem Fenster vorbei über den Hof hinweg und machen sich auf zu einem gemütlichen Herbstspaziergang. Und ich?! Ich beschließe, es ihnen gleich zu tun ...





Bildnachweis: Hinweisschild vorm Kloster, Eingangstor zum Kloster, Haupthaus, Gästehaus Sankt Josef


13:00 Uhr


TAG 1: 10.10.2011 [Teil 2]


Mein erster Spaziergang fällt zugegebenermaßen recht kurz aus, was auch dem inzwischen anhaltenden Nieselregen geschuldet ist. Er führt mich durch die Eingangspforte hinaus aus dem Kloster und dann an der Mauer entlang, rechts und links darum herum. Weit kommt man dabei auf beiden Seiten freilich nicht gerade, ist doch das Klostergelände eingerahmt von den weltlicheren Bauten Alexanderdorfs einerseits und von weitläufigen Ackerfeldern andererseits. Und dennoch entdecke ich einige Details, die es durchaus wert sind, von meiner Kamera fotografisch festgehalten zu werden.
Wieder eingekehrt ins klösterliche Ambiente, beginne ich auch dort, nach Bildmotiven zu suchen. Und angetan, wie ich nunmal schon bei meinem Eintreffen war, brauche ich mich auch gar nicht lange umzuschauen, bis sich hier wie da etwas Lohnenswertes findet.
Zurück in meinem stillen Kämmerlein lasse ich dann beim Niederschreiben meiner Eindrücke hin und wieder den Blick aus dem gardinenverschleierten Fenster schweifen, wo es ebenfalls durchaus Einiges zu sehen gibt: Beispielsweise vereinzelt Gäste mit Regenschirmen sowie eine Ordensschwester, die in ein Auto steigt und vom Hof fährt. Und zwischendurch eben dann auch immer wieder einzelne bunte Blätter, die sich unter dem nachhaltigen Einfluß von Wind und Regen von ihren angestammten Plätzen an den gekrönten Häuptern der Bäume lösen, um von dortaus langsam und gemächlich zur Erde zu segeln. Sie lassen sich einfach treiben und nehmen sich bei ihrem Sich-Fallen-Lassen alle Zeit der Welt. Daran sollte ich mir in meinen 5 Tagen hier ruhig ein Beispiel nehmen, wozu ich inzwischen auch durchaus bereit bin.





Bildnachweis: Baumgruppe mit Holzbänken in Klosternähe, Efeuumrahmtes Holztor an der Gästehäuseraußenwand, Gästehausgebäude vom Klosterhof aus, Kleiner Teich auf dem Klostergelände


14:21 Uhr


TAG 1: 10.10.2011 [Teil 3]


Nach einem kurzen Probeliegen auf meinem nicht zu harten und nicht zu weichen Bett erobere ich mir die meinem Zimmer naheliegende Teeküche des Gästehauses Sankt Josef. Diese wartet in ihren diversen Schränken mit allem möglichen Alkoholfreien auf, wonach es den Dürstenden begehrt - Saft, Wasser, Tee, Kaffee usw. Auch die Geräte zur Zubereitung letztgenannter Heißgetränke stehen zugriffsbereit. Und so bereite ich mir mittels Wasserkocher erst einmal eine schöne Tasse löslichen Kaffee und entführe dazu noch eine große Flasche klaren Apfelsaft in mein Zimmer. Die ausgewiesenen Unkosten hierfür (Tasse Kaffee 50 Cent, Flasche Saft 1 Euro) hinterlasse ich ganz zwanglos in einem neben der Eingangstür bereitstehenden Schälchen.
Dann sitze ich wieder an meinem Schreibtisch, genieße meine Tasse heißen Kaffee und ein Glas - zuvor noch mit einem Schluck Wasser verdünnten - Apfelsaft. Ich sehe dabei aus dem Fenster, die Arme im Nacken verschränkt, atme ein und atme aus - synchron mit dem Herabfallen des Herbstlaubs draußen. Und wenn ich ganz genau hinhorche, dann höre ich ... nichts! Gar nichts! Nur Stille! Einfach herrlich!


15:00 Uhr


Eine halbe Stunde lege ich mich dann auf mein Bett. Ich strecke meine Glieder aus, schaue zur Decke und lasse meine Gedanken ausgiebig schweifen. Dabei versuche ich, in der mich umgebenden Stille all den wirren Bildern und Gefühlen in mir Raum zu geben, sich erst einmal frei zu entfalten und sich dann zu verflüchtigen. Am Schluß dieser kurzen Gedankenpause spreche ich im Stillen noch ein kleines Gebet. Darin danke ich Gott für die wohltuende Auszeit, die er hier schenkt, und für all die lieben Menschen, die er mir hier wie auch zuhause zur Seite stellt - meine Tochter, meine Mutter, eine Handvoll guter Freundinnen sowie die herzlichen Ordensschestern und den mit mir hier anwesenden Gastpfarrer. Letzterer zeigte sich übrigens bereits beim gemeinsamen Mittagsmahl von seiner heiteren Seite, indem er die ruhige Atmosphäre immer wieder mit einem kleinen Witz aufheiterte. Überhaupt erscheinen mir Pfarrer wie auch Benediktinerinnen angenehm aufgeschlossen, locker und weltoffen zu sein, was meinem Kloster-Er-Leben erst einmal gleich einen überaus positiven Eindruck verleiht.
Nun, da ich mich bei all diesen Gedanken längst wieder vom Bett erhoben und an den Schreibtisch begeben habe, sollte ich vielleicht auch noch erwähnen, daß ich nebenher schon mal ein wenig in der kleinen Büchersammlung auf dem Regal gleich nebenan gestöbert habe, wobei mir zwei Dinge besonders ins Auge stachen: Zum einen ist da ein Büchlein mit dem Titel "Nicht auf Sand gebaut - Benediktinerinnen in Alexanderdorf", das auf wenigen Seiten einen kurzen Eindruck von Klostergeschichte und Klosteralltag zu vermitteln versucht. Eben so, wie ich es hier auch gerade probiere. Zum anderen sind da in einer bescheidenen Folientasche ein paar Kärtchen mit Wanderwegvorschlägen, die selbstverständlich allesamt am Kloster starten und auch weieder enden. Sicher werde ich da in den kommenden Tagen noch den einen oder anderen in Anspruch nehmen. Aber auch jetzt lockt mich mein Blick aus dem Fenster bereits wieder nach draußen an die frische Luft.





Bildnachweis: Mein Schreibtisch mit Aussicht, Bett und Nachtschrank, Kleines Bücherregal neben dem Schreibtisch, Naßzelle meines Gästezimmers


15:50 Uhr


TAG 1: 10.10.2011 [Teil 4]


Da der Nieselregen inzwischen doch recht detlich nachgelassen hat, nutze ich die Gunst der Stunde für eine etwa einstündige Waldwanderung, auf der ich wieder ein paar Fotos schieße und zudem noch einem weiteren weiblichen Mitklostergast über den Weg laufe. Nasse Schuhe und Socken holte ich mir dank des aufgeweichten Waldbodens und stellenweise recht hohen Grases zwar auch, aber das ist letztlich nicht weiter tragisch, erwarten mich doch nach meiner Rückkehr in meinem Zimmer eine gut funktionierende Heizung und außerdem in meinem Koffer auch ein Paar in weiser Voraussicht miteingepackter Wechselsocken.
Gegen 17.20 Uhr ruft dann vom Hof her die Klosterglocke mit zartem Ton zur sogenannten Vesper. Wie ich durch mein Fenster unschwer zu erkennen vermag, folgen nahezu alle anderen Mitgäste diesem Ruf. Und so entschließe auch ich mich kurzerhand, mich hier erstmalig auf das "Abenteuer" eines klösterlichen Gottesdienstes einzulassen.
Gespannt folge ich dem Gastpfarrer über den Hof hinweg an der Glocke vorbei in Richtung Klosterkirche und nehme in derem geräumigen Innern mit ihm gemeinsam - zuvor noch ausgerüstet mit einem am Eingang bereitliegenden Büchlein - in einer der hinteren Bankreihen platz. Die Ordensschwestern betreten derweil durch eine Tür hinter uns streng geordnet den Raum und verteilen sich dann nach festem Ritus in jenen vorderen Bankreihen, die links und rechts quer zu den unseren stehen. Wir Gäste haben uns bei ihrem Eintreffen von unseren Plätzen erhoben und setzen uns erst wieder, als auch alle Schwestern ihre Plätze eingenommen haben. Was nun folgt, ist eine - für jeden einzelnen Tag der Woche festgelegte - Reihe von Bibeltextabschnitten aus den sogenannten Psalmen auf Lateinisch, wobei das von mir mitgeführte Büchlein neben den entsprechenden Texten parallel auch deren deutsche Übersetzung mitliefert. Zum Ende jeder der - mit den geradezu engelhaften Stimmen der Benediktinerinnen im Chor singend vorgetragenen - Bibelstellen folgt dabei eine abschließende Ehrerbietung an Gott als Vater, Sohn und der Heiliger Geist, zu dem sich stets alle Anwesenden von ihren Sitzplätzen erheben und gleichzeitig ehrfürchtig ihre Häupter senken. Die unglaublich reine Gesangsdarbietung der Klosterschwestern, bei jedem zweiten Vers noch ergänzt durch die tiefe Stimme des neben mir sitzenden Pfarrers, zieht mich dabei unweigerlich in seinen geradezu mystischen Bann. Ein derart kunstvoll klassisch vorgetragenes Gotteslob habe ich bisher noch nie erlebt. Und so nehme ich mir nach dem Ende der Gottesdienstfeier beim Gang aus der Kirche zur Einnahme des Abendbrots im nahegelegenen Haupthaus auch fest vor, in den kommenden Tagen jeweils zumindest der Vesper beizuwohnen, um mich dadurch an meinen selbstverordneten Stillen Tagen hier im Kloster auch geistlich wie geistig bereichern zu lassen.





Bildnachweis: Weg in den Wald, Waldlichtung, Pilz am Waldboden, Baum mit buntem Herbstlaub


18:00 Uhr


TAG 1: 10.10.2011 [Teil 5]


Das anschließende Abendessen verläuft, wie schon das Mittagsmahl, in trauter Gemeinschaft aller Gäste mit vorangehendem und nachfolgendem kurzen Dankgebet - wobei wir uns dazu alle mit gefalteten Händen hinter unseren Stühlen am Eßtisch aufstellen. Zu trinken gibt es heißen Hagebuttentee, zu essen ein schlichtes und dennoch ausgewogenes Angebot an Mischbrot, Schwarzbrot, Wurst und Käse sowie Gemüse und Obst. Man hilft sich am Tisch gegenseitig ganz zwanglos und ohne viel Worte beim Eingießen und Anreichen der Teekannen und des Zuckers. Und es wird huier und da auch wieder ein wenig gescherzt. So huschte beispielsweise ein kleines Grinsen über alle Gesichter, als eine der Teekannen beim Wiederverschließen minutenlang wiederholt recht merkwürdige Zischlaute von sich gab.
Im Anschluß an das Abendessen erkündige ich mich beim Pfarrer - der ganz offensichtlich öfters hier zu Gast ist - noch nach ein paar schönen Ansichtskarten vom Kloster, die ich dank seines Hinweises wenig später im Tagesraum des Gästehauskomplexes vorfinde. Auf dem Weg dorthin lerne ich im Korridor des Haupthauses noch Schwester Beata kennen, mit der ich vor ein paar Wochen Emails ausgetauscht hatte, um mich für meinen Klosteraufenthalt anzumelden. Gern hätte ich bei diesem überraschenden Zusammentreffen auch schon meine Rechung beglichen, aber die muß sie erst noch fertigmachen, so daß wir das Finanzielle kurzerhand auf den nächsten Abend vertagen.
In jeder Hinsicht gestärkt begebe ich mich anschließend wieder auf mein Zimmer, wo ich nun meinen ersten Klostertag im fahlen Licht der Schreibtischlampe bei zugezogenen Übergardinen ausklingen lassen möchte - und auch das wieder in aller Stille, versteht sich!





Bildnachweis: Mein Zimmerschlüssel, Schild neben dem Klostereingangstor, Klosterglocke, Steinernes Bildnis Sankt Benedikts auf dem Klostergelände


19:15 Uhr


TAG 1: 10.10.2011 [Teil 6]


Seelenruhig lasse ich anschließend auch meine Hosen fallen und hänge sie zum Trocknen der noch immer klammen Hosenbeine auf einem Bügel an die Kleiderschranktür. Ich schlage mein Bett auf und lege mich probehalber hinein. Mein Kopf ist innerlich inzwischen deutlich weniger von wirrem Zeug bevölkert als normalerweise, was - gemeinsam mit dre mich umgebenden Stille - die Lider meiner beiden Äuglein rasch schwer werden läßt, so daß sie zwischenzeitlich auch schonmal einen Moment lang zufallen. Einzig und allein mein Herzschlag ist dabei zu vernehmen und das sanfte Läuten der Glocke, die die Schwestern und ihre Gäste um 19.40 Uhr ein letztes Mal an diesem Tag zum Gottesdienst zusammenruft. Diesmal folge ich dem Ruf nicht, sondern beschließe in meinem Kämmerlein den Abend nunmehr ganz für mich allein mit dem biblischen Text von Psalm 118 und einem kleinen Nachtgebet, in das ich all meine mir liebgewordenen Mitmenschen einschließe und sie dabei für die näherrückende Nacht dem Schutze Gottes anvertraue! Amen!

[
20:00 Uhr


Ich entschlummere dann auf meinem anschließend gleich wieder eingenommenen Bettlager tatsächlich schon gegen 21 Uhr. Und auch wenn ich mitten in der Nacht gegen 1 Uhr noch einmal kurz leicht schniefend aufwache, wird es im Anschluß nach dem Aufdrehen der Heizung eine angenehm schlafreiche Nacht.







Bildnachweis: Holzkreuz an meiner Zimmerwand, Zimmereingangstür, Garderobe an der Zimmertür, Mutter-Kind-Plastik


Ende Tag 1

+++ CRIMINAL MINDS +++ DALLAS +++ CASTLE +++ DOCTOR WHO +++ 24 +++

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Angel (16. September 2013, 08:37)

sven1421

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Sonntag, 1. Januar 2012, 16:27

TAG 2: 11.10.2011


Am Morgen erwache ich gegen 5.30 Uhr vom wiederholten Weckruf der Klosterglocke zum Morgengebet. Ich bleibe dann allerdings noch bis etwa 7.20 Uhr liegen, bevor ich mich langsam erhebe, in aller Ruhe mein Bett mache, dusche und mich anziehe. In den tiefsten Tiefen meines Unterbewußtseins ist die mich umgebende Stille scheinbar noch nicht angelangt, wenn ich an meine recht wirren Träumereien der zurückliegenden Nacht im Nachhinein noch einmal zurückdenke. Und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob sie es in den restlichen mir zur Verfügung stehenden 4 Tagen überhaupt bis dorthin schafft. Trotz all der traumatischen Schlaferlebnisse fühle ich mich allerdings dennoch unheimlich ausgeruht, als ich mit Blick aus dem Fenster an meinem Schreibtisch all dies noch einmal Revue passieren lasse. Und ich warte dabei gleichzeitig auch schon darauf, daß sich draußen auf dem Hof die Ordensschwestern und die anderen Gäste zum Frühstück begeben - an diesem, meinem ersten guten Morgen hier im Kloster.
Bescheiden, kräftig und ausgewogen zugleich präsentiert sich mir wenig später bei meinem Eintreffen im Speiseraum des Haupthauses gegen 8.10 Uhr das bereits liebevoll aufgebaute Frühstücksbuffet. Neben frischen Brötchen und Brot, Wurst, Käse und Marmelade gibt es auch Müsli, Quark und ein gekochtes Ei. All dies nehmen all die weiteren Gäste und ich wie üblich leise flüsternd in trauter Gemeinschaft ein, wobei wir an diesem Morgen sogar ein Geburtstagskind in unserer Runde begrüßen dürfen. Dieses bedankt sich für unsere lieben Glück- und Segenswünsche mit einer süßen kleinen Aufmerksamkeit ... in Form eines Körbchens mit Minischokoriegeln und Marzipankartoffeln. Ein paar Scherben, die ja angeblich Glück bringen sollen, gibt es anschließend auch noch, als nach dem Frühstück einem Gast der Obstteller auf den Kachelboden fällt und dort in mehrere Stücke zerspringt. Gemeinsam sind Obst und Scherben rasch wieder aufgelesen, woraufhin wir uns alle bei unvermindert anhaltendem Nieselregen zurück in unsere Unterkünfte begeben. Hier treffe ich auf dem Flur meines Gästehauses sogleich auf eine ältere Ordensschwester mit einem vierrädrigen Gehwagen, auch Rollator genannt, die ich dann nach den angeblich vorhandenen Räumlichkeiten der kleinen Gästebibliothek befrage. Leider ist die Schwester ziemlich schwerhörig und versteht mich nicht gleich. Ein weiblicher Mitgast, der gerade seine Abreise plant und sich dabei von jener Schwester zu verabschieden versucht, hilft freundlicherweise aus. Und so erfahre ich von jener Frau, daß sich Leseecke und Bücherwand im oberen Geschoß des Gästehauses befinden. Die schwerhörige, ältere Ordensschwester hingegen meint, als ich ihr auf ihre Anfrage hin erkläre, zum ersten Mal im Kloster Alexanderdorf zu sein: "Wer einmal hier war, der kommt immer wieder!". Und dem Gefühl nach, welches ich momentan in mir verspüre, dürfte sie da wohl auch in meinem Fall nicht ganz Unrecht behalten.
Anschließend begebe ich mich raschen Fußes über das Treppenhaus in die liebevoll eingerichtete Bibliothek im Obergeschoß, wo ich nach kurzer Suche eine angemessene Lektüre für den leicht verregneten Tag finde. Ich nehme ein schlicht daherkommendes Buch mit dem neugierigmachenden Titel "Im Angesicht des Todes" aus der Feder eines gewissen Alfred Delp zur Hand, lasse mich dann auf einen der bequemen Stühle der benachbarten Sitzecke sinken und fange an, in dem ausgesuchten Büchlein zu blättern und zu lesen. Es handelt sich dabei um die Aufzeichnungen eines in der Nazizeit zum Tode verurteilten bekennenden Christen, geschrieben zwischen seiner Verhaftung Ende Juli 1944 und der Hinrichtung Anfang Februar 1945. Erschütternd und mutmachend zugleich ist es, was dieser Mann da schreibt, besonders in den an den Beginn des Buches gestellten Tagebuchnotizen seiner letzten Erdentage. So heißt es am 28.12.1944 etwa: "Der Glaubende, der Vertrauende, der Liebende: das erst ist der Mensch, der die Dimensionen des Menschtums ahnt und die Perspektiven Gottes sieht", worauf ich - nach all den Erfahrungen meines bisherigen Lebens - deutlich versucht bin, ganz für mich allein ein leises "Amen!" (So ist/sei es!) dahinter zu setzen. Und am Silvestertage des Jahres 1944 schreibt der teilweise in Ketten gelegte Delp dann in seiner Gefängniszelle unter anderem jenen Satz nieder: "In einer stillen Stunde heute nacht will ich das Jahr überdenken und meine persönlichen Ereignisse einsammeln in ein Gebet der Reue, des Dankes, der Hingabe, in ein Wort des Vertrauens und der Liebe". Und ich gedenke, während ich dies lese, es ihm in den mir hier im Kloster wie auch überhaupt auf Erden verbleibenden Tagen gleichzutun, an jedem einzelnen Abend für den jeweisl zurückliegenden Tag.
Das Buch nehme ich mir beim Verlassen der Gästebibliothek mit auf mein Zimmer im Erdgeschoß, um es dort in aller Ruhe weiterzulesen. Doch zuvor verfasse ich an meinem Schreibtisch noch ein paar Zeilen an meine Mutter und ein paar besonders liebe Freundinnen auf den am Vorabend erstandenen Ansichtskarten, die ich anschließend mit den zugehörigen Adressen versehe. Die dabei entstehenden Grußkarten werde ich dann bei nächster Gelegenheit der einmal am Tag hier vorbeikommenden Post mitgeben.
Und während ich nun noch rasch all dies in meinen eigenen Tagebuchaufzeichnungen festhalte, nähert sich auch schon wieder die Zeit des Mittagessens. Ich bin gespannt, was es wohl gibt - sowohl bei der Mahlzeit als auch in der sich anschließenden Zeit danach.





Bildnachweis: Treppe im Gästehaus, Kommode im Gästehausflur, Leseecke im Obergeschoß des Gästehauses, Fenster zum Hof


11:20 Uhr


TAG 2: 11.10.2011 [Teil 2]


Beim Mittagessen geht es dann recht stürmisch zu ... allerdings nur draußen hinter den leicht geöffneten Bleiglasfenstern unseres Speiseraumes. Drinnen herrscht die inzwischen wohlvertraute Stille, in der nun bei einem grünen Blattsalat mit Dressing als Vorspeise, gekochtem Kürbis mit magerer Fleischeinlage als Hauptmahl und Sauerkirschkompott als Nachspeise auch mein Appetit gestillt wird. Wieder herrscht dabei ein liebevolles Miteinander, gemeinsam wird gebetet und gescherzt. Mein Blick schweift beim Essen ein wenig umher, und verweilt dabei hier und da auch einen Augenblick bei dem einem oder dem anderen der unbekümmerten Gesichter unserer illusteren Runde. Da sitzt beispielsweise zu meiner Linken eine Familie mit einem kleinen Jungen im Rollstuhl, der sein Leben allem Anschein nach nahezu mühelos meistert. Da gibt es mir gegenüber zwei ältere Damen, die tagsüber oftmals gemeinsam spazierengehen. Und da sind ein paar einzelne Männer und Frauen, die sich hier wohl - wie ich - auf die Suche begeben haben. Wonach sie genau suchen, das entzieht sich im Einzelnen freilich meiner bisherigen Erkenntnis. Mag es Erholung, Stärkung im Glauben oder eben - wie in meinem Fall - einfach Stille sein. Wie auch immer: Ich hoffe für sie alle inständig, daß sie hier im Kloster dabei mehr als fündig werden ... ja, daß sie all das finden, was sie sich erhofft und erbetet haben ... all das und noch viel mehr. Und ich glaube tief im Innern ganz fest daran, daß dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird.
Wieder in meinem Kämmerlein angekommen, schaue ich noch ein wenig zum Fenster hinaus auf das fallende Laub und lese dabei einen weiteren Abschnitt in dem von mir zuvor geliehenen Buche. Dann aber ist es an der Zeit, der momentan gottseidank niederschlagsfreien, wenn auch recht windigen Witterung frohen Mutes spazierengehend entgegenzutreten.


12:30 Uhr


Vor meinem eigentlichen Spaziergang mache ich vom Hof aus noch zwei kurze Abstecher: Zum einen in den Eingangsbereich des Haupthauses, wo ich ein paar Fotos schieße, zum anderen ins Innere der Kirche, wo ich Gleiches tue, aber im Eingangsbereich auch noch zwei Ansichtskarten aus DDR-Kloster-Tagen zu je 20 Cent käuflich erwerbe. Anschließend spaziere ich durch das offenstehende Haupttor hinaus, und unternehme einen kleinen Rundgang durch die Ortschaft Alexanderdorf, wobei ich gerade zum Kloster zurückkehre, als auch schon wieder starker Regen einsetzt. Die neuerlich einbrechende Regenzeit nutze ich um in den - meinem Gästehaus benachbarten - Örtlichkeiten des Tagesraumes ein paar fotografische Schnappschüsse zu machen und dann, wieder in meinem Zimmer eingekehrt, all meine nachmittäglichen Erlebnisse schriftlich niederzulegen. Dabei entdecke ich vorm Fenster zu meiner Freude auch das gerade eben ankommende Postauto, so daß ich dem freundlichen Postboten gleich 5 Briefmarken abkaufen und ihm im Gegenzug auch noch meine eilends damit beklebten Grußkarten vom Vormittag mitgeben kann.
Und während der daraufhin folgenden halben Stunde lege ich mich dann ein wenig auf mein Bett, lese und denke nach. Dann begebe ich wieder in die Teeküche des Gästehauses, wo ich mir - wie bereits am Vortag - einen löslichen Kaffee zubereite und ihn zusammen mit einer Flasche Apfelsaft auf mein Zimmer nehme.





Bildnachweis: Kommode im Hauptgebäude, Postablage im Hauptgebäude-Eingangsbereich, Bushaltestellenhäuschen im Dorf, Teeküche meines Gästehauses


14:30 Uhr


TAG 2: 11.10.2011 [Teil 3]


Wenn ich in meinem Bericht vom zweiten Tag meines Klosteraufenthalts deutlich seltener von der mich umgebenden Stille rede, dann keineswegs, weil sie nicht mehr vorhanden wäre, sondern vielmehr darum, weil sie hier im Klosteralltag ganz einfach schon eine Normalität darstellt. Fast scheint es mir nach gut 24 Stunden hier bereits so, als seien Anspannung, Streß und Hektik nahezu komplett von mir abgefallen und dafür einem immerwährend vorhandenen Gefühl von Ruhe, Gelassenheit und vollkommener Zufriedenheit, ja Glückseligkeit, gewichen. Und so sitze ich dann, während ich diese Zeilen zu Papier bringe, mit meiner Tasse Kaffee und einem Glas verdünntem Apfelsaft am Schreibtisch meines Zimmers und sehe entspannt dem bunten Treiben vor meinem Fenster zu: Den herabfallenden Regentropfen, die beim Auftreffen in den zuvor von ihren unzähligen Vorgängern gebildeten Pfützen kleine und große Bläschen sowie kreisförmige Wellen verursachen. Den Leuten, die draußen - mit dicken wetterfesten Jacken und Regenschirmen ausgerüstet - vorbeistiefeln. Dem Wind in den Bäumen, der durch sein aufbrausendes Auftreten hin und wieder ein buntes Blättchen zum anmutigen Zu-Boden-Segeln bewegen kann, und den ankommenden und abfahrenden Autos auf dem Parklatz im Hof. Wann sonst im Alltag nimmt man sich schon einmal soviel Zeit, all das ganz in Ruhe zu beobachten?!


15:00 Uhr


Die kommenden Minuten dienen mir dann zur Selbstkorrektur, und zwar in dem Sinne, daß ich meine Niederschrift vom Vortag nochmals überfliege und hier und da ein wenig umformuliere. Dabei kommt mir dann plötzlich auch wieder in den Sinn, daß ich beim vorangegegangen Bericht über das heutige Mittagsmahl völlig zu erwähnen vergaß, wie mich der pünktlich um 12.15 Uhr ertönende Westminstergong einer in unserem Speisesaal befindlichen Standuhr unweigerlich an meine in der britischen Hauptstadt London beheimate Inspektor-Svensson-Romanfigur denken ließ, deren Geschichte ja in letzter Zeit nur recht langsam vorankam und nach meiner Heimkehr aus dem Kloster nun auf ihre möglichst rasche Vollendung wartet. Den Kopf dafür freizumachen und die schriftstellerische Leidenschaft in meinem Herzen ganz neu zu entflammen - ja auch dazu soll mir mein Abstecher ins Kloster letztlich dienen. Und wenn ich so sehe, was ich in den letzten zwei Tagen hier schon so alles zu Papier gebracht habe, so bin ich durchaus guter Dinge, daß mir das wohl voll und ganz gelingen dürfte.





Bildnachweis: Sitzecke im Gästehaus-Gemeinschaftsraum, Innenansicht der Gästehaus-Eingangstür, Eingangsbereich im Hauptgebäude, Klingel neben der Pforte zum Hauptgebäude


15:30 Uhr


TAG 2: 11.10.2011 [Teil 4]


Fasziniert schaue ich in der Folge einer kleinen Spinne beim Auf- und Abklettern entlang der Gardine vor meinem Fenster zum Hof zu. Und dabei entspann sich in mir zugleich auch der Gedanke, daß sich mancher, der das hier später einmal lesen würde, durchaus ernsthaft fragen könnte, ob all diese stillen Stunden des offensichtlichen Nichts-Tuns nicht einfach nur sinnlos vergeudete Zeit wären. Nun, wenn ich in diesem Augenblick ganz tief in mich hineinhorche, ist dem keineswegs so, schenkt mir doch jener scheinbar sinnentleerte Zeitvertreib bereits nach kurzer Zeit einen deutlich spürbaren Zuwachs an innerem Frieden. Und ich gewinne dabei sogar mehr und mehr den Eindruck, daß - ganz im Gegenteil - all das hektische Unbedingt-Etwas-Tun-Wollen, ja das geradezu zwanghafte Etwas-Tun-Müssen unseres Alltags letzten Endes oftmals nur sinnlos vergeudete Zeit darstellt und einen dabei zusätzlich noch gereizt, nervös und im schlimmsten Fall sogar richtiggehend krank machen kann. Ich hingegen fühle mich hier, in meinem moemntanen Zustand absoluter Stille, pudelwohl, herrlich entspannt, glücklicher und gesünder denn je.


15:50 Uhr


Und so nutze ich die verbleibende Zeit bis zur kirchlichen Vesper, indem ich mich zunächst rücklings aufs Bett sinken lasse und meinen Gedanken nachhänge. Später schaue ich dann bei einem weiteren Glas Apfelschorle wieder dem Regenguß vor meinem Fenster zu. Ein wenig nachdenken, ein wenig lesen, sich recken und strecken und immer mal wieder aus dem leicht gardinenverschleierten Fenster hinausblicken - all das vertreibt einem in himmlisch angenehmer Art und Weise die Minuten bis zum Ruf der Klosterglocke. Und dabei entdecke ich beim genaueren Hinsehen auf dem Klosterhof ab und zu auch etwas zum Schmunzeln: Eine Dame zum Beispiel, deren geschlitztes Beinkleid - vom Winde verweht - sie mir unabsichtlich viel Bein zeigen läßt, oder eine Ordensschwester, die in geradezu rekordverdächtiger Geschwindigkeit durch den strömenden Regen zum Hauptgebäude sprintet.





Bildnachweis: Verschiedene Impressionen aus einer der Gemeinschaftsräumlichkeiten im Tagesraum


17:20 Uhr


TAG 2: 11.10.2011 [Teil 5]


Die sich anschließende Vesper verläuft nach dem mir nun bereits vom Vortag her vertrauten Zeremoniell. Zunächst ertönt zweimal im Abstand von 10 Minuten der Ruf der Glocke, dem die anderen Gäste wie auch ich nach und nach gemächlichen Schrittes über den Hof hinweg ins Kircheninnere folgen. Die Katholiken unter uns bekreuzigen sich im Eingangsbereich des Kircheninnern und knien vor dem Eintritt in die dortigen Bankreihen neben diesen auch noch kurz nieder. erst dann nehmen sie, wie ich es bereits getan habe, den von ihnen gewählten Platz auf den Bänken ein. Wenig später kommen durch die Tür zwischen unseren Bankreihen die Ordensschwestern in Zweierreihen hinein. Und während wir uns erheben, verneigen sie sich am Abzweig zu ihren Bänken nacheinander paarweise erst vor dem Altar, und damit symbolisch vor Gott selbst, dann noch einmal von Angesicht zu Angesicht voreinander. Erst danach treten sie den Weg nach recht und links in ihre Bankreihen an und begeben sich dort auf ihre Plätze. Erst nchdem alle von ihnen vor ihren Sitzplätzen zum Stehen gekommen sind, setzen sie sich gemeinsam nieder - und wir mit ihnen.
Daraufhin stimmen sie nun auch sogleich ihren wohlkingenden Sprechgesang an, der wiederum eine Lesung ausgewählter Psalmen darstellt - natürlich in Latein vorgetragen. Einige Gäste stimmen dabei mit ein, andere - so auch ich - wohnen dem Ganzen still bei, die Hände vor sich im Schoß zusammengefaltet. Immer, wenn die Lesung eines Psalmabschnitts abschließend in ein Gotteslob gipfelt, erhebn sich alle Anwesenden von ihren Plätzen. Und bei der Lobpreisformel "Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist" neigen sich die Häupter aller Versammelten in Richtung des Altars. Am Ende der Vesper tritt eine der Ordensschwestern aus deren Reihen hervor und öffnet die Tür in unserem Rücken, durch die ihre Mitschwestern anschließend nun wieder paarweise wohlgeordnet hinausschreiten, während wie uns als Gäste erneut erheben und noch still auf unseren Plätzen verweilen. Erst als alle Schwestern die Kirche auf diese Art und Weise wieder verlassen haben, begeben auch wir uns wieder zum seitlichen Ausgang. Die Katholiken unter uns knien dabei beim Heraustreten aus den Bankreihen erneut neben diesen wieder, den Kopf in Richtung Altar neigend. Beim Ausgang schließlich bekreuzigen sie sich noch einmal unter Zuhilfenahme des Weihwassers aus einem dort an der Innenwand angebrachten kleinen Metallkessel.


17:55 Uhr


Im strömenden Regen geht es anschließend für uns über den Hof zur Pforte des Haupthauses, deren Zugang sich uns aber zunächst noch verschließt. Es dauert einige Minuten, bis Schwester Elisabeth uns von drinnen her öffnet. Sie ist es auch, die dann drinnen im Speiseraum vor dem Essen mit uns betet. Neben den üblichen Speisen gibt es heute beim Abendmahl noch etwas Besonderes. Die Schwestern in der Küche haben nämlich aus den Resten der Eierkuchen vom Vortag und dem zugehörigen Apfelmus recht phantasievoll eine Art mehrschichtige Torte gebaut, die wir nun stückchenweise mitverzehren dürfen. Superlecker, das Ganze! Vielen lieben Dank dafür!
Zu unserer. durch An- und Abreisende ständig wechselnden Gästegemeinschaft hat sich unterdess nachmittags noch ein weiteres Mitglied gesellt: ein rollstuhlbedürftiger Mann, der offensichtlich ganz in unmittelbarer Nachbarschaft meines Zimmers im Haus Josef Quartier bezogen hat. Beim Abendbrot darf ich ihm durch Heranrutschen meines Stuhls den Rückweg vom Buffet an den Tisch freimachen, ebenso wie ich es bei dem rollstuhlfahrenden Jungen tue, dem an seinem angestammten Platz an unserer Tafel anfangs noch ein Stuhl im Weg steht. Tja, hier im Kloster gibt es mit der ganz selbstverständlichen Integration gehandycapter Menschen eben weitaus weniger Probleme als in der Welt da draußen vor dem großen Tor.
Nach dem Abendessen, das einmal mehr durch seine Vielfalt und Reichhaltigkeit überzeugt, begebe ich mich noch rasch zu der uns im Eingangsbereich schon entgegentretenden Schwester Beata und zahle meine Rechnung ... 4 Übernachtungen inklusive Vollpension, sprich 4 Mahlzeiten, zu je 33 Euro - summa summarum 132 Euro). Ich zahle bar und lege, allein schon für die Herzlichkeit der Schwestern, als kleine Spende noch ein wenig obendrauf. Dann geht es für mich schnurstarcks über den bereits schummigen Hof zurück in meine Unterkunft, wo ich all das Erlebte sogleich schwarz auf weiß in meinem Tagebuch festhalte.





Bildnachweis: Eingangstür zur Kirche, Kircheninneres mit Blick zum Altar, Bankreihen der Ordensschwestern, eine zweite Gemeinschaftsäumlichkeit im Tagesraum


19:00 Uhr


TAG 2: 11.10.2011 [Teil 6]


An meinem Schreibtisch verbringe ich dann auch größtenteils den Rest des Abends. Nur einmal noch begebe ich mich kurz nach draußen vor die Tür, wo es auch weiterhin stetig vor sich her nieselt. Ich nutze die vorgerückte Stunde dabei, um im Tagesrraum noch ein wenig im dort dargebotenen Bücher- und Ansichtskartensortiment zu stöbern. Als die Glocke im Hof gerade zum Nachtgebet ruft, gehe ich wieder ins Haus Josef zu meinem Zimmer zurück. Bereits leise gähnend lasse ich hier sogleich meine Hosen erst in die Knie und dann zu Boden sinken, um ihrem Beispiel nur wenig später ganzkörperlich nachzufolgen und im ganz persönlichen Gebet zur Nacht meinen Dank und meine Bitten vor Gott auszubreiten, wie ich es zuvor auch mit meiner Jeans auf einem Kleiderbügel an der Schranktür tat. Den Einstieg für mein leises Beten bildet dabei an diesem Abend der biblische Text von Psalm 65 - einem Dank für die Gaben Gottes.


20:00 Uhr


Mit dem Einschlafen tue ich mich dann in der Folge zugegebenermaßen ein wenig schwer, obwohl ich mich - längst nahezu komplett ausgekleidet und langgestreckt auf dem Bett unterm Zudeck verweilend - redlich bemühe. Und so lese ich schließlich noch ein wenig in einem der Bücher von meinem Wandregal ein paar der darin enthaltenen "Gute-Nacht-Geschichten zum Entspannen", drehe die Heizung ein wenig höher und verstärke zudem die wärmende Wirkung meiner Bettdecke durch Auflegen einer zusätzlichen Wolldecke. Daß sich trotz alledem mein endgültiges Entschlummernan diesem Abend dennoch bis gegen 23 Uhr hinauszögert, dürfte wohl zum Teil auch der Tatsache geschuldet sein, daß wir in jener Nacht Vollmond haben - welcher übrigens ab 22 Uhr von draußen her mit seinem nachterhellenden Schein als ungebetener Gast durch den schmalen Spalt zwischen Fenstersims und zugezogener Übergardine stellenweise doch auch zu mir ins Zimmer hereinschaute.
An mangelnder Ruhe - äußerer wie innerer - können meine frühen Einschlafversuche jedenfalls kaum gescheitert sein, waren doch meine Gedanken, die ich beim Wachliegen in meinem halbwegs dunklen Kämmerlein bewegte, allesamt ganz ruhige und friedvolle, welche vor allem immer wieder aufs Neue um jene Menschen kreisten, die mir unter den Daheimgebliebenen ganz besonders am Herzen liegen.





Bildnachweis: Eingang zum Tagesraum, Kartenständer im Tagesraumeingangsbereich, mein Gästebett mit Wolldecke, mein abendlicher Schreibtisch samt Tagebuch


Ende Tag 2

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Angel (16. September 2013, 08:37)

sven1421

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Sonntag, 1. Januar 2012, 16:27

TAG 3: 12.10.2011


Aus einer immernoch recht konfusen Traumwelt weckt mich an diesem, meinem zweiten Morgen die Klosterglocke bereits bei ihrem ersten Anschlag um 5 Uhr. Ich bleibe eine ganze Weile mucksmäuschenstill unter dem gemütlich warmen Bettdeck liegen und bewege dabei einzig und allein meine Gedanken und durch ruhiges Ein- und Ausatmen meinen Brustkorb. Um 7.20 Uhr erhebe ich mich aber dann schließlich doch, nachdem ich zuvor sogar noch in einer Art leichtem Halbschlaf in meinem Unterbewußtsein sogar noch leise Musik gehört und zu dieser mit einer guten Freundin ein wenig Verstecken gespielt habe. Im Hof ruft wenige Augenblicke später die Glocke mit sanftem Klang wiederholt zur allmorgendlichen Eucharistiefeier. Und während ich durch mein angeklapptes Fenster hindurch draußen die Vögel fröhlich zwitschernd ihr Tagwerk aufnehmen höre, bereite auf der anderen Seite drinnen nun auch ich mich mit Bettmachen, Duschen und Anziehen in aller Ruhe auf das bevorstehende Frühstück vor.


07:55 Uhr


Da ich bei meinem anschließenden Gang zum Haupthaus die Pforte zunächst noch verschlossen vorfinde, nutze ich die Gelegenheit sowie den bereits vorherrschenden strahlenden Sonnenschein erst einmal zu einem fünfminütigen Morgenspaziergang außerhalb der klösterlichen Mauern. Die Schöpfung präsentiert sich mir dabei im hellen Sonnenlicht gleichermaßen vielfältig und bunt, wie es anschließend bei meiner Rückkehr ins Haupthaus auch das reichhaltige Angebot am mittlerweile schon eröffenten Frühstücksbufet tut. Das Morgenmahl selbst verläuft dann, wie auch schon am vorigen Tag, in gemeinschaftlicher Harmonie, wobei ich meinem Leib zur körperlichen Stärkung zwei Tassen Kaffee, ein Brötchen mit Butter und Marmelade sowie eine Graubrotschnitte mit Weich- und Scheibenkäse gönne. Schwester Elisabeth, die man zweifelsfrei als die gute Seele der Gästebetreuung bezeichnen kann, erkundigt sich während des Essens bei mir, ob ich an meinem Abreisetag noch zum Mittagessen da sei, was ich freundlich verneine. Und der unter uns Gästen befindliche Herr Pfarrer erklärt dem im Rollstuhl sitzenden Jungen an meinem Tisch sowie dessen Eltern, daß der 12.Oktober der Namenstag Maximilians sei - und damit auch der des Jungen, welcher nämlich Max heißt. Die interessante Erklärung des wohl schon ein wenig betagten geistlichen Gastes dazu gipfeln dabei in dem Hinweis, daß man solche Namenstage seinerzeit sogar ausgiebiger begangen habe als die heute meist an deren Stelle getretenen, aufwendig gefeierten Geburtstage.
Gegen 8.45 Uhr kehre ich dann, in jeder Hinsicht frisch gestärkt, in meine Unterkunft zurück, wo ich nunmehr meinem Tagebuch all diese Erlebnisse anvertraue, während ich aus dem gardinenverhangenen Fenster nebenher sowohl der Sonne als auch den in ihrem Scheine auf dem Hof wandelnden Menschen beim gemeinsamen Strahlen zusehe, um schon wenig später selbst zu einem ausgedehnten Vormittagsspaziergang aufzubrechen.






Bildnachweis: Leseecke im Speisesaal, Speiseraumbuffet, Küchenschrank mit Getränkeautomat und Geschirrwagen, Speisesaaleßtisch


09:30 Uhr


TAG 3: 12.10.2011 [Teil 2]


Sichtlich vergnügt verlasse ich warm angezogen kurze Zeit später den Klosterhof, wobei ich eine Blätter zusammenharkende Frau nahe des Eingangstores freundlich grüße. Sie spricht mich daraufhin an und ist dabei - nach dem Herrn Pfarrer bei der abendlichen Vorstellungsrunde am ersten Tag - bereits die Zweite, die glaubt, ich würde zu dem Jungen Max und seiner Familie gehören, deren zweiter Sohn übrigens lustigerweise tatsächlich Moritz zu heißen scheint. Nachdem ich die junge Frau über ihren Irrtum aufgeklärt und mich mit dem gegenseitigen Wünschen eines schönes Tages von ihr verabschiedet habe, überquere ich vorm Kloster die Landstraße und begebe mich wieder zum nahegelegenen Waldstück, an dessen Eingang ich auf einem grünen Schild den Hinweis "Kloster-Rundweg 8: Zum Kugelbaum 1,4 km" entdecke. Nun, wenn das kein Zeichen ist! Die Pfeilspitze jenes Schildes weist mir den sandigen Weg nach links in den Wald, dem ich von nun folge. Wie auch schon bei meinem kleinen Morgenspaziergang überfliegen mich ein paar in keilförmiger Formation dahinziehende Kraniche, was mich stets aufs Neue an ein Lied aus meiner späten Schulzeit erinnert: "Die Kraniche fliegen im Keil, so trotzen sie besser den Winden. So teilen sie besser die Kräfte, weil die Stärkeren fliegen im vorderen Teil, und die Schwachen, die fliegen hinten". Innerlich summe ich dieses Liedchen vor mich her und schaue zum hellblauen Himmel herauf. Die Sonne lacht hoch über mir, ebenso wie mein Herz und meine Seele, deren summender Gesang mehrstimmig begleitet wird von Chor der vorüberfliegenden Zugvögel. Tief saugen sich über meine Nasenflügel meine Lungen voll mit der herrlich frischen Waldluft, die berauschenderweise hauptsächlich aus einer natürlich aromatischen Duftmischung von Kiefernnadel, Borke, Harz und feuchtem Moos zu bestehen scheint. Meine weit geöffneten Augen forschen derweil am Wegesrand nach imposanten Bildmotiven als Futter für meine hungrige Digitalkameralinse. Dabei begegne ich nach einigen Schritten auch einem weiblichen Klostermitgast, welcher schon fündig geworden ist und am Boden hockend mit ihrem Handy ein paar Fotos schießt.
Ich unterdess ziehe stumm weiter an ihr vorüber, wobei meine Ohren dem hier nahezu reinen Klang eines artenreichen Vogelgezwitschers und dem leisen Rauschen des Wimdes beim Durchstreifen der Baumkronen lauschen. Munter spaziere ich des Wegs, dem Bewegungsdrang meiner Beine gehorchend und hier und da nun auch selbst einen Schnappschuß machend. Nachdem ich dann nach kurzem Suchen abseits des eigentlichen Waldpfads auch den etwas versteckt gelegenen Kugelbaum entdeckt und ausgiebig abgelichtet habe, wandere ich wieder ein Stück zurück, bis dahin wo sich mein Weg mit einem anderen kreuzt. Dort befindet sich auch, am grasbedeckten Waldboden liegend, ein weiteres Schild mit dem Hinweis "Naturschutzgebiet Schulzensee: 600 m". Ich folge von nunan also jenem "Kreuzweg" und gelange wenige Augenblicke später an den besagten moorastigen See, der von Bäumen komplett durchwachsen zu sein scheint. An seinem Ufer spaziere ich noch ein wenig auf und ab, dann mache ich mich auf den Rückweg ins Kloster. Immer wieder knipse ich dabei das eine oder andere interessante Waldmotiv mit meiner Kamera. Vor allem die um diese Jahreszeit überall anzutreffenden Pilze haben es mir dabei angetan, so daß ich mich wohl an jenem Tag mit Fug und Recht als "Pilzsammler" bezeichnen darf - oder vielleicht sogar als "Pilzjäger", habe ich doch hier und da ein paar recht schöne Exemplare "geschossen", ohne daß allerdings - so sei es dem Naturfreund zur Beruhigung gesagt - auch nur eines von ihnen dabei ernstlich zu Schaden kam.





Bildnachweis: Kugelbaum, Wegweiser am Waldweg, Hinweisschild Naturschutzgebiet, Schulzensee


11:10 Uhr


TAG 3: 12.10.2011 [Teil 3]


Zurück im Kloster nutze ich die Gunst der vormittäglichen Stunde, um endlich auch einige Fotos vom - zu dieser Zeit noch vollkommen menschenleeren - Speiseraum im Hauptgebäude zu machen. Anschließend gehe ich noch einmal kurz in mein Quartier, um meine - vom Waldspaziergang im teilweise etwas höheren Gras - feuchtgewordenen Socken gegen ein Paar trockene zu tauschen und begebe mich danach wieder gemächlichen Schrittes zur Einnahme der Mittagsmahlzeit zurück ins Haupthaus. Auf dem klösterlichen Speiseplan stehen diesmal ein schlichter, mit Essig und Öl angerichteter Feldsalat als Vorspeise, Tortellini mit einer Sauce a la Napoli als Hauptgang und ein Aprikosenkompott als Nachtisch. Alles in allem wie gewohnt sehr reichhaltig und - man möge mir an dieser Stelle den ausgesprochen weltlichen Ausdruck verzeihen - übelst lecker. Rundherum satt und zufrieden ziehe ich mich am Ende des Mahls erneut auf mein Zimmer zurück, um dort sowohl das Essen wie auch all meine Eindrücke vom Vormittag zu verdauen und in aller Ruhe sacken zu lassen. Dabei stelle ich dann auch wieder einmal mehr fest, wie unheimlich wohl ich mich doch fühle ... hier im Kloster. Und das mit jeder einzelnen Sekunde mehr und mehr. Ja, wenn ich jetzt - ungefähr zur Halbzeit meines Aufenthalts - schonmal ein kleines Fazit ziehen darf, dann sicher jenes, daß ich inzwischen voll und ganz "angekommen" bin ... angekommen in jener unschätzbaren Stille, in der ich nunmehr auch die lebendige Gegenwart des Schöpfers in der schier unerschöpflichen Vielfalt seiner wundervollen Schöpfung jederzeit mit Leib und Seele nachhaltig zu verspüren glaube.


12:45 Uhr


Mit dem Beginn des Nachmittags verschwindet derweil vor meinem Fenster am Himmelszelt die bislang so strahlende Sonne hinter ein paar grauen Wolken. Trübe Gedanken kommen dabei bei mir dennoch nicht auf, allenfalls eine leichte Schläfrigkeit. Ihr nachgehend lege ich mich ein wenig aufs Bett und hänge dort meinen Gedanken nach.







Bildnachweis: Licht und Schatten - Die schöpferische Herrlichkeit beim Waldspaziergang und in der Kirche


13:30 Uhr


TAG 3: 12.10.2011 [Teil 4]


Alsbald erhebe ich mich wieder von meinem gemütlichen "Zwischenlager" und beschließe kurzerhand, die kommenden Stunden des Nachmittags der Lektüre des in meinem Bücherregal an der Wand stehenden Buches "Nicht auf Sand gebaut - Benediktinerinnen in Alexanderdorf" und damit der Geschichte und den Aufgaben jenes Klosters zu widmen, in dem ich am nunmehr dritten Tage zu Gast sein darf. Und siehe da. Kaum sind Entschluß und Buch ergriffen, da blinzelt auch die liebe Sonne wieder unter ihrer dichten grauen Wolkendecke hervor, um so mein Vorhaben ins rechte himmlische Licht zu rücken.

Ein kurzer Abriß dessen, was sich mir durch die Lektüre des Büchleins offenbarte - Teil 1 - Zum Lesen bitte anklicken!

Das Anwesen, auf dem sich heute das Kloster befindet, war einst ein kleiner Gutshof aus dem Besitz des Grafen von Schwerin. Am 10. April 1934 zog am Ausgang der Ortschaft Alexanderdorf - aus dem Kloster "St.Hildegard" in Berlin kommend - eine Gruppe von Schwestern in Ordenstracht ein, die hier am darauffolgenden Sonntag als Benediktinerinnen das feierliche Gotteslob aufnahm. Sie stellten dabei ihr neues Kloster von Beginn an unter das Patronat der Hl.Gertrud von Hefta. Aus den bescheidenen Anfängen heraus entwickelte sich, durch die langen Jahre des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und der DDR-Zeit hindurch, langsam aber stetig das klösterliche Leben in Alexanderdorf. 1984 wurde das Kloster zur Abtei erhoben und erhielt damit auch die volle kirchliche Anerkennung. Fortan trug es offiziell den Namen "Abtei St.Gertrud", ist aber nach wie vor weiterhin auch als "Kloster Alexanderdorf" bekannt. In seinen Mauern leben heute um die 30 Schwestern nach der Mönchsregel Benedikts. Unter Leitung einer Äbtissin gestalten die Schwestern gemeinsam, stets nach dem Willen Gottes fragend, den alltäglichen Rhythmus von Gebet und Arbeit, von Alltag, Festtagen und Erholung. Die Äbtissin ist hierbei - nach dem Verständnis der Benediktregel - die Stellvertreterin Christi im Kloster und ist damit für das Heil der ihr anvertrauten Schwestern vor Gott verantwortlich. Sie hat dafür Sorge zu tragen, daß die Schwestern auf geistlichem Wege immer weiter voranschreiten und daß jede Einzelne von ihnen sich mit ihren ganz speziellen Gaben in das Leben der Gemeinschaft einbringen kann. Dabei sind alle gleich wertvoll, und der innere Frieden innerhalb der Gemeinschaft ist ein hohes Gut, für das jede der Schwestern gleichermaßen mitverantwortlich ist.
Im Klosteralltag gilt es für die Schwestern, Gebet und Arbeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, wobei das Gebet deutlich die erste Stelle einnimmt. Dazu sowie zum Erhalt und der Förderung der klösterlichen Gemeinschaft gibt es eine, für alle Schwestern verbindliche Tagesordnung. Am Anfang jedes Tages steht hierbei das kirchliche Morgenlob (Laudes, montags bis samstags um 6.00 Uhr, sonntags um 6.30 Uhr). Danach hält jede Schwester für sich allein eine halbe Stunde stilles Gebet in der Kirche oder einem anderen geeigneten Ort. Quelle und gleichzeitig Höhepunkt des christlichen Lebens ist dann die Feier der Geheimnisse vom Tod und der Auferstehung Jesu (Eucharistie, montags bis samstags um 7.30 Uhr, sonntags um 7.45 Uhr), in der auch an den Tisch des Herrn (Abendmahl, Kommunion) eingeladen wird. Es folgen ein gemeinsam eingenommenes Frühstück und eine etwa dreistündige Zeit der Arbeit am Vormittag. Daran anschließend versammelt man sich zum gemeinschaftlichen Stundengebet (Sext, täglich um 12.15 Uhr). Hiernach folgen das Mittagsmahl, eine zehnminütige Singübung sowie eine Stunde gemeinsamer Entspannung (Rekreation), in der dann untereinander fröhlichen Herzens ausgiebig über die unterschiedlichsten Themen gesprochen wird, während außerhalb dieser Zeit von den Schwestern stets nur das Allernotwendigste geredet wird. Im Anschluß folgt wieder ein Stundengebet (Non, täglich um 14.00 Uhr). Danach bleibt noch etwas Zeit für eine kleine Ruhepause, bevor es um 15 Uhr nochmals für zweieinhalb Stunden an die Arbeit geht. Nach "Feierabend" versammelt man sich dann in der Kirche zum Psalmsingen nach alten Melodien des Gregorianischen Chorals (Vesper, täglich um 17.30 Uhr), bei dem im Einklang von Herz und Stimme die Worte der Heiligen Schrift zum Klingen gebracht werden. Das gemeinsame Abendessen schließt sich an und daran eine individuell zu gestaltende Zeit der ganz persönlichen geistlichen Lesung. Die Grundlage bilden dazu Texte aus der Bibel oder anderen geistlichen Schriften sowie die Lebensbeschreibungen der Heiligen. Es geht hierbei um eine bewußte Vertiefung des geistlichen Lebens, indem die Texte nicht nur einfach gelesen, sondern auch verinnerlicht, werden und schließlich zum Gebet hinführen. Den Tagesablauf der schwesterlichen Klostergemeinde vollendet dann das kirchliche Nachtgebet (Komplet, täglich um 19.45 Uhr). Und weil nach alter Tradition der neue Tag bereits jeweils am Vorabend beginnt, schließt sich unmittelbar hieran noch eine längere Gebetszeit mit mindestens 8 Psalmen und einer ausführlichen Schriftlesung (Vigilien) an, welche durch die hereinbrechende Nacht zum neuen Morgen hinüberleiten soll.
Beim Lesen irgendwo in der Mitte jenes ausgesprochen interessanten Buches angelangt, lege ich es fürs Erste zur Seite, denn die Sonne lächelt mich durch das Fenster von draußen her inzwischen einfach so herrlich an, daß es wahrhaft eine geradezu unverzeihliche Sünde wäre, den restlichen Nachmittag nicht noch für einen weiteren Spaziergang zu nutzen.


15:30 Uhr


Auch diesmal tut mir der Ausflug ins Freie wieder unglaublich gut. Das im Schatten der hohen Bäume anzutreffende Zusammenspiel aus frischer Luft und wohltuender Waldesruh ist zur Erquickung von Körper und Seele gleichermaßen eben einfach unübertroffen. Hier, in jener natürlichen Abgeschiedenheit, beschleicht mich stets aufs Neue das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben. Nichts und niemand drängt mich zur Eile. Ganz im Gegenteil: Mein anfangs doch noch recht forscher Schritt wird mit jeder Minute immer ruhiger, bis ich letztendlich ganz gemütlich dahinschlendere und - hin und wieder für einen Moment lang andächtig lauschend, tief ein und aus atmend innehaltend - die Schönheit der mich umgebenden größtenteils naturbelassenen Landschaft staunend betrachte. An einer etwas abseits gelegenen Stelle des Waldes begegnet mir hier mitten im Herbst sogar die hübsch ausgeschilderte Möglichkeit zum eigenhändigen Schlagen eines Christbaums. Sie erinnert mich mit dem nahegelegenen, einfachen kleinen Stück Nadelwäldchen zugleich an das Wunder der Geburt Christi in einem Stall nahe Bethlehem, welches sich mir in einigen hundert Metern Luftlinie hinter den dortigen Klostermauern passenderweise auch noch einmal stets aufs Neu in einer - zur Kirche umgebauten - ehemaligen Scheune begegnet. Genau in diese Richtung lenke ich nun auch wieder meine gemächlichen Schritte. Und als mich meine tief empfundene "Waldeslust" am Ende des klösterlichen Rückwegs schließlich wieder freigibt, bleibt mir nach einem flüchtigen Blick auf die, in der Jackentasche mitgeführte Uhr sogar noch genug Zeit, um einen kleinen Freigang entlang der Klostermauern zu unternehmen und dann ins Klosterinnere und dort in meine gute Stube zurückzukehren, wo ich all dies schriftlich niederlege, bevor mich die Klosterglocke ein drittes und damit auch schon vorletztes Mal zur Vesper ruft.





Bildnachweis: Schild und Waldstück zum Christbaumschlagen, Blick über die Klostermauer aufs Gästehaus, Außerhalb gelegener Spielplatz nahe der Klostermauer


17:15 Uhr


TAG 3: 12.10.2011 [Teil 5]


An diesem Nachmittag treffe ich bereits vor dem Glockenläuten in der Kirche ein und entdecke dadurch einige Dinge, die mir an den beiden vorherigen Tagen entgangen waren. Zum einen bemerke ich, daß hier neben ein paar Gästen auch schon einige Ordenschwestern anwesend sind, die die Gottesdienstfeier vorbereiten, indem sie beispielsweise die Deckenbeleuchtung einschalten und die Kerzen um den Altar herum entzünden. Bei letzterem kommt mir unweigerlich das bekannte deutsche Weihnachtslied "Sind die Lichter angezündet" in den Sinn, und in meinem Geiste gesellt sich sogleich noch eine weitere Aussage jenes Liedes hinzu: "Weihnschtsfreude wird verkündet". Im weitestgehenden Sinne trift diese Feststellung auch auf die nun bevorstehende Gottesdienstfeier zu. Auch sie ruft die Anwesenden zur Freude auf - zur Freude darüber, daß Gott am Heiligen Abend in der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus zu uns auf die Welt kam und seither jederzeit mitten unter uns weilt, wo wir uns - wie hier und jetzt - in seinem Namen zusammenfinden.
Als sich dann nach dem Ertönen der Klosterglocke in meinem Rücken die Tür öffnet und damit den uni-formierten Einzug der Ordensschwestern ankündigt, wozu wir Gäste uns alle wie gewohnt von den Sitzplätzen erheben, da geschieht innerlich in mir plötzlich etwas völlig Unerwartetes. Mich ergreift nämlich mit einem Male - es mag wohl meiner zuvor betriebenen eingehenden Beschäftigung mit dem Klosterleben der Benediktinerinnen geschuldet sein - eine tiefe Erfurcht vor jedem einzelnen individuellen Glied der nun vor meinen langsam feucht werdenden Augenins Gotteshaus einziehenden schwesterlichen "Ordenskette". Wenn ich mir vorstelle, mit welch aufopfernder Hingabe sie in ihrer Ordenstracht Tag für Tag nach dem Willen Gottes trachtend ihr Lebens ganz und gar in seinen Dienst stellen, um es so selbst zu einem immerwährenden Gottesdienst werden zu lassen, berührt mich das unwahrscheinlich. Bei allem, was sie tun - in ihrer Arbeit ebenso wie im Gebet - loben, preisen, danken und ehren sie den Schöpfer. Wie weit bin ich doch in meinem alltäglichen Leben oft von diesem hohen Anspruch entfernt?!
Spürbar bewegt von jener geistlichen Erkenntnis nehme ich in der Folge diesmal als Gast noch intensiver teil am festen Ritus des gemeinsamen Aufstehens und Hinsetzens sowie des Sich-Tief-Verneigens vor dem, durch den seinernen Altar mit dem darüberhängenden Kreuz und den ihn umgebenden Kerzen gleichsam symbolisierten, dreieinigen Gott ... dem Vater, dem Sohn und dem Heiliger Geist.


18:00 Uhr


Beim anschließenden Abendessen ist dann auf einmal alles nur noch Käse. Was nicht bedeutet, daß meine Stimmung umgeschlagen oder das Speisenangebot diesmal nicht abwechslungsreich und schmackhaft wäre. Nein, es gibt an jenem Abend eben nur alle erdenklichen Arten von Käse: Schmelzkäse, Frischkäse und Scheibenkäse in unterschiedlichsten Varianten. Ja, sogar der gute alte "Stinkerkäse" - auch Harzer genannt - den mein Opa früher so liebte, ist vertreten. Um den mache ich in seiner reinen, geruchsintensiven Form allerdings auch hier einen großen Bogen. Dennoch begegnet er mir kurze Zeit später wieder ... gemeinsam mit all den anderen Käsesorten, gewürfelt in einem herzhaften Käsesalat. In dieser Kombination kann dann sogar ich mich mit dem "ollen Stinker" anfreunden. Und so wird dieses käsige Mahl unter Hinzunahme von Brot, ein paar Gewürzgurkenscheibchen und heißem Tee zu einem durchweg frischen Genuß, einfach zum Dahinschmelzen, von dem man sich später sicher gern auch zuhause mal eine Scheibe abschneiden kann.







Bildnachweis: Kreuz überm Altar, Altar mit Kerzen, Lesepult mit ausgelegter Schrift, Pieta (Vesperbild der Hl.Mutter Maria mit dem Leichnam des vom Kreuz genommenen Christus)


18:45 Uhr


TAG 3: 12.10.2011 [Teil 6]


Zurückgekehrt auf mein Zimmer nehme ich mir erst einmal ganz viel Zeit, um all meine bewegenden Gedanken und Eindrücke der vergangenen anderthalb Stunden möglichst umfassend und ausdrucksstark zu Papier zu bringen ... eine - zugegebenerweise - doch immer wieder recht anspruchsvolle Tätigkeit.
Was anspruchsvolle Tätigkeiten angeht, so ist übrigens auch das klösterliche Leben durchaus voll davon. Und damit widme ich nun - zu bereits fortgeschrittener Abendstunde - ein weiteres Mal dem Inhalt des von mir ausgewählten Buches "Nicht auf Sand gebaut - Benediktinerinnen in Alexanderdorf".

Ein kurzer Abriß dessen, was sich mir durch die Lektüre des Büchleins offenbarte - Teil 2 - Zum Lesen bitte anklicken!

Die einprägsame Formel "ORA ET LABORA" (Bete und arbeite!) steht als Inschrift auf der Glocke im Klosterhof der "Abtei St.Gertrud". Und ganz im Sinne der Benediktregel möchte man gern noch hinzufügen: "Damit in allem, was Du tust, Gott verherrlicht werde!" Über die Formen des Gebets hier im Klosteralltag habe ich ja zuvor schon berichtet. Doch wie sieht es mit der Arbeit aus? Welche Tätigkeiten üben die Ordensschwestern im Kloster Alexanderdorf als Gegengewicht zu ihrem intensiven Gebetsleben eigentlich aus?
Nun, bis in die siebziger Jahres des 20. Jahrhunderts hinein betrieb man auf dem Klostergelände mit Scheune und Stallungen noch eine eigene kleine Landwirtschaft. Dann aber war diese nicht mehr erträglich genug für die Gemeinschaft, und es mangelte zudem auch an den geeigneten Schwestern für jene Arbeit. Eine Phase des jahrelangen Umbaus setzte ein, wobei sich Scheune und Ställe nach und nach in Kirche, Gästehaus und Arbeitsstätten verwandelten. In letzteren werden heute liturgische Gewänder für Gottedienste angefertigt und Hostien gebacken, die von hier aus an Gemeinden beider chsritlicher Konfessionen in alle neuen Bundesländer und sogar bis nach Sibirien ausgeliefert werden.
Auch die traditionelle benediktinische Aufgabe der Gästeaufnahme im Kloster stellt ein wesentliches Betätigungsfeld für die Ordensschwestern dar - ebenso wie eine erträgliche Einnahmequelle. Und selbstverständlich werden auch in der hauseigenen Küche und Wäscherei viele fleißige Hände benötigt. Hinzu kommt die Arbeit im immernoch relativ großen Klostergarten, in welchem Blumen und Kräuter angepflanzt, herangezogen und geerntet werden. Nicht zu vergessen sind diejenigen Schwestern, die sich Tag für Tag liebvoll um ihre kranken und hilfebedürftigen Mitschwestern kümmern, und auch solche, die den ständig wachsenden Bücherbestand oder aber gar die Finanzen des Klosters verwalten.
Freizeit als Raum für Erholung und Entspannung kommt im festen Tagesablauf der Benediktinerinnen zugegebenerweise meist recht kurz. Damit sie für die Einzelne dennoch nicht zu kurz kommt, regelt an Sonntagen und feiertags ein besonderer Plan alle notwenigen Arbeiten, so daß jede Schwester dann wenigstens einen halben Tag Zeit hat für Gespräche, Spaziergänge, zum Lesen, Briefeschreiben, Musizieren oder Musikhören bzw. damit sie auch mal ein etwas ausgedehnteres Mittagsschläfchen nachen kann. Außerdem erhält jede Ordensschwester drei Wochen Erholungsurlaub im Jahr, welche sie in jedem zweiten Jahr dann auch außerhalb der eigenen Klostergemeinschaft verbringen kann. Meist besuchen die derartig vom Klosterleben "Beurlaubten" dann andere Klöster. Und auch die "Daheimgebliebenen" gestalten in dieser Zeit, in der das Gästehaus geschlossen bleibt, ihre Tagesordnung freier, indem sie Ausflüge in die Umgebung unternehmen. Man kann sich freilich in seinen "Ferien" auch zur intensiven Beschäftigung mit der Heiligen Schrift oder zum Gebet zurückziehen. Am Ende des "Urlaubs" jedenfalls halten dann alle Schwestern gemeinsam noch einmal in fröhlicher Runde Rückschau auf das Erlebte und nehmen anschließend gestärkt das alltägliche klösterliche Leben wieder auf.
Abschließend stellt sich vielleicht noch die Frage, wie man als interessierte Frau überhaupt Schwester im Kloster wird. Nun, dazu tut man den Verantwortlichen der Ordensgemeinschaft zunächst einmal sein Interesse kund. Es folgt daraufhin eine Einladung , eine gewisse Zeit am Gebet und der Arbeit der Schwestern teilzunehmen. Gespräche mit der sogenannten Novizenmeisterin des Klosters dienen in diesen Wochen immer wieder der Prüfung, ob eine Aufnahme als Anwärterin möglich ist. Dann folgt über Jahre hinweg in mehreren Stufen ein weiterer Prozeß der Probe und Prüfung, in dessen Verlauf sowohl die Gemeinschaft als auch die Ordensanwärterin selbst herausfinden sollen, ob man für das lebenslange klösterliche Zusammenleben im Dienste Gottes bereit ist. Am Ende all dessen steht dann im besten Fall ein zeitliches Gelübde und wiederum Jahre später ein endgültiges. Wobei die daraus hervorgehende neue Schwester nun am Anfang einer neuen alltäglichen Herausforderung steht, auch wenn sie gleichzeitig ja scheinbar am Ziel ihres anfänglichen inneren Wunsches angelangt sein mag.
Auch mein zweigeteilter Abriß hat hiermit sein Ziel erreicht, indem er mir einen ausgiebigen Einblick in das Leben der Ordensschwestern und in den Klosteralltag bescherte.
All das beim Lesen Erfahrene überdenkend, stelle ich wenig später - während draußen längst die Dunkelheit angebrochen ist - das Buch wieder an seinen angestammten Platz zurück, entkleide mich und lasse mich dann ein weiteres Mal inmitten meines Zimmers auf die Knie sinken, um Gott zu danken und ihn gleichzeitig auch um seinen nächtlichen Beistand zu bitten für mich und alle die, die mir nahestehen. Als Ausgangspunkt für mein Gebet dient mir hierbei diesmal Psalm 4 - überschrieben als: Gottes Schutz in der Nacht.


22:10 Uhr


In den folgenden Stunden überfällt mich dann auf recht unangenehme Weise noch eine kleine körperliche Magen-Darm-Verstimmung. Ihr wirke ich zum einen - unter Zuhilfenahme meiner mitgeführten kleinen Reiseapotheke - umgehend medikamentös entgegen, zum anderen breche ich auf leisen Sohlen noch einmal auf in die meinen Zimmer recht naheliegende Teeküche meines Gästehauses, wo ich mir gegen freiwillige Entrichtung eines entsprechenden Obulus eine Thermoskanne Kamillentee zubereite und sie anschließend mit in meine Räumlichkeiten entführe. Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht entschlummere ich mit leicht rückläufigem Magengrummeln schließlich sanft.





Bildnachweis: Glastür zum Speisesaal, Mein Zimmer mit Blick auf Schwester und Gast, Weites Feld in Klosternähe, Torweg zum Klostergarten


Ende Tag 3

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Angel (16. September 2013, 08:37)

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Samstag, 7. Januar 2012, 15:54

TAG 4: 13.10.2011


Ich erwache um Punkt 5 Uhr beim ersten Klang der Klosterglocke, bleibe aber - auch aufgrund meines leicht angeschlagenen körperlichen Zustands - nach einem weiteren Täschen Kamillentee noch bis gegen 7.30 Uhr im Bett. Dabei wird mir schlagartig auch bewußt, daß meine Tochter Laura an diesem Tag ihren zehnten Geburtstag feiert. Kein Wunder also, daß sie zuvor ein Teil meiner nächtlichen Traumwelt war, an deren Ende ich mich dann im Unterbewußtsein größtenteils auf der Flucht über Hochhaustreppen und hindernisreiche Hinterhöfe befand, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, vor wem und weshalb.
In der Realität des neu beginnenden Tages hingegen lasse ich es da schon einmal deutlich ruhiger angehen. Ganz gemächlich erhebe ich mich vom Bett und ziehe die Vorhänge vor meinem Fenster zurück, wozu ich die linke Fensterhälfte zum Lüften leicht anklappe. Ich mache mein Bett, gehe zähneputzen, duschen und mich anziehen. Anschließend trinke ich noch eine weitere schöne warme Tasse Kamillentee und nehme vorsorglich noch eine Tablette für den Magen ein. In aller Gelassenheit ziehe ich mir im Anschluß Jacke und Schuhe an und verlasse meine gute Stube und das Gästehaus St.Josef in Richtung des Haupthauses. Dort angekommen dauert es noch einen kleinen Moment, bis die Eingangstür von innen aufgesperrt wird und ich - gemeinsam mit den fast gleichzeitig von der Kirche her eintreffenden Teilnehmern der Eucharistiefeier - eintreten darf. Auch an diesem Morgen sind die Tische im Speiseraum wieder liebevoll eingedeckt, und das Bufet in gewohnter Manier äußerst reichhaltig bestückt, wobei ich mir allerdings diesmal zur Schonung meines etwas angegriffenen Magens nur eine kleine Tasse Kaffee und ein ganz dünn mit Butter und einem Hauch Marmelade bestrichenes Brötchen gönne. Ganz nebenbei bekomme ich aus den leisen Tischgesprächen auch mit, daß eine der mit uns am Tisch sitzenden Schwestern leicht erkältet ist und auf einen Hinweis der Mutter des rollstuhlbedürftigen Max vom Vortag diesem Umstand mit dem altbewährten Hausmittel Zwiebelsaft zu Leibe gerückt ist. Der Junge Max erbittet sich bei der Gelegenheit von besagter Schwester ein Buch aus der Bibliothek zum Ausleihen. Wer nun aber glaubt, es müsse sich beim gewünschtem Buch zweifellos um ein ungemein geistliches Werk handeln, der irrt! Was sich der Junge erbittet, ist vielmehr das ungeheuer weltlich erscheinende Bestseller-Rowling "Harry Potter und die Kammer des Schreckens". Auf diesen Wunsch näher eingehend, merkt die Schwester schmunzelnd an, daß gegen jenen zauberhaft abenteuerlichen Roman ein dem jungen Max von ihr zuvor ans Herz gelegtes geistliches Buch wohl kaum eine echte Chance habe. Welch realisitische, aber auch etwas betrübliche Sicht der Dinge. Dennoch: Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! Und wenn sie es tut, dann ganz sicher nicht auf ewig. Schon gar nicht hier im Kloster! Nein, hier ersteht sie spätestens am dritten Tage wieder auf von den Toten und wird fortan jeden Morgen ganz neu geboren, beim ersten Klang der Glocke und dem damit einhergegenden Aufgang der hellerlichten Sonne.
Die scheint mir übrigens auch wieder, während ich - zurückgekehrt auf mein Zimmer - all meine innersten Gedanken und Erlebnisse zu Papier bringe und dabei ab und an zum Fenster hinausschaue, in strahlendster Verfassung zu sein. Und nun, da auch mein Magen sich wieder beruhigt hat, lockt sie mich damit unweigerlich ins Freie hinaus. So folge ich ich ihrem goldigen Lockruf nach draußen und lasse Körper und Geist von Sonnenschein und frischer Luft neu betanken.







Bildnachweis: Kaffeemühle in Gästehausteeküche, Ikone an Garagenwand vor meinem Fenster, Bücherecke am Haupthauseingang, Rollstuhlgerechter Nebeneingang zum Haupthaus


10:00 Uhr


TAG 4: 13.10.2011 [Teil 2]


Bei meinen - teilweise recht ausgedehnten - Waldspaziergängen gewinne ich, obgleich ich oftmals kreuz und quer wandere, immer wieder den Eindruck, daß hier vor Ort letztendlich alle Wege zwar nicht nach Rom, dafür aber stets zurück ins Kloster führen. Und so komme ich auch diesmal nach etwa dreiviertelstündlichem Fußmarsch am schmiedeeisernen Eingangstor der Abtei St.Gertrud an, das - durchgehend vom frühen Morgen bis zum späten Abend - allen Gästen und Besuchern weit offensteht. Den Kragen meines Poloshirts habe ich dabei unter meiner wetterfesten Jacke längst hochgeschlagen und die Hände in den Jackentaschen sorgsam verborgen. Oh ja, es läßt sich nicht bestreiten, das strahlende Lächeln der Sonne trügt ein wenig. Es ist schon ziemlich kalt an diesem Herbsttag des Jahres 2011 nach Christi Geburt. Und so drehe ich, ein wenig durchgefroren das Gästehaus betretend, in meinem Zimmer unterm Fenster auch sogleich die Heizung ordentlich weit auf, welche leise vor sich hin rauschend umgehend wohlige Wärme im ganzen Raum zu verbreiten beginnt.
Desweiteren begebe ich mich für einen Moment in die nahegelegene Teeküche, um mir dort eine Kanne schönen heißen Pfefferminztee aufzubrühen. Hierbei treffe ich unterdess auch eine der unzähligen fleißigen Helferinnen an, die für die Sauberkeit und das Aufstocken der Vorräte im Gästehaus sorgen. Wir unterhalten uns kurz, während das Leitungswasser im Wasserkocher langsam vor sich herzubrodeln beginnt, dann geht sie nebenan im Flur die Treppe zum Obergeschoß wischen und läßt mich erst einmal in aller Ruhe meine bereits bereitstehende Thermoskanne befüllen. Tja, der Gast ist halt auch hier im Kloster König, oder sagen wir mal - biblisch betrachtet - zumindest einer aus dessen unmittelbarer Gefolgschaft. Und so lasse ich mir, wieder zurück in meiner Unterkunft, den aromatisch duftenden, herrlich heißen Teebeutelaufguß - aus der Kanne zuvor in die schon in meinem Zimmer befindliche Tasse abgefüllt - zum krönenden Abschluß des bei majestätischem Sonnenschein langsam zuendegehenden Vormittags, am Schreibtisch thronend, Schluck für Schluck königlich schmecken. Dabei blättere ich beim Aus-dem-Fenster-Schauen und abwartenden Teetrinken noch ein wenig in einem Büchlein mit dem Titel "Gebete der Christenheit" von Walter Nigg, und dann ist es langsam auch schon wieder an der Zeit, sich zur Einnahme des gemeinsamen Mittagsmahls ins Haupthaus zu begeben.





Bildnachweis: Kleine auserlesene Trophäenschau der fotografischen "Jagderfolge" meiner Ausflüge ins Reich der Waldpilze ... 1-2-3-Allerlei


11:35 Uhr


TAG 4: 13.10.2011 [Teil 3]


Während des Mittagessens in trauter Runde wird mir dann einmal mehr richtig bewußt, wie sehr sich mein Leben in den letzten 4 Tagen hier doch schon verändert hat. Da steh ich nach dem Betreten des Speiseraums zunächst einmal minutenlang kerzengerade hinter meinem Stuhl, die Hände vorm Bauch zusammengefaltet, und warte darauf, daß alle anderen Anwesenden ebenfalls Aufstellung nehmen und das Tischgebet gesprochen wird. Andächtig lausche ich dem Vorbeter und bekräftige mit dem schlußendlich gemeinsam gesprochenen Amen, daß es auch mein innigstern Wunsch ist, daß Jesus Christus unser aller Gast sein und die uns von seinem göttlichen Vater her zuteilgewordenen Speisen und Getränke segnen möge. Gemeinsam nehmen wir alle daraufhin platz, reichen uns gegenseitig das Essen und das bereitstehende Mineralwasser zu und wünschen uns dabei gegenseitig von Angesicht zu Angesicht nochmals eine gesegnete Mahlzeit.
Blatt für Blatt genießen wir hierauf unseren mit Essig und Öl angerichteten Feldsalat, Bissen um Bissen im Anschluß unsere herrlich duftenden und nicht weniger herrlich schmeckenden Kohlrouladen mit dunkler Soße und Kartoffeln als Sättigungsbeilage. Und Stück für Stück lassen wir uns abschließend auch noch die aromatisch im eigenen Saft eingelegte Williams-Christ-Birne munden, welche zu Tisch den Nachtisch darstellt. Das alles einmal mehr in andächtiger Stille, ohne jegliche Hektik und mit einem glückseligen Lächeln in allen Gesichtern.
Nichts, aber auch rein gar nichts, erinnert dabei an jenes Eßverhalten, das ich sonst im arbeitsreichen Alltag an den Tag zu legen gewohnt bin: Mehr schlingend als kauend oder gar genießend in lärmender Umgebung mal hier und da rasch ein paar Happen nebenher einschieben, gestreßt und ständig unterbrochen von nervenden Bittgesuchen und Klingeltönen aller Art. Hier hingegen ist der einzige Klingelton das sanfte Läuten der Klosterglocke. Und der einzig Bittende und Suchende bin ich selbst, Ja, ich erbitte und suche nämlich immer wieder die Stille - und darf sie hier vor Ort Tag für Tag und Stunde um Stunde in jeder einzelnen Minute und Sekunde neu finden und dankbar in Empfang nehmen. Schon jetzt, knapp 24 Stunden vor ihrem vorläufigen Abschluß, erweist sich damit meine, anfangs vielleicht noch scheinbar unmögliche Mission "Stille Zeit im Kloster" als voller Erfolg - und ich darf dabei aus tiefster Seele hinzufügen: Gott sei Dank!
Und so begebe ich mich wenige Augenblicke später innerlich erfüllt von jener Dankbarkeit einerseits sowie von Speis und Trank andererseits ruhigen Schrittes in die vier Wände meiner Unterkunft zurück.


12:45 Uhr


Was ich vielleicht nicht unerwähnt lassen sollte: Mittagsruhe wird großgeschrieben - und das keineswegs nur im vielseitigen Wörterbuch eines Herrn Duden, sondern auch hier bei meinem Aufenthalt innerhalb der alexanderdörfischen Klostermauern. Und das, obwohl sie jeden Tag nur den relativ kleinen Zeitraum von etwa einer halben Stunde umfaßt. Sie gehört nunmal einfach mit dazu, jene kurze Ruhephase, in der ich - alle Viere von mir streckend auf dem Bett liegend mit starrem, nach oben zu Decke gerichtetem Blick - für einen Moment lang alles um mich herum vergesse, die Augen schließe und vor mich hin döse, um dann wieder frisch und munter in den Rest des Nachmittags zu starten, dessen sonnige Stunden auch diesmal vor allem wieder geistiger Lektüre vorbehalten sein werden.





Bildnachweis: Kleines Häuschen im Klostermauereck, Vogelhaus auf dem Klostergelände, Uhr mit Westminstergong im Speiseraum, Kiste und Hocker im Gästehaus-Obergeschoß


13:20 Uhr


TAG 4: 13.10.2011 [Teil 4]


Auf der Suche nach einem geeigneten Lesestoff werde ich in der kleinen Bibliothek im Obergeschoß meines Gästehauses relativ schnell fündig. Ich entdecke dort nämlich ein Buch mit dem vielversprechenden Titel "Geistlich leben im Sinne alter Klosterregeln" von Peter Dyckhoff. Es enthält zu meiner Freude neben den klösterlichen Regeln nach Basilius, Augustinus, Franziskus, Ignatius und Klara auch jene Benedikts, nach denen man sich hier im Kloster richtet.

Ein kurzer Abriß dessen, was sich mir durch die Lektüre des Büchleins offenbarte - Teil 1 - Zum Lesen bitte anklicken!

Folgende Regeln sollen dem Menschen dabei helfen, im Alltag Demut sowie die sogenannte geistliche Kunst einzuüben:
* Pflege ein gesundes Selbstbewußtsein, hüte Dich aber gleichzeitig vor Überheblichkeit und Selbstüberschätzung!
* Werde feinfühliger, um inmitten alles Vergänglichen das Unvergängliche wahrnehmen zu können!
* Handle nicht unüberlegt, solang Dich Deine Intuition trügen kann!
* Vermeide unbeherrschtes und lautes Reden! Sei mit Deiner Stimme eher gemäßigt und zurückhaltend! Setze Vernunft und Denken ein, bevor Du sprichst!
* Verteidige und rechtfertige Dich nie unnötig, sondern harre lieber schweigend aus! Bleibe dabei standhaft, ohne müde zu werden, und übe Dich in Geduld!
* Laß allzu laute Eindrücke in Deinem Alltag nicht überhand nehmen, so daß Du durch sie belastet wirst!
* Laß freudigen Impulsen in Dir stets freien Lauf! Lache jedoch niemals, wenn Dir nicht danach zumute ist - nur, um anderen einen Gefallen zu tun!
* Sei Dir der Folgen Deines Tuns und Lassens stets bewußt und handle aus dieser Verantwortung heraus!
* Halte Maß beim Essen und beim Trinken! Gönne Dir ausreichend gesunden Schlaf, laß aber keine Trägheit zu!
* Laufe nicht davon vor unangenehmen Dingen, Unrecht und Leid, welches Dir auf Deinem geistlichen Lebensweg begegnet!
* Beziehe den Tod, der unumgänglich ist, in Dein Leben mit ein!
* Sei darauf bedacht, alle Dunkelheit Deines Herzens auszuleuchten und alle Hindernisse aufzulösen, die dem Strömen wahrer Lebensenergie in Dir im Wege stehen!
* Halte Dich soweit wie möglich von allen dunklen und deprimierenden Dingen des Lebens fern! Laß nichts Dunkles in Dich hinein!
* Wenn Launen oder dunkle Gedanken in Dir aufkommen, gehe ihnen umgehend auf den Grund und versuche, ihre Ursache zu beseitigen!
* Vergelte niemals Gleiches mit Gleichem, sondern stelle Liebe und Vergebung stets über alles!
* Sei ehrlich zu Dir selbst, und überschätze Dich selbst nicht! Gestehe eigenes Fehlverhalten stets ein und entschuldige Dich dafür!
* Steuere die Wünsche Deines Körpers selbst, und laß Dich nicht von Deinem Körper steuern!
* Kultiviere Deine sexuellen Wünsche, und laß Dich nicht von ihnen beherrschen!
* Übe von Zeit zu Zeit Enthaltsamkeit! Bleibe stets bescheiden und lerne dort zu entsagen, wo es geboten erscheint!
* Nimm nichts, was anderen gehört, und mach es Dir zueigen! Mache auch nicht das Schicksal eines anderen Menschen zu Deinem eigenen!
* Greife nienmals störend in ein anderes Leben ein! Vor allem aber: Zerstöre kein Leben!
* Behandle jeden anderen Menschen so, wie auch Du selbst behandelt werden möchtest!
* Enttäusche und verletzte niemanden, dem Du Deine Treue zugesagt hast, vor allem nicht Deinen Partner!
* Bleibe in allem in der Wahrheit! Hüte Dich vor falschem oder unnützem Reden! Schweige eher, als daß Du jemanden durch Deine Worte belastest!
* Vergiß nie, Dich den Menschen zuzuwenden, die Deine Hilfe benötigen! Werde sensibel für ihre Belange!
* Kehre nach einem Streit mit jemandem stets noch vor Sonnenuntergang zum Frieden zurück!
* Baue Vorurteile gegenüber anderen so gut und schnell wie möglich ab, um Dich damit der eigentlichen Wahrheit nähern zu können!
* Sieh diejenigen, die Du nicht magst, als Herausforderung und lerne Wesentliches aus dieser Erfahrung!
* Erhebe Dich nicht über andere, und meide jeglichen Stolz! Hüte Dich vor Besserwisserei, und falle niemandem ins Wort!
* Nimm jeden Mitmenschen als einmaliges Geschenk des Schöpfers an! Entdecke in ihm den Widerschein des Schöpfers, liebe und ehre ihn!
* Bete auch für diejenigen, die Du noch nicht ehren und lieben kannst!
* Segne in Deinem Herzen und im Gebet alle, die schlecht über Dich reden, Dir Deine Gaben nicht gönnen und hinter Deinem Rücken abfällige Bemerkungen machen!
* Mache Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde zum Maßstab aller Dinge und damit auch zum Maßstab Deines eigenen Lebens!
* Halte Dich an die Heilige Schrift und an die darin aufgestellten Gebote! Entdecke in der Nachfolge Christi die Dir gemäße Gangart, und bleibe ihr treu!
* Gib in allem Christus in Deinem Leben den Vorrang! Setzte das Gebet und die Hingabe an ihn stets an erste Stelle in Deinem Leben!
* Kultiviere Deinen Willen dahingehend, daß er zum Willen Gottes wird! Richte Dein Tun, Reden, Denken und Fühlen so aus, daß dadurch Gottes Wille geschehe!
* Spüre immer wieder neu, wie sich der Wille Gottes in Deinem Leben ausdrücken möchte, und handle danach!
* Zweifle niemals an der Gnade und Barmherzigkeit Gottes, selbst dann, wenn Du Deine Zuwendung nicht gleichbleibend spürst!
* Ersetze alle dunklen Gedanken in Dir durch lichtvolle, die Du auf Christus ausrichtest!
* Setze all Deine Hoffnung auf Gott und denke daran, daß alles Gute, was Du erfährst, von ihm ausgeht!
* Binde Dich nie zu sehr an materielle Güter, äußere Ansprüche oder Ämter! Gib Dich immer wieder ganz dem Schöpfer hin, ohne an Weltlichem zu hängen!
* Verliere Dich nur in Hingabe und Gottesliebe - nicht in anderen Dingen!
* Wisse, daß der Schöpfer allgegenwärtig ist, so daß Du ihm in allen Menschen und allem Geschaffenen begegnen kannst!
* Sprich mit jemandem, dem Du Dein Vertrauen schenkst, über Dein geistliches Leben und folge seinem Rat!
* Folge den Weisungen Deines geistlichen Begleiters auch dort, wo Du den Sinn nicht sofort einsiehst! Setze dabei Dein Vertrauen ganz auf Gott!
* Sprich nur von Dir und Deinen Erfahrungen im Christsein, wenn Du danach gefragt wirst!
* Verbringe auch in Deinem Alltag einen Teil Deiner Zeit mit dem Lesen geistlicher Literatur!
Nach mehr als drei Stunden geistlicher Lektüre lege ich das klösterliche Regelwerk dann fürs Erste beiseite, um die mir bis zur Vesper noch verbleibende knappe Dreiviertelstunde nochmals für einen kurzen Spaziergang zu nutzen.


16:40 Uhr


Durch das Eingangstor des Klosters hindurch führt mich mein Weg einmal mehr entlang der Backsteinmauer und der Gästehausrückseite, vorbei am Klostergarten auf dem Plattenweg zwischen den angrenzenden Feldern hin zu einer Art natürlichem Durchgang, welcher von zwei von zwei hochgewachsenen, aus ihrem Umfeld sichtbar herausragenden Bäumen gebildet wird, zwischen deren üppig ausgebreiteten Kronen sich vor meinen Augen das nahezu unbewegte prächtige Wolkenmeer vom hellblauem Himmelsgrund malerisch abhebt. Es kommt einem beim langsamen Daraufzuschreiten fast so vor, als hätte man hierin gar die langersehnte Pforte zum paradiesischen Himmelreich entdeckt. Und doch ist diese - meinem ganz persönlichen Empfinden nach zumindest - viel eher in der genau entgegengesetzten Richtung zu suchen, nämlich dort, wo ich geradewegs herkomme und wohin mich wenig später mein kurzer Ausflug ins Freie auch wieder zurückführen wird ... im Kloster in der Gemeinschaft der Ordensschwestern von Alexanderdorf.
Zu meinem Erstaunen entdecke ich beim langsamen Dahingehen am Rande des Wegs immer wieder Schafgarbe - eine der wenigen Pflanzen, die selbst ich, der sonst sämtliche in der Natur vorkommende Gewächse lediglich nach ihren Farben einzuteilen und in hübsch oder weniger hübsch zu unterscheiden vermag, auf Anhieb zweifelsfrei identifizieren kann. Eigentlich verwunderlich, daß mir dieses hier scheinbar doch recht weit verbreitete Kraut nicht schon bei meinen vorherigen Spaziergängen vor Ort aufgefallen ist. Innerlich ein wenig kopfschüttelnd mache ich mich mit diesem Gedanken auf den Rückweg, wobei mir kurz vor meiner Rückkehr aufs Klostergelände sowohl ein Blick auf die mitgeführte Uhr als auch das wohlklingende Läuten der dortigen Glocke gleichermaßen verraten, daß schon in wenigen Minuten im Kircheninnern die Vesper beginnt. Und so begebe ich mich denn auch, nach einem kurzen Abstecher auf mein Zimmer, schnurstracks zur Klosterkirche, wo ich umgehend - wie meist schon früher in der Schule - meinen Platz in einer der hinteren Bankreihen einnehme.







Bildnachweis: Kleine Bibliothek im Obergeschoß des Gästehauses, Feldweg mit himmlischer Aussicht, Schafgarbe am Wegesrand, Tür am Eingangstor zum Kloster


17:25 Uhr


TAG 4: 13.10.2011 [Teil 5]


Wie schon am Vortag sehe ich von meinem Sitzplatz aus einer der Ordenschwestern zu, die vorn am Altar die Kerzen entzündet. Da steigt mir mit einem Male - vollkommen überraschend - ein feiner Duft von unter der heißen Kerzenflamme dahinschmelzendem Wachs in die Nase - und das, obwohl ich mich geschätzte zehn Meter vom "Brennpunkt" jenes Geschehens entfernt befinde. Ja, ist es denn die möglichkeit?! So sehr haben die Stillen Tage im Kloster bereits all meine Sinne geschärft, daß ich Dinge höre, sehe, fühle, schmecke und rieche, derer ich vorher im reizüberfluteten Alltag schon gar nicht mehr gewahr wurde. Eine unendlich große Dankbarkeit befällt mich in diesem Moment, welche einmal mehr dem Schöpfer all jener kleinen und großen Dinge gilt, die ich hier ganz neu entdecken und erleben darf - jenem göttlichen Schöpfer, dem ich letztendlich auch meinen Aufenthalt im Kloster und die damit verbundene Erfahrung friedvoller, aufnahmebereiter innerlicher Gelassenheit verdanke.
Erfüllt von jenem wunderbaren Gefühl feiere ich dann auch den sich anschließenden Gottesdienst mit dem gewohnt festen Ritus und lenke alsdann meine Schritte zum Haupthaus, wo ich zusammen mit den Anderen ein letztes Mal zu Abend esse. Eine Dame mir gegenüber am Tisch, die am kommenden Tag ebenfalls die Heimreise antreten wird, nennt diese Mahlzeit passenderweise "Das letzte Abendmahl". Und so sitzen wir nach einem kurzen Tischgebet des Herrn Pfarrers gemeinsam zu Tisch und teilen Speis und Trank. Nur, daß es bei uns anstelle des Weins roten Früchtetee gibt und daß das Brot nicht gebrochen, sondern - zuvor mit Butter, Käse und Wurst angereichert - mit Messer und Gabel mundgerecht zerteilt wird. Irgendwie ist alles ein wenig anders als damals, als sich Jesus ein letztes Mal vor seiner Verhaftung und seinem Tod am Kreuz mit seinen Jüngern zum gemeinschaftlichen Abendmahl einfand. Und dennoch gibt es da eine ganz entscheidende Sache, die gleich ist. Denn auch an diesem Abend im Kloster Alexanderdorf ist der wiederauferstandene Jesus Christus - so man den Worten der Heiligen Schrift Glauben schenkt, wie all die hier mit mir Versammelten es zweifellos tun - mitten unter uns. Auch dafür danken wir ihm, unserem Herrn, am Ende des gemeinsamen Mahls, in dessen Anschluß ich mich über den Klosterhof hinweg gemächlichen Schrittes zurück zu meinem stillen Kämmerlein begebe.
Ein bißchen Wehmut beschleicht mich dabei, als ich zum Himmel hinaufschaue, hat er doch zu meiner feierlichen Verabschiedung extra sein schönstes weinrotes Abendkleid angelegt, welches er jedoch bereits kurze Zeit später gegen das gewohnte "Lange Schwarze" als Zeichen der hereinbrechenden Nacht eintauscht.





Bildnachweis: Kahler Apfelbaum am Feldweg, Kerze und Kreuzornament an Kirchenwand, Eingangstür des Haupthauses von innen, Bildnis des letzten Abendmahls am Speiseraumeingang


19:00 Uhr


TAG 4: 13.10.2011 [Teil 6]


Wieder ruft dann, wenig später, während ich noch über meinen Tagebuchaufzeichnungen sitze, die Klosterglocke zum Komplet und den Vigilien. Kurzentschlossen streife ich mir an diesem Abend noch einmal meine Jacke über und begebe mich festen Schrittes zur Kirche hin, um dort zumindest einmal an ersterem - sprich: dem kirchlichen Nachtgebet - teilzuhaben. Dabei treffen die Ordensschwestern nicht - wie bei der Vesper üblich - in Zweierformation, sondern einzeln nach und nach in die Kirche ein. Gebetet und gesungen wird anschließend übrigens zur Abwechslung komplett in Deutsch. Und dennoch gehört der zentrale Raum der tagesabschließenden Gottesdienstfeier auch diesmal den Psalmen, an deren Vortrag sich jeweils das von der Vesper her ebenfalls gewohnte gemeinsame Aufstehen und Verneigen anschließt zu den Worten: "Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geist! Wie es war am Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit! Amen!". Gleich zu Beginn des Gottesdienstes ist außerdem jeder Einzelne aufgerufen, im kurzen stillen Gebet seinen Tag ganz persönlich für sich Revue passieren zu lassen, womit er gleichsam nocheinmal - vor dem Angesicht Gottes - ausgebreitet und einer inneren geistlichen Prüfung unterzogen wird. Bevor im Anschluß an das Komplet - dessen sichtbares Ende die segnende Bespränkelung aller anwesenden Gläubigen mit Weihwasser durch eine der Ordensschwestern bildet - die Vigilien folgen, erheben sich mehrere Gäste von ihren Plätzen und verlassen leisen Fußes das Kircheninnere, unter ihnen auch ich.


20:00 Uhr


Wieder in meine gute Stube zurückgekehrt, nehme ich an meinem nunmehr letzten Abend im Kloster das von mir zuvor beiseite gelegte Buch "Geistlich leben im Sinne alter Klosterregeln" von Peter Dyckhoff noch einmal zur Hand, und beschäftige mich ein wenig ausführlicher mit dem, was es - von den Regeln des Hl.Benedikt ausgehend - zum Thema Essen, Trinken und Fasten hergibt.

Ein kurzer Abriß dessen, was sich mir durch die Lektüre des Büchleins offenbarte - Teil 2 - Zum Lesen bitte anklicken!

Zum "Maßhalten im Essen" (Kapitel 39 der Benediktregel) heißt es da beispielsweise: "Einmal am Tag eine warme Mahlzeit einzunehmen, ist ratsam. Sie sollte aus zwei unterschiedlichen Gerichten bestehen, damit man von dem einen oder anderen mehr oder weniger zu sich nehmen kann. Sehr zu empfehlen ist es, frisches Gemüse, Salate oder Obst zusätzlich zu reichen. Brot sollte bei den Mahlzeiten nicht fehlen. Achte darauf, Dich niemals zu übersättigen, sondern bleibe in allem genügsam! Dies bekommt sowohl Deinem Körper als auch Deiner Seele am besten. Ein ständiges Zuviel an Essen entspricht nicht dem ureigenen Wesen des Menschen. Die Materie bindet uns sonst zu stark an sich und trennt uns damit von Gott. sei daher genügsam und eher sparsam in allem, was Du zu Dir nimmst, und übertreibe nichts!
Auf Deinem Weg, geistlich zu leben, wirst Du feststellen, daß Du nach einiger Zeit Fleischspeisen ablehnst, weil sie Dir nicht mehr so gut bekommen. Zuerst wird es für Dich dabei zur Selbstverständlichkeit, kein Fleisch mehr von vierfüßigen Tieren zu essen. Freien Herzens auch gern auf Geflügel und Fisch zu verzichten, macht später eine weitere Stufe der Veränderung Deiner Ernähnrung aus. Zwinge nichts willentlich! Lebst Du mehr und mehr geistlich, geschieht alles mit Dir, was geschehen soll, auf wunderbare Weise ganz von selbst. Urteile auch niemals über Andere, was und weiviel sie essen!"
Zum "Maßhalten im Trinken" (Kapitel 40 der Benediktregel) liest man dann weiter: "Auch der Genuß von alkoholischen Getränken erfährt auf Deinem geistlichen Weg eine Veränderung. Du verspürst irgendwann kein Verlangen mehr nach Alkohol, der Dich in dieser oder jener Weise immer ein wenig verändert. Du selbst stellst Dich klarer den Anforderungen des Lebens, ohne sie durch Alkoholkonsum zu verschleiern oder zu verdrängen. Trunkenheit in jeglicher Hinsicht bedeutet Verlangsamung auf Deinem geistlichen Weg oder eventuell sogar Rückschritt.
Ein Viertelliter Wein jedoch zu den Mahlzeiten kann nicht schaden und müßte für einen Jeden bekömmlich sein. Wer sich allerdings ganz enthält, sollte sich auch, ohne Rücksicht zu nehmen, in der Öffentlichkeit stets dazu bekennen".
Und zum Thema "Fasten" (Kapitel 49 der Benediktregel) erfährt man schließlich: "Die 40 Tage der vorösterlichen Fastenzeit haben - vollziehst Du sie mit - große Wirkung auf Körper, Geist und Seele. Jeweils neu und vertieft im Glauben kannst Du so den Tod und die Auferstehung des Herrn in sakraler Form miterleben, und reiche Gnade schenkt sich Dir.
Nutze die 40 Tage als Zeit der inneren Einkehr, der Entsagung und des Verzichts. Was Dir vielleicht in der übrigen Zeit des Jahres nicht so leicht möglich ist, sollte hier verwirklicht werden: Außeres und inneres Freiwerden von jeglicher Abhängigkeit. Belastungen, Spannungen und Hindernisse fallen von Dir ab und lösen sich, so daß die Reinheit des Herzens zur Grundhaltung der Seele werden kann. Du wendest Dich bewußt und verstärkt allem zu, was den Aufstieg zu Gott fördert: dem Gebet, der Meditation und dem Schweigen. Hinzu kommt die Einschränkung von Bedürfnissen, von Speise und Trank, sowie die Entsagung von jeglicher Oberflächlichkeit und nur auf Zerstreuung ausgerichteter Unterhaltung. An erster Stelle aber sollte immer das tieferne Gebet, das Gebet der Hingabe, stehen. Es bereitet dem Wirken des Heiligen Geistes den Weg,
In den 40 Tagen der Fastenzeit kannst Du in besonderer Weise vieles konkret verwirklichen, was vielleicht bislang nur Dein Wunsch war. Bitte daraum, daß die Gnadenkraft dieser heiligen Zeit auch Dein übriges seelisches Leben formt, wie auch das der Menschen, für die Du Verantwortung trägst!"
Mit dem Abschluß der Abhandlungen zum Fasten schließe ich dann in Anbetracht der fortgeschrittenen Abendstunde meine Betrachtungen wie auch das Buch in meinen Händen.
Mein vorletzter Tag im Kloster findet damit nun ebenfalls sein Ende. Selbstverständlich nicht, ohne daß ich vorm Lichtlöschen und Zubettgehen noch einmal betend auf dem Zimmerfußboden niedersinke, Gott für alles Erlebte und für den unermeßlichen Reichtum seiner Gaben danke. Außerdem bitte ich meinen himmlischen Vater gleichzeitig um seinen Segen und Schutz für die bereits anbrechende Nacht, und das auch diesmal keineswegs nur für mich, sondern auch für mein Geburtstags-Kind Laura und ihre Mutter sowie für alle anderen liebgewonnenen Menschen, derer ich in diesem Augenblick in meinem Herzen gedenke. Den Einstieg zu meiner kleinen persönlichen Andacht aber bietet dabei Psalm 91 (betitelt als "Unter dem Schutz des Höchsten").
Nachdem ich mich anschließend auch gleich umgehend zu Bett begeben habe, bewege ich mich und meine Gedanken dennoch geraume Zeit, bis ich schließlich irgendwann nach 23 Uhr einschlafe.





Bildnachweis: Reliefdarstellung im Flur des Haupthauses, Glastür vom Haupteingang zur Kirche, Orgel der Dresdner Firma Jehmlich, Weihwasserkessel an Kircheninnenwand


Ende Tag 4

+++ CRIMINAL MINDS +++ DALLAS +++ CASTLE +++ DOCTOR WHO +++ 24 +++

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Angel (16. September 2013, 08:37)

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Samstag, 7. Januar 2012, 15:55

TAG 5: 14.10.2011


Ein vorerst letztes Mal bestimmt das Klosterglöckchen meinen Tagesablauf. So weckt mich jenes sanfte Glockenläuten erneut um 5 Uhr. Und es geschieht dabei zum ersten Male während meines gesamten Klosteraufenthalts, daß ich mich beim besten Willen nicht mehr entsinnen kann, was mir des Nachts träumte. Stattdessen erhebe ich mich nun langsam und ziehe schon einmal mein Bett ab. Das Bettzeug lege ich dabei ordentlich zusammen, und begebe mich dann zum morgendlichen Duschen ins Badezimmer. Auch hier packe ich anschließend gleich all meine mitgebrachten Habseligkeiten zusammen und verstaue sie gemeinsam mit der Kleidung aus dem Kleiderschrank in meinen aus diesem zuvor entnommenen Koffer. Behutsam ziehe ich die Vorhänge des Fensters beiseite und schaue dabei noch einmal kurz nach der Digitalanzeige meines Weckers auf dem Nachtschrank. Es ist exakt 5.55 Uhr. Und da ich mir fest vorgenommen habe, an meinem letzten Klostertag wenigstens einmal auch am kirchlichen Morgenlob der Schwestern als Gast teilzunehmen, verlasse ich schon wenige Momente später ruhigen Schrittes mein Zimmer und das Gästehaus in Richtung Kirche.
Im Innenraum des Gotteshauses ist es noch stockdunkel. Und dennoch sind hier bereits einige Gäste und auch einzelne Schwestern - verteilt über sämtliche Bankreihen - andächtig versammelt. Beim Versuch, inmitten einer der hinteren Reihen ebenfalls Platz zu nehmen, bleibe ich beim Durchschreiten einer Bankreihe mit meinem Schuh an einer der Fußleisten hängen und verursache damit im sonst so stillen Raume ein laut nachhallendes Geräusch. Ich selbst erschrecke mich dabei kurz und gerate gleichzeitig auch ein wenig ins Wanken. Nichts desto trotz fange ich mich relativ rasch wieder - vor allem auch, da ich bemerke, daß keiner der restlichen Anwesenden an meiner kleinen Ungeschicklichkeit Anstoß zu nehmen scheint. So schreite ich unbeirrt weiter voran und setze mich schlußendlich auf den von mir zuvor bereits ins Auge gefaßten Platz in der hintersten Reihe. Und in dieser segensreichen Umgebung erinnert mich selbst mein kleines weltliches Mißgeschick noch an einen Bibelvers aus dem am Abend vorher gelesenen Psalm 91: "Damit Du Deinen Fuß nicht an einen Stein stößt".
Inzwischen wird neben mir von einer Ordensschwester mittels eines Lichtschalters das recht dezente Deckenlicht in der ehemaligen Scheune angeknipst und die Laudes beginnen. Der Form nach ist das darin geübte Morgenlob eine Mischung aus dem von mir am Vorabend besuchten Komplet und der mir inzwischen vertrauten Vesper. Wie beim kirchlichen Abendgebet ziehen die Schwestern hierbei einzeln in das Gotteshaus ein, verlassen aber am Ende der Laudes selbiges dann wieder in wohlgeordneter Zweierformation. Im Zentrum des Gottesdienstes stehen erneut die Psalmen, die nach gewohntem Ritus in gesungener Form in der ersten Hälfte zunächst auf Deutsch, dann aber wieder in Latein vorgetragen werden. Am Ende jedes Psalmes steht dabei wie üblich das "Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geist!", zu dem sich alle Anwesenden gemeinsam von ihren Plätzen erheben und zum Altar hin verneigen. Mein Blick ist dabei an jenem Morgen jedes Mal, wenn ich beim sich anschließenden "Wie es war am Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit! Amen!" mein Haupt langsam wieder erhebe, unweigerlich aufs direkt neben dem Altar befindliche Lesepult, auch Ambo genannt, ausgerichtet - und damit gleichsam auf die Heilige Schrift. So wie es auch mein Leben als Christenmensch stets sein sollte - jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen!
Nach dem geordneten Rückzug der Ordensschwestern aus dem Kircheninnern am Ende der frühmorgendlichen Gottesdienstfeier verlasse auch ich mit all den anderen Gästen das Gebäude. Noch einmal lasse ich mit der metallenen Klinke in der Hand die schwere hölzerne Klosterkirchentür langsam in ihr Schloß fallen und begebe mich recht nachdenklich gestimmt über den schummrigen Hof hinweg zurück in mein Quartier, wo ich all meine Eindrücke am Schreibtisch in Worte zu fassen versuche. Unterdess aber wird es draußen vorm Fenster ganz allmählich hell, und die Klosterglocke ruft alle katholischen Gläubigen zur Feier der Eucharistie.


07:25 Uhr


Ich hingegen nutze derweil die Zeit, um meine weltlichen Sachen noch ein wenig zu ordnen - so bringe ich die von mir ausgeliehenen Bücher in die Gästebibliothek im Obergeschoß und die Thermoskanne, die Kaffeetasse sowie meine beiden, während meines Aufenthalts geleerten Saftflaschen in die Teeküche des Gästehauses zurück. Auch die wenigen Dinge, die sich als Müll bei mir im Zimmer angesammelt haben, entsorge ich gleich in einem Abfallbehälter im Innern des Teeküchenschranks.







Bildnachweis: Sonnenaufgang überm Klostergästehaus, keilförmig fliegende Kraniche, blasser Mond am Morgenhimmel, frühreifes Gesträuch


07:50 Uhr


TAG 5: 14.10.2011 [Teil 2]


Was daraufhin folgt, ist ein kurzer morgendlicher Spaziergang im hellen Licht der aufgehenden Sonne. Der fast kugelrunde Mond, der bislang am Nachthimmel wachte, verblaßt dabei langsam immer mehr im Glanze seiner blendend gelaunten Frühschichtablösung. Wieder ist es sehr kühl, so daß ich mich einmal mehr genötigt sehe, den Kragen meines Poloshirts unter meiner Jacke hochzuklappen. Hauchdünn liegt der Reif auf Gräsern und Sträuchern, die ich am Wegesrand vorbeigehend passiere. Unzählige Vögel ziehen als Einzelgänger oder in schwärmerischen Gruppen über meinen Kopf dahin. Und all die bunten Herbstblätter an den vereinzelt stehenden Laubbäumen erstrahlen in all ihrer farbenfrohen Pracht. Ja, es ist ein geradezu paradiesischer Anblick, der sich mir hier am frühen Morgen am Feldrand nahe der Abtei bietet. Und so schnappe ich mir noch einmal meine Kamera und mache ein paar schöne Schnappschüsse von alledem, woraufhin ich mich wieder auf den Weg zurück zum Haupthaus des Klosters mache, wo bereits ein letztes Mal das Frühstück auf mich wartet.
Die anderen Gäste sitzen schon zu Tisch, während ich eintreffe, mir vom Bufet ein Brötchen und etwas Käse herunterfische und mich dann leisen Schrittes auf meinen angestammten Platz am Tisch des Speisesaals begebe. Im Sitzen spreche ich für mich allein noch kurz ein stilles Tischgebet und lasse mir anschließend den frischen, heißen Kaffee aus der bereitstehenden Thermoskanne sowie das herrlich knusprige Käsebrötchen schmecken.


09:00 Uhr


Nach dem Frühstück wieder in meinem Zimmer angelangt, packe ich in aller Ruhe auch noch meine letzten privaten Sachen zusammen und räume dann schweren Herzens die gute Stube, denn Schwester Beata steht draußen vor der Tür bereits bereit, um es für den nachfolgenden Gast vorzubereiten. Ihr übergebe ich auch meine zuvor abgezogene Bettwäsche. Meinen Zimmerschlüssel hingegen hinterlasse ich bei den zwei Ordensschwestern an der Pforte ab. Gleichzeitig verabschiede ich mich schon einmal von ihnen und bedanke mich für die erwiesene Gastfreundschaft. Ja, ich bewege die Zwei in ihrer Ordenstracht sogar noch rasch zu einem kleinen Erinnerungsfoto vor der Kulisse des offenstehenden Haupthauseingangs. Dann stelle ich im Haupthausinnern meinen mitgeführten Koffer unter und gehe, da mir bis zum Eintreffen meines schon am Anreisetag vorbestellten Taxis noch fast anderthalb Stunden verbleiben, in das großflächige Waldstück auf der dem Klostergelände gegenüberliegenden Straßenseite.
Noch einmal wähle ich, wie bereits am ersten Tag, den Weg geradeaus und genieße dabei in vollen Zügen andächtig voranschreitend die frische Luft, die mich nach wenigen Minuten hier fernab aller Autoabgase in Empfang nimmt. Meinen, während des Klosteraufenthalts geschärften Sinnen offenbaren sich dabei viele kleine Dinge, welche mir am Ankunftstag auf gleicher Strecke völlig verborgen geblieben waren. So entdecke ich beispielsweise, etwas abseits vom Weg im Wald versteckt, einen Ameisenhaufen. Der aber erscheint mir in diesem Augenblick als das Sinnbild einer eifrig tätigen Gemeinschaft, wie ich sie in den letzten Tagen auch im Kloster erleben durfte. Immer tiefer zieht es mich letztmalig in den Wald und in seine wohltuend erquickende Stille hinein. Erst nach einer Dreiviertelstunde Fußmarsch kehre ich wieder um und trete nicht weniger gemächlichen Schrittes den Rückweg an.
Das Kloster erreiche ich dabei gegen 10.40 Uhr. Auf seinem Hof angelangt, mache ich noch einen allerletzten Abstecher ins Kircheninnere, zu einem abschließenden kurzen stummen Dankgebet, wobei ich zu meiner großen Freude durch eine um diese Zeit ebenfalls dort anwesende Ordensschwester zu guter Letzt sogar noch eine kleinen Kostprobe ihres klassischen Orgelspiels zuteil wird. Ein paar Minuten später verlasse ich die Scheunenkirche wieder und hole nun meinen Koffer aus dem Haupthaus ab, wo ich von Schwester Elisabeth verabschiedet werde - jener Schwester Elisabeth, die mich hier fast genau 96 Stunden zuvor auch willkommen geheißen hatte.
Der Kreis schließt sich also! Alles hat eben seinen Anfang und sein Ende - auch mein Klosteraufenthalt, der mir schlußendlich nicht nur die von mir so ersehnte Stille bescherte, sondern zusätzlich auch die einzigartige Erfahrung wahrhaft gelebter christlicher Gemeinschaft. Dafür danke ich all den Schwestern vom Benediktinerinnenorden des Klosters Alexanderdorf von ganzem Herzen, während ich nur wenige Minuten später im pünktlich eintreffenden Taxi durch das große, stets offenstehende Eingangstor der Abtei St.Gertrud vom Hof fahre - meinen kleinen Koffer wie auch mein Herz gleichermaßen angefüllt mit vielen wunderbaren, bleibenden Erinnerungen und in der festen Gewißheit, hier ganz sicher bei weitem nicht das letzte Mal zu Gast gewesen zu sein ...







Bildnachweis: Zwei reizende Schwestern, Ameisenhügel im Wald, Spiegelei in einer Waldpfütze, Eine himmlische Erleuchtung


11:00 Uhr


NACHWORT FÜR MEINE LESERINNEN UND LESER


"Stets aufs Neue bin ich begeistert, wie die im Kloster empfundene innere Ruhe schon allein beim Lesen in meinem Klostertagebuch und dem Betrachten der zugehörigen Bilder umgehend wieder bei mir einkehrt. Im Geiste wandle ich dann andächtigen Schrittes durch Wälder und Wiesen oder schaue gedankenversunken aus dem Fenster auf den Klosterhof hinaus. Vor meinem inneren Auge tauchen dabei erneut die strahlenden Gesichter meiner Mitgäste auf, und in meine Nase zieht ein imaginärer Duft, der sich bei näherer Analyse aus den Gerüchen von frischer Waldluft, warmen Pellkartoffeln, heißem Pfefferminztee und einem brennenden Kerzendocht zusammenzusetzen scheint. Selig schließe ich dann meine Augen und glaube, inmitten der mich umgebenden Stille aus der Ferne sogar die zarten Vespergesänge der Klosterschwestern vernehmen zu können. Ich lehne mich äußerlich wie auch innerlich zurück und genieße jene ausgesprochen sinnliche Variante gelebter Erinnerung ... die ich in gewisser Art und Weise über die hier vorliegende Veröffentlichung meines handgeschriebenen Klostertagebuchs auch all denen zuteil werden lassen möchte, welche - wie ich - bereit sind, sich bei all dem Streß und der Hektik unserer heutigen Zeit auf ein solch phantastisches Erlebnis einzulassen ... Bis bald, Euer Sven!"




HERZLICHEN DANK UND AUF WIEDERSEHEN, LIEBE ORDENSSCHWESTERN DES KLOSTERS ALEXANDERDORF!


Ende Tag 5

+++ CRIMINAL MINDS +++ DALLAS +++ CASTLE +++ DOCTOR WHO +++ 24 +++

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Angel (16. September 2013, 08:37)

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